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Wo der Dolomitenmann besonders männlich ist

Wo der Dolomitenmann besonders männlich ist

Man nehme Laufen, Paragleiten, Paddeln und Radfahren und führe das Ganze ins Extreme – und herauskommt der Dolomitenmann.

Vor dem 25. Jubiläum des Teambewerbs, der von 7. bis 9. September in Lienz steigt, filtert LAOLA1 die Schlüsselstellen der gnadenlosen Strecke heraus.

Oberschenkel und Lunge brennen um die Wette. Doch der Berg scheint kein Ende zu nehmen. Immer noch eine Kehre und noch eine Kehre. Und jede scheint einen Tick steiler zu sein.

Ich beiße die Zähne zusammen. Freilich im metaphorischen Sinne, denn ansonsten würde ich zu wenig Luft bekommen. „Stütz dich mit den Armen auf den Oberschenkeln ab! Dann geht es ein wenig leichter“, tönt eine verhältnismäßig unangestrengte Stimme hinter mir. Sie gehört Andreas Goldberger.

Jenem Andreas Goldberger, der vor einigen Jahren die langen Skisprung-Latten ins Eck stellte und nun bei etlichen Laufveranstaltungen sein Unwesen treibt. Je steiler, desto besser – lässt sich die Selektion seiner Rennen auf den Punkt bringen.

Der 39-Jährige, der rein optisch gut und gerne noch als 19-Jähriger durchgehen würde, startet deshalb auch im Berglauf, dessen Streckenführung LAOLA1 mit dem Innviertler gemeinsam erkundet. Oder genauer gesagt: zumindest einen Teil davon. Denn die ganzen 2.000 Höhenmeter hinauf auf das Kühbodentörl geben wir uns nicht. Für unsereins reichen die knapp 400 hinauf zum Goggsteig.

Mit "Goldi" oben angekommen

„Meiner Meinung nach ist das ohnehin das härteste Stück der ganzen Strecke“, meint „Goldi“, der nur dank Dolomitenmann-Initiator Werner Grissmann („Er sagte zu mir: Goldi, jetzt lern einmal eine gescheite Sportart!“) zum Berglauf kam.

„Erstens weil du aus dem Flachen mit vollem Tempo in den sehr steil ansteigenden Hang reinläufst und zweitens weil du nach diesen 400 Höhenmetern schon vollkommen fertig bist und du aber genau weißt, dass du erst ein Fünftel der Strecke hinter dir hast“, spielt er auf die psychologische Komponente an.

Eine Komponente, die auch kurz vor dem Ziel noch einmal zum Tragen kommt. „Wenn du über das Schotterfeld raufläufst, kannst du das Ziel schon in 300 Metern Entfernung sehen. Du läufst und läufst, doch der Hang scheint ewig lang zu sein und das Ziel kommt kein Stück näher.“

Goldbergers persönliche Bestzeit liegt bei 1:48 Stunden, womit ihm über 20 Minuten auf die Bestzeit des neuseeländischen Weltmeisters Jonathan Wyatt fehlen. „Das ist so deprimierend, wenn du auf der ganzen Strecke alles gibst und dann fehlt dir am Ende trotzdem so viel“, kann es Goldberger nicht glauben.

Paragleiten über Lienz – eine herrliche Angelegenheit. Doch um die imposante Berg-Kulisse sowie die geniale Aussicht zu genießen, dafür haben die 125 Flieger (aufgrund des 25-Jahr-Jubiläums wurde die Zahl auf 125 Teams beschränkt) keine Zeit.

Es muss alles ratzfatz gehen. „Deshalb fliegen wir immer mit eingezogenen Seiten. Dann bist du schneller“, erklärt uns der mehrfache Dolomitenmann-Starter Manfred Lobenwein während eines Tandem-Überflugs in Richtung Moosalm, die auch im Rennen als Zwischenlandeplatz dient.

Mit Lobenwein in der Luft

Der 30-Jährige, der heuer aufgrund einer nicht ganz ausgeheilten Verletzung im Bein nicht teilnehmen kann, steuert die Wiese mit einem rasanten Turn an. Die Landung gelingt butterweich. Wäre er jetzt im Rennen, müsste er den Schirm schnappen und zur rund 15 Minuten und 200 Höhenmeter entfernten Ski-Weltcuppiste laufen, von wo es durch die Luft runter zu den Wildwasser-Kanuten geht.

