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Olympia-Rückblick: Skandale, Dramen, Lichtblicke

Olympia-Rückblick: Skandale, Dramen, Lichtblicke

Kaum hatte das Olympia-Feeling so richtig um sich gegriffen, waren die Spiele der XXX. Olympiade auch schon wieder beendet.

302 Entscheidungen in 26 Sportarten hielten sie bereit. 162 gingen auf das Konto des "starken Geschlechts", 132 wurden für Damen ausgetragen, acht in Mixed-Bewerben.

Für Österreich hielten die Spiele in London viele Enttäuschungen parat. Einige wenige Lichtblicke erwärmten aber auch die Herzen der geschundenen rot-weiß-roten Fan-Seelen.

"Nobodys" und Superstars im Blickpunkt

International stachen einmal mehr gestandene Größen wie Usain Bolt oder Michael Phelps, die bereits den Spielen 2008 in Peking ihren Stempel aufdrückten, heraus.

Doch nicht nur die großen Namen lieferten große Geschichten. Hin und wieder rückten "Nobodys" in den Blickpunkt und raubten den Superstars die Show.

Wie zu befürchten, blieb auch der eine oder andere Skandal nicht aus. Die größten Aufreger, rot-weiß-rote Lichtblicke & Tiefschläge und vieles mehr im LAOLA1-Olympia-Rückblick:


Rot-weiß-rote Tiefschläge, die Olympia-Superstars und mehr im ZWEITEN TEIL

 

Beate Schrott war bei diesen aus österreichischer Sicht ansonsten tristen XXX. Olympischen Spielen eine positive Überraschung. Auf das Überstehen des Vorlaufs über 100m Hürden durfte man durchaus hoffen, aber damit, dass die sympathische Niederösterreicherin ins Finale einzieht, rechnete niemand.

Die eher mäßige Zeit und der achte und letzte Platz im Endlauf taten den Freudentränen vor 80.000 Fans zu Recht keinen Abbruch: Als erste ÖLV-Athletin seit 1948 und als zweite überhaupt erreichte die 24-Jährige ein Olympisches Sprintfinale. Vor lauter Glück konnte Schrott kaum einschlafen. Jetzt stehen das Abschließen des Medizin-Studiums und fleißiges Weitertrainieren auf dem Programm, Rio 2016 ist auf jeden Fall ein Ziel.

Zu der Person Dinko Jukic kann man stehen wie man will. Der Wiener gilt als Eigenbrötler und ist als Enfant Terrible verschrien, aber Jukic kam als einziger OSV-Schwimmer über die Statistenrolle in London hinaus. Mit dem vierten Rang über 200m Schmetterling erreichte der 23-Jährige gleich die beste heimische Platzierung der gesamten Spiele.

Dazu stellte er mit 1:54,35 Minuten einen neuen österreichischen Rekord auf. Auch abseits des Beckens sorgte Jukic mit seinem Rundumschlag gegen den Schwimmverband für Aufsehen:  „Wenn sie erwarten, dass ich mich mit Michael Phelps messe, dann sollen sie sich auch mit den amerikanischen Funktionären messen können“.

Von wegen Olympia-Touristin! Die erst 18-jährige Ivona Dadic legte in Englands Hauptstadt mehr als nur eine Talentprobe hin. Als erste Österreicherin überhaupt war sie bei einem Olympischen Siebenkampf dabei und landete am Ende auf dem respektablen 25. Platz.

Aus sportlicher Sicht wichtiger: Die Oberösterreicherin kam bis auf 24 Punkte an ihren Rekord heran und stellte in zwei Disziplinen (100m Hürden, Hochsprung) persönliche Bestleistungen auf. Dementsprechend fiel Dadic' Fazit aus: „Die Ehrenrunde habe ich einfach nur noch genossen.“

 

 

Das Drama des Liu Xiang wiederholte sich. Diesmal war es vielleicht nicht ganz so emotional wie bei seinen Heimspielen in Peking, aber dennoch tragisch und sogar mit derselben Startnummer, der 1356: Im Halbfinale über 110m Hürden stürzte Chinas Leichtathletik-Star frontal in die erste Hürde.

Der neuerliche Achillessehnen-Riss sorgte für einen Schock beim Milliarden-Volk. Nach Lius Aus konnten aus China ungewohnte Töne vernommen werden. Die Zeitung „Global Times“ machte den „Druck durch das Land“ für Lius Scheitern mitverantwortlich.

Es war einer der emotionalsten Momente von Peking 2008: Ein Jahr nach dem Tod seiner Frau holte Matthias Steiner Gold im Gewichtheben. Vier Jahre nach diesem Märchen ging er als Außenseiter ins Rennen, hoffte aber trotzdem auf eine Medaille.

