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"Ein Fehler wie 2008 darf mir nicht mehr passieren"

Je näher Olympia rückt, desto intensiver werden die Trainingseinheiten von Jördis Steinegger.

14 Kilometer täglich sind da keine Seltenheit. Eher die Regel.

Nach einem abschließenden Tempo-Durchgang klettert die 29-Jährige erschöpft aus dem Wasser. „Jetzt habe ich Zeit für ein Interview mit euch“, lächelt sie und scheint sich mit ihrem kleinen Badetuch auch die soeben widerfahrenen Strapazen vom Körper wischen zu können. Für sie ist das schließlich Alltag.

Nicht alltäglich sind hingegen die Olympischen Spiele. In London möchte sie über die 400 m Lagen einen Finalplatz erreichen. „Das wird beinhart, weil gerade über diese Strecke die Dichte enorm hoch ist“, meint Steinegger.

Im großen LAOLA1-Interview spricht sie über ihre zweiten Spiele, die Beschaffenheit ihres Nervenkostüms und das Modeln:

LAOLA1: Jördis, London werden nach 2008 deine zweiten Olympischen Spiele. Was willst du 2012 unbedingt besser machen?

Jördis Steinegger: In Peking bin ich dadurch bekannt geworden, dass ich im ersten Bewerb die falsche Badehaube hatte. Dabei war die Nervosität sowieso schon so groß. Dass dir im Vorstartraum die Badehaube weggenommen wird, so ein Fehler darf dir auf keinen Fall passieren. Drei Minuten vor dem Start hat mir dann noch jemand schnell eine andere Badehaube gebracht.

LAOLA1: Bist du ein „Nerverl“?

Steinegger: Ich glaube schon. Aber sobald ich auf dem Startblock stehe bzw. sobald ich ins Wasser eintauche, weiß ich, worum es geht. Da wird gefightet bis zum Ende. Vom Charakter her bin ich schon eine, die davor herumhüpfen und sich in Schwung bringen muss. Aber klar wird man da im Alter auch etwas ruhiger.

LAOLA1: Hast du dich im Kopf bereits mit dem Tag X auseinandergesetzt?

Steinegger: Ja, schließlich weiß ich genau, dass ich am 28. Juli um etwa 10 Uhr auf den Startblock steigen werde. Dann muss einfach alles passen. Ich habe zuletzt versucht, mit mentalem Training daran zu arbeiten.

LAOLA1: Wie sieht das mentale Training bei dir aus?

Steinegger: Ich arbeite mit Babsi Niedenhuber zusammen. Vor zwei Jahren hatten wir in Bezug auf die Trainersituation in Linz einen ziemlichen Tiefschlag (Missbrauchsskandal um Helge Goedecke; Anm.) zu verkraften. Ich hatte große Probleme, das zu verarbeiten. Auch wenn ich eigentlich zu spät darauf reagiert habe, war es für mich letztendlich doch ausschlaggebend, in das mentale Training einzusteigen. Damit ich mich wieder auf das Wesentliche konzentrieren kann. Das hat wunderbar gefruchtet. Wir konnten dieses Thema mittlerweile hinter uns lassen und uns den eigentlichen Schwimm-Themen widmen.

Privat und beruflich ein Team: Marco Wolf und Jördis Steinegger

LAOLA1: Du bist mit deinem Trainer Marco Wolf privat liiert. Gibst du ihm viel Feedback zum Training?

Steinegger: Ich bin bekannt für meine Kommentare (lacht). Ich sage sofort, ob mir etwas passt oder nicht. Auch wenn das dem Trainer nicht immer gefällt: Das muss einfach raus. Ich versuche, daran zu arbeiten, nicht dass die Gruppe darunter leidet. Jeder geht halt mit dem Schmerz im Training anders um. Ich glaube, dass er aber über das Feedback froh ist. Letzten Endes geben wir ihm ja auch mit den erbrachten Leistungen ein Feedback.