Für die Paragleiter ist die Laufstrecke das entscheidende Kriterium, denn die Ausrüstung wiegt rund 15 kg. Bergauf über den Forstweg spüren die Athleten jedes Kilo. „Du musst voll fit sein, sonst verlierst du zu viel Zeit“, bestätigt „Evergreen“ Wendelin Ortner, der sich bei allen 25 Auflagen in die Lüfte schwang. Die besten Paragleiter, zu denen der sechsfache Sieger Ortner zweifellos gehört, benötigen knapp über 30 Minuten für ihren Part.

Seine Bewegungen auf dem Wasser sind geschmeidig. Fast katzenartig schlängelt Sam Sutton über die Stromschnellen und vorbei an den Felsen. Der Neuseeländer fühlt sich auf der Isel in seinem Element. Dabei ist ihm das Gewässer hier sogar ein wenig zu ruhig. Denn trotz seiner erst 24 Jahre gilt er als bester Wildwasser-Kanute der Welt, krönte sich bereits zwei Mal zum Sickline-Weltmeister (eine Serie für die besonders Waghalsigen) auf der Ötz.

Bei so viel Klasse fällt es leicht, sich in ein Boot mit dem stets gut aufgelegten Adrenalin-Junkie zu setzen. Auch wenn es das erste Mal auf dem Wildwasser ist und sich aus der Nähe die Frage aufdrängt: Wovon Suttons Nase wohl schief ist? Aber egal. Der Kurs auf Isel und Drau hat es in sich. Mit dem Kapazunder hinten im Boot ist es freilich ein Kinderspiel. Er gleicht instinktiv jede Gleichgewichtsstörung aus und hält das Kajak von den Felsen fern. Und falls wir doch einmal etwas übersehen sollten: Die Eskimorolle zählt zu seinen leichtesten Übungen. Selbst mit Passagier.

Mit Sutton auf dem Wildwasser

Der Dolomitenmann ist für ihn eine Premiere. „Für mich wird das ein komplett anderes Rennen, als ich sie sonst fahre“, meint Sutton. Schließlich dauern die Sickline-Rennen nur knapp eine Minute. In Lienz wird er hingegen rund eine halbe Stunde unterwegs sein. Zum anderen hängen hier Tore rum, die es zu passieren gilt. Insbesondere die Aufwärtspassagen sind sehr kräfteraubend. „Das wird hart“, grinst er.

Der wahre „Killer“ für die Paddler wartet allerdings ganz woanders. Die Athleten müssen das Boot über die rutschigen Steine am Ufer entlang tragen. „Das schlimme ist, dass deine Beine nach der langen Zeit im Boot fast nicht mehr durchblutet sind“, weiß der sechsfache Sieger Harald Hudetz.

Das ist irre. Der Blick die Lienzer Skiweltcup-Strecke hinunter ringt Respekt ab. Die Vorstellung, da mit dem Rad runterzubrettern, ist abartig. Das lassen wir lieber, bin ich auf einen Selbstversuch überhaupt nicht wild.

„Da pfeifst du ganz gerade runter“, meinen Alban Lakata und Benjamin Karl indes seelenruhig. Querende Wege oder Schlaglöcher gehören dazu. Und das alles bei 70 Stundenkilometer und mehr. 9,4 Kilometer geht es vom Hochsteinkreuz mit einem Durchschnittsgefälle von 26 Prozent in Richtung Ziel am Lienzer Hauptplatz. „Während des Rennens bist du da wie in Trance“, betont Lakata die hohe Konzentration während der Schusspartie.

Doch das mit der Konzentration ist nicht so leicht, schließlich müssen sich die Zweirad-Artisten davor auf dem Weg hinauf richtig auspumpen. Dementsprechend sind auch die Bikes auf das nötigste reduziert, wobei das aufgrund der hohen Anforderungen für die Abfahrt nur mit Abstrichen möglich ist. „Du musst einen Kompromiss eingehen. Um das kommst du nicht drumherum“, meint der Lienzer Lokalmatador.

Die 17,4 km lange Bergauf-Strecke hat Überraschungen parat, wie beispielsweise eine Trage-Passage nach der Moosalm. Lakata: „Da musst du aufpassen, dass du nicht überpowerst, ansonsten bist du danach blau.“

Aus Lienz berichtet Reinhold Pühringer