Der für Deutschland startende Niederösterreicher konnte seinen zweiten Versuch im Reißen (196 kg) nicht bewältigen und wurde anschließend auch noch von einer Hantel am Kopf getroffen. Die 10.000 Zuschauer in der ExCel Arena waren fassungslos. Glück im Unglück: Steiner musste den Wettkampf zwar beenden, kam aber mit leichten Verletzungen davon.


Valeriy Borchin ist Olympiasieger von Peking und amtierender Weltmeister über 20km Gehen. Auch in London lief für den Russen zunächst alles nach Plan. Nach 15 Kilometern lag der 25-Jährige klar auf Silberkurs, auch 2.000m vor dem Ende schien mit Platz vier noch alles drin zu sein.

Dann verließen Borchin jedoch seine Kräfte und er sackte völlig ausgelaugt am Streckenrand zusammen. Die medizinischen Kräfte versorgten ihn umgehend. Im Krankenhaus erlangte Borchin schließlich wieder sein Bewusstsein und erholte sich im Laufe der nächsten Tage.

 

Rot-weiß-rote Tiefschläge, die Olympia-Superstars und mehr im ZWEITEN TEIL

 

 

Robert Harting war der haushohe Favorit im Diskuswurf der Männer. Der Zwei-Meter-Riese aus Deutschland gewann schließlich die letzten 28 Wettkämpfe vor den Olympischen Spielen. Doch just beim größten aller Großereignisse wollte es nicht laufen. Die Schuld an den mäßigen ersten Versuchen schob der extrovertierte Berliner den äußeren Umständen (Lärm im Stadion, Kampfrichter) in die Schuhe.

Doch dann der fünfte Wurf: 68,27 Meter. Es sollte für Gold reichen. Danach ging es so richtig mit Harting durch: Zuerst sein patentierter Trikot-Zerreiß-Jubel, dann setzte er auch noch zum 100-m-Hürden-Lauf an. „Die ganzen Kampfrichter am Anfang der Hürdenbahn haben mir verboten, über die Hürden zu laufen. Damit haben sie mich natürlich provoziert. Dann bin ich los gelaufen.“

Eine US-4x100m-Freistilstaffel mit Michael Phelps und Ryan Lochte muss sich Gold eigentlich nur abholen, oder? Denkste! Nathan Adrian, der bis dahin enttäuschende Phelps und Cullen Jones hielten die Amerikaner stets an der Spitze. Dann der letzte Wechsel. Lochte sprang mit einer halben Sekunde auf den Franzosen Yannick Agnel ins Becken.

Auch nach 350m roch noch alles nach einem Triumph von „Stars and Stripes“.  Doch auf der letzten Länge zündete Agnel den Turbo, nahm Lochte eine Dreiviertelsekunde ab und bescherte der Grande Nation Gold. Für Agnels Eltern kein Zufall, dass ihr Sohn bei den Spielen so groß auftrumpfte (2x Gold, 1x Silber): „Yannick wurde in London gezeugt.“

Anfang Juli: Andy Murray zieht als erster Brite seit 1938 ins Herreneinzel-Finale von Wimbledon ein. Die Zeit war aber noch nicht reif für den großen Triumph. Trotz Satzführung unterlag der Schotte der neuen alten Nummer eins, Roger Federer. Anfang August: Der Schauplatz ist derselbe. Wieder lautet das Duell im Tennis-Einzel Murray gegen Federer.

Diesmal spielte sich der 25-Jährige aber in einen richtigen Rausch und machte mit dem Schweizer kurzen Prozess. „Andy, Andy“-Sprechchöre der 15.000 Fans begleiteten fast das ganze Match. Als Murray dann auch noch den ersten Matchball mit einem Ass verwerten konnte, brachen alle Dämme. In ganz London lagen sich fremde Menschen in den Armen und bejubelten den historischen Sieg.

 

 

Die längste Sekunde aller Zeiten sorgte für einen riesigen Fecht-Eklat. Shin A-Lam (KOR) und Britta Heidemann (GER) bestritten das Degen-Halbfinale der Damen. Eine Sekunde vor dem Ende der Verlängerung stand es 5:5 mit Priorität für Shin. Heidemann griff an, Doppeltreffer. Die österreichische Kampfrichterin Barbara Csar ließ aber weitermachen, die Uhr wurde wieder auf 0:01 zurückgestellt.