LAOLA1: Du hast in der Olympia-Vorbereitung die Sonntagsruhe gestrichen. Läufst du dadurch nicht Gefahr, ins Übertraining zu geraten?

Steinegger: Da vertraue ich komplett dem Trainer. Außerdem ist es nicht so, dass wir Sonntag voll drauf hauen. Es geht mehr in Richtung aktiver Erholung. Ich bin schon so gut trainiert, dass ich mich besser erhole, wenn ich mich bewege. Wenn es mir wirklich zu viel wird, dann sage ich ihm das. Ich bin schon weit genug, um auf mich selbst hören zu können.

LAOLA1: Du hast die Prüfung zum Schwimm-Instruktor mit lauter Einsern abgeschlossen. Bist du eine Streberin?

Steinegger: Ich habe gehört, dass gute Sportler auch gute Schüler sind. Genauso wenig wie ich zu einem Wettkampf unvorbereitet gehen möchte, möchte ich auch zu einer Prüfung unvorbereitet gehen. Deshalb hasse ich auch Trainingswettkämpfe, weil ich weiß, dass ich da müde bin. Ich würde mich aber nicht als Streber bezeichnen, sondern eher als motiviert und zielstrebig (lächelt).

LAOLA1: Lässt deine Ausbildung zum Schwimm-Instruktor bereits auf eine spätere Trainer-Karriere schließen?

Steinegger: Das steht noch in den Sternen. Es wäre für mich schon einen Freude, das Wissen weiterzugeben, weil ich doch in den vergangenen 15 Jahren eine Menge erlebt habe. Der richtige Leistungssport ist für mich wahrscheinlich eine Nummer zu groß, aber vor allem der Jugendbereich würde mich reizen. Gerade durch Marco habe ich gelernt, dass der Spaßfaktor nicht zu kurz kommen darf. Das wird im Schwimmen gerne vergessen.

LAOLA1: Falls es mit der Trainer-Karriere nichts wird, könntest du ja modeln. Da hast du schon erste Gehversuche gemacht.

Steinegger: Dankeschön (lacht)! Das ist aber weniger modeln, mehr „Jördis Steinegger macht Werbung für…“. Nichtsdestoweniger macht es mir extrem Spaß und ist auch eine Abwechslung. Aber um Gotteswillen – ein Model bin ich überhaupt nicht, da fehlen die ganzen Maße und was sonst noch alles dazugehört. Aber bei den Foto-Shootings ist es interessant zu sehen, was man aus einem Menschen herausholen kann.

LAOLA1: Wie vertragen sich Modeln und ein Leistungssport wie Schwimmen?

Steinegger: Ich glaube schon, dass sie kompatibel sind. Zumal ja Schwimmer da sehr offen sind, weil sie ohnehin immer im Bikini oder Badeanzug herumrennen und deshalb ihren Körper akzeptieren, wie er ist. Auch mit den vielen Muskeln. Mit denen hat so mancher Fotograf sein Problem, wenn dann auf dem Foto der Bizeps oder der Trizeps zu groß ist (lacht).

LAOLA1: Wie viel Zeit verbringst du in der Früh vor dem Spiegel?

Steinegger: Eigentlich recht wenig. Es wäre auch sinnlos. Wozu soll ich mich schminken, wenn ich danach gleich ins Wasser hüpfe? Wenn ich fortgehe, dann richte ich mich natürlich schon her. Da ist man dann schon gern mal Frau. Immer nur im Trainingsanzug herumzuirren, ist auch fad. In einem schönen Abendkleid zu einer Veranstaltung zu gehen, muss auch mal sein.

LAOLA1: Muss Marco oft auch dich warten, bis du fertig hergerichtet bist?

Steinegger: Nein, ich muss auf Marco warten (lacht). Eitel ist er nicht, aber gepflegt und das ist auch gut so.

Das Interview führte Reinhold Pühringer