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Arch: "Dieser Sprung ist Formel 1 zum Quadrat!"

Arch:

 „Wenn ich daran denke, kriege ich feuchte Hände“, kann es auch Hannes Arch gar nicht mehr erwarten, dass es endlich losgeht.

Es ist die Mission Stratos, das Mega-Projekt von Felix Baumgartner und Red Bull.

Der Salzburger möchte am Dienstag aus 36.000 m Höhe abspringen und auf dem Weg zurück zur Erde den Schall durch- und vier Rekorde brechen.

"Schon bald einen trinken gehen"

Air-Race-Weltmeister Arch ist seit vielen Jahren mit Baumgartner befreundet, beide verbindet ihre Liebe zum Element Luft und ihre Leidenschaft für extreme Abenteuer.

Dass er seinen Kumpel nicht mehr wiedersieht, weil es vielleicht kein Happy-End gibt, darüber macht sich der Steirer keine Gedanken.

„Ich bin ein Positiv-Denker! Wir werden schon bald einen trinken gehen.“

Im großen LAOLA1-Interview erklärt Hannes Arch aber auch das (Rest-)Risiko und die größten Gefahren, außerdem blickt er in die Zukunft und verrät, was das nächste „Projekt“ ist.

 

LAOLA1: Heute ist es endlich so weit, Felix Baumgartner hat Grünes Licht für seine Mission Stratos. Aus deiner Sicht auch: Endlich?

Hannes Arch: Absolut. Ich freue mich vor allem für ihn und wünsche ihm viel Glück. Wenn Felix weiß, es geht, dann will er es unbedingt machen. Er ist bereit, aber auch abhängig von einem riesigen Team. Man muss ja dieses Projekt einmal in seiner Ganzheit erfassen, um überhaupt zu sehen, wie groß das ist. Dieser Sprung ist Formel 1 zum Quadrat.

LAOLA1: Fünf Jahre Vorbereitung für etwas mehr als fünf Minuten freien Fall und vier Rekorde. Ist es das wert?

Arch: Man muss es aus zwei Perspektiven sehen. Die eine ist die vom Athlet Felix Baumgartner, die andere vom Sponsor, der das überhaupt ermöglicht. Für Red Bull ist es das auf jeden Fall wert. Red Bull war immer bekannt für das Extreme und dafür, neue Wege zu gehen, egal um welchen Sport es geht. Ab sofort ist die Marke Red Bull auch im Universum zuhause. Das ist ein Statement!

LAOLA1: Also geht es in erster Linie darum, das Logo mit dieser Aktion weltweit zu transportieren?

Arch: Nein, überhaupt nicht. Dieser Sprung ist mehr als ein PR-Gag. Es geht in eine Richtung, dass da auch die Menschheit etwas davon hat. Die Erkenntnisse, die bei diesem Sprung gewonnen werden, helfen bei zukünftigen Entwicklungen in Luft- und Raumfahrt.

LAOLA1: Wie sieht es mit der Perspektive vom Athlet Felix Baumgartner aus?

Arch: Ich kann mich absolut in ihn hineinversetzen, weil unsere Einstellung ist: Wenn du auf die Welt kommst, dann ist das Leben ein Abenteuer. Weiterkommen tust du nur dann, wen du dich diesem stellst. Heutzutage ist es natürlich schwieriger, um irgendwelche Grenzen zu erforschen. Es ist aufwändiger, man muss kreativ sein, um den nächsten Schritt zu wagen. Wenn du dich über die Jahre so entwickeln kannst, dass du überhaupt so weit kommst, und dann vom Sponsor die Möglichkeit bekommst, dann macht das aus seiner Sicht absolut Sinn und ist auch lebensbejahend.

LAOLA1: Kritiker meinen, dass man die Millionen, die das Projekt verschlingt, sinnvoller ausgeben hätte können, aber dann sieht man eben kein Red-Bull-Logo im Fernsehen, in den Zeitungen, …?

Arch: Gerade wir Österreicher können doch stolz sein, wenn man das Logo auf der ganzen Welt sieht, weil das bedeutet, dass Red Bull getrunken wird. Das ist nichts Schlechtes. Und man muss schon auch sehen, dass Dietrich Mateschitz und das Unternehmen sehr viel Geld für wohltätige Zwecke aufwenden. Für Spitäler, für die Forschung, für „Wings for Life“, das kannst du nur machen, wenn du erfolgreich bist.

LAOLA1: Warum werden Projekte und Vorhaben von Red Bull teilweise sehr kritisch gesehen?

Arch: Wir sind gut im Raunzen, im kritisch Denken. Wir leben in einer Neid-Gesellschaft.  Aber man darf das nicht überbewerten. Wenn man das weiß, dann kann man sagen: Okay, es ist so! Gleichzeitig kann man ja auch das Gute sehen: Am Ende, wenn es gut gegangen ist, sagt der Österreicher immer: Okay, das passt so!

LAOLA1: Herr und Frau Österreich sagen: „Der spinnt, der Baumgartner!“ Wie verrückt findest du, der du dich im Element Luft auch sehr wohl fühlst, diesen Sprung?