Die Szene wiederholte sich mehrmals. Und irgendwann traf Heidemann auch. Was folgte, waren wilde Proteste der Koreaner, eine heulende Shin, die einen „Sitzstreik“ einlegte und die Planche gar nicht mehr verlassen wollte. An der Entscheidung wurde aber nicht mehr gerüttelt und Shin verlor fast logischerweise auch das Gefecht um Platz drei.

Der letzte Gruppenspieltag des Badminton-Turniers brachte skurrile Szenen zu Tage. Vier Damen-Doppel versuchten absichtlich zu verlieren, um so in der K.o.-Phase vermeintlich leichtere Gegner zu erhalten. Auf den Gipfel getrieben wurde diese Farce durch die topgesetzten Chinesinnen Wang/Yu, die den eigenen Aufschlag reihenweise ins Netz setzten.

Beide betroffenen Partien quittierten die Fans in London mit Pfiffen und Buh-Rufen. Der Badminton-Weltverband reagierte schnell und schloss die acht betreffenden Spielerinnen aus. Da nützten auch alle Ausreden nichts.

In der Nacht zum 2. August teilte der Deutsche Olympische Sportbund mit, dass Nadja Drygalla das Olympische Dorf „auf eigenen Wunsch hin“ verlassen habe. Der Lebensgefährte der 23-jährigen Ruderin aus Rostock ist Michael Fischer, seines Zeichens bekanntes Gesicht der rechten Szene.

In Deutschland fragt man sich, wieso erst während der Spiele reagiert wurde, die Berichte seien keinesfalls neu. Andere Seiten sprechen von einer „Hetzjagd“ gegen Drygalla, deren sportliche Karriere nach diesem Fall in Scherben läge.

 

 

Es war im Mai 2009, als das Leben der Bahnradfahrerin Kristina Vogel an einem seidenen Faden hing. Ein Kleinbus mit Zivilpolizisten nahm der damals 18-Jährigen während ihres Trainings die Vorfahrt, sie krachte durch die Heckscheibe und musste ins künstliche Koma versetzt werden. Ein Jahr später offenbarte sie vor Gericht unter Tränen, nicht einmal einen Apfel normal essen zu können. Doch der Sport trieb Vogel an, nicht aufzugeben.

In London wurde sie für all ihre Mühen, all den Schmerz und all das Leid entlohnt. Gemeinsam mit Miriam Welte gewann sie Gold im Team-Sprint, nachdem zunächst Großbritannien (im Halbfinale) und anschließend China (im Finale) - beide waren den Deutschen überlegen - aufgrund eines Wechselfehlers relegiert wurden.

Olympia-Gold in Athen 2004 bedeutete für Radprofi Bradley Wiggins die Erfüllung eines Lebenstraums. Danach fühlte sich der Mann mit den berühmtesten Koteletten Großbritanniens leer. Er fiel in ein Loch, fand Halt im Alkohol. Sein Vater, der die Familie früh im Stich ließ, war ebenfalls Alkoholiker, Bradley Wiggins spricht davon, eine "süchtige Ader" zu haben.

Die Geburt seines Sohnes veränderte ihn jedoch, der inzwischen 32-Jährige besann sich auf die wichtigen Dinge im Leben wie die Familie und fokussierte sich auf den (Straßen-)Radsport. In diesem Jahr avancierte der "Commander of the Order of the British Empire" zum nationalen Helden. Zunächst gewann er die Tour de France, als Sahnehäubchen setzte er Olympia-Gold im Zeitfahren drauf.


"Viele haben gesagt: Hör auf!", gestand Hürden-Läufer Felix Sanchez. Der Nationalheld der Dominikanischen Republik, 2004 Olympiasieger über 400m Hürden, schien seinen Zenit längst überschritten zu haben. Die deutlich jüngere Konkurrenz war dem 34-Jährigen weit enteilt, Spitzenplatzierungen waren für den einstigen Dominator - zwischen 2001 und 2004 gewann er 43 Rennen in Folge - zur Rarität geworden. Zudem wurde der so lebenslustige Sanchez von einem persönlichen Schicksalsschlag heimgesucht. Seine geliebte Großmutter war verstorben.

Der Familienmensch schlief in den Tagen vor dem Finale in London mit einem Foto seiner Oma, um ihr immer nah zu sein. "Ich habe ihr eine Medaille versprochen, bevor ich aufhöre", gestand Sanchez, der Wort hielt und überraschend zum zweiten Mal Gold gewann. Während der Siegerehrung, bei der es zu regnen begann, konnte sich Sanchez nicht mehr halten. Er weinte hemmungslos und fühlte seine Oma bei sich: "Als es bei der Siegerehrung angefangen hat zu regnen, da habe ich gespürt, dass es meine Oma war, die weinte."

 

Máte Esterházy/Christoph Nister

 

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