Arch: Verrückt heißt für mich, dass parallel zur Normalität etwas stattfindet. Wenn es Felix und ich bewerten, dann ist es nicht verrückt. Wenn es jemand bewertet, der mit uns und mit dem Thema nichts zu tun hat, der wird sagen: Verrückter geht nicht mehr!

LAOLA1: Aber was ist dir durch den Kopf gegangen, als dir Felix das erste Mal von seinem Vorhaben erzählt hat?

Arch: Auf der einen Seite war da dieser Gedanke: Wow, geil! Aus dieser Höhe auf die Erde runter zu fallen, dieses Erlebnis haben zu dürfen, alleine bei der Vorstellung wird man fast demütig. Aber als ich ans Projekt gedacht habe, ist mir ganz anders geworden. Ich habe mir die Frage gestellt, was das noch mit mir, mit meiner Person und meiner Philosophie, die eigentlich vom Bergsteigen kommt, zu tun. Mir ist es zu groß, zu technisch, zu aufwändig, zu politisch – und da habe ich für mich entschieden, dass es meines nicht wäre. Aber es ist für mich absolut nachvollziehbar, dass er sich da seit Jahren voll reinhaut.

LAOLA1: Dennoch bleibt ein Risiko. Er selbst spricht von 10 Prozent, die man nicht kalkulieren kann?

Arch: Wenn er aussteigt, springt er in den luftleeren Raum. Das heißt, er kann sich nicht an der Luft anhalten, wie wir Fallschirmspringer sagen. Man muss sich das so vorstellen: Jede Rotation, jeder Schwung, den er sich beim Aussteigen mitgibt, ist nichts anderes als Beschleunigung. Und es gibt da oben keinen Widerstand, der das bremst. Und das kann zu so einer Rotation führen, dass die Fliehkräfte zu groß werden. Da muss er sicher sehr aufpassen. Aber jeder Extremsportler ist damit konfrontiert, keine Fehler zu machen und ich denke, das hat er im Griff. Aber …

LAOLA1: Aber?

Arch: … was er am wenigsten steuern kann, ist die Technik. Er ist von wahnsinnig vielen Dingen abhängig, auch wenn es natürlich jede Menge Backups gibt. Aber sollte doch etwas falsch laufen, muss er eine Entscheidung treffen. Und da ist die Gefahr nicht, dass etwas passiert, sondern dass man in diesem Moment cool bleibt und das richtige macht.

LAOLA1: Kann man sich auf solche Ausnahmesituationen überhaupt vorbereiten?

Arch: Er hat im Lauf der Vorbereitung viel Erfahrung gesammelt, aus der er schöpfen kann. Einen Fehler kann man wahrscheinlich machen, darauf bist du vorbereitet. Bei einem zweiten kann man improvisieren. Aber einen dritten sollte er sich wahrscheinlich nicht erlauben.

LAOLA1: Du hast ihm eingangs viel Glück gewünscht. Braucht er Glück?

Arch: Ich will es nicht zu sehr hervorheben. Aber Glück braucht man immer, auch wenn man mit dem Auto auf die Autobahn fährt. Weil wenn du Pech hast, dann geht es schief. Aber der Felix ist ein Typ, der sich nicht in ein Abenteuer hineinstürzt, das einen komplett ungewissen Ausgang hat. Das meiste kann man berechnen, und den Rest kann man, wenn man so viel Erfahrung im Extremsport und mit sich selbst hat, dann auch mit einem Bauchgefühl machen.

LAOLA1: Rainhard Fendrich singt bei „Es lebe der Sport“, dass der Kaffee erst so richtig schmeckt, wenn ein Skifahrer regungslos im Schnee liegt.  Verstehst du, dass viele Menschen vor dem Fernseher sitzen, weil sie glauben, dass er mehr als zwei Fehler macht?

Arch: Man muss es knallhart sagen: Der Zuschauer will unterhalten werden, danach richten sich die Medien. Aber das ist ja nichts Schlimmes. Früher ist man ins Zirkuszelt gegangen und hat zugeschaut, ob der Trapezkünstler runterfällt oder der Dompteur vom Löwen gefressen wird. So sind die Leute damals unterhalten worden, heutzutage hat man andere Möglichkeiten, um sich zu inszenieren. Extremsport ist einfach ein moderner Zirkus.

LAOLA1: Was kann nach so einem Sprung, so einem Mega-Projekt noch kommen?

Arch: Die Größe des Projekts und des Erlebens ist immer subjektiv. Für einen Sportler wie den Felix, der sehr viel Großes erlebt hat, sind vielleicht die kleinen Dinge des Lebens eine Herausforderung. Was immer das ist.

LAOLA1: Er möchte eine Familie gründen?

Arch (lacht): Das ist sicher ein großes Projekt, eine große Herausforderung für ihn. Aber wenn er es angeht, dann sicher mit genau so viel Ernst, wie seinen Sprung aus der Stratosphäre.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

 

Das Interview führte Stephan Schwabl