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Eine Deklaration für den Sport

Eine Deklaration für den Sport

Österreich soll gesünder und fitter werden.

Aus diesem Grund hat das 1. Sportforum Schladming ein Grundsatzpapier, eine Deklaration des Sports erarbeitet, welche in einem fortlaufenden Prozess er- und überarbeitet wird und sich den breiten Bedürfnissen und Entwicklungen des Sports in Österreich annimmt.

Diese Deklaration soll an die höchsten Stellen, also an die Politik, weitergegeben werden. Zu diesem Zweck wird Initiator Ronnie Leitgeb in den nächsten Wochen Schladming-Rucksäcke etwa an den Integrations- und den Tourismusminister sowie den Bundeskanzler verteilen und ihnen damit "eine Botschaft umhängen".

In diesen Rucksäcken befindet sich die Deklaration des Sports (siehe unten). „Diese Rucksäcke haben Symbolkraft. Wir hängen den Politikern etwas um und schauen nach einem Jahr, ob der Sport ins Eck gestellt wurde, oder ob etwas passiert ist.“

Es geht weiter

Die Umsetzung der Forderungen wird nicht zuletzt beim 2. Sportforum vom 3. bis 5. Juni 2016 - ebenfalls in Schladming - überprüft. „Der Sinn der Deklaration ist, dass wir ein Rahmenpapier entwickeln, das als Grundlage für künftige Regierungsprogramme dienen soll“, so Leitgeb.

Die große Chance des Sportforums sei es, dass es "unabhängig von Strukturen und Politik" handeln und wirken kann und "jeder, dem Sport am Herzen liegt, mitreden kann".

Die Deklaration:

*) Schulsport: Nur mehr 28% der Kinder und Jugendlichen in Österreich betreiben Sport und 28% der Buben sowie 25% der Mädchen zwischen 6 und 18 Jahren sind übergewichtig oder fettleibig.„Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt lebensverlängernd und reduziert das Risiko, von Krankheiten mit den höchsten Mortalitätsraten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen zu werden. Hier gilt es in der Kindheit anzusetzen, in einer entscheidenden Lebensphase, in der man das Gesundheitsverhalten nachhaltig formen kann. Gleichzeitig haben Bewegung, Sport und Spiel einen starken Einfluss auf kognitive Funktionen, die den Lernerfolg und die Fähigkeit, das eigene Verhalten, die Aufmerksamkeit und die eigenen Emotionen situationsangemessen steuern zu können, maßgeblich beeinflussen", erklärt die Gehirnforscherin Dr. Sabine Kubesch.

Forderung: Sport UND lernen, nicht Sport ODER lernen! Tägliche Bewegungseinheiten und ein Angebot an Sportunterricht, der auch soziale und emotionale Kompetenzen vermittelt. Erhöhung der regulären Sportstunden in einem Stufenplan, beginnend mit der Volksschule. Sportinfrastruktur muss, wie in den USA, Imagegewinn für Schulen und Unis bringen. Sportvereine sollen ständiger Partner der Schulen sein.

*) Ernährung: Das Angebot an (vermeintlich) gesunder Kost ist groß und verlockend. Aber nicht überprüfbar. Wer Sport betreibt, verzichtet meist aus Überzeugung auf Junk Food. Geschäftsmodelle von Bioläden über Brain Drinks bis zu Medical Food boomen. Sven Gábor Jánszky, Trendforscher sagt: „Unsere Vor-Generationen waren noch überzeugt, unser Körper sei gottgegeben oder naturgegeben. Gegeben heißt in diesem Fall: Nicht veränderbar! Nur reparierbar, falls er kaputt gegangen ist. Auf diesem Grundprinzip basiert unser Gesundheitssystem. Doch die Mehrheit der Menschen ist inzwischen weg von dieser Grundüberzeugung. Wir halten unseren Körper mehrheitlich für etwas Gestaltbares.“

Foderung: Bereits ab dem Kindergarten sollen die nächsten Generationen auf den alltäglichen bewussten Umgang mit gesunder Ernährung und regelmäßiger Bewegung pädagogisch hingeführt werden. Noch mehr Eigeninitiative, gesicherte Gesundheits- und Lebenskompetenzen: In den Körper hineinhorchen. Verantwortung übernehmen. Angebote überprüfen.

*) Integration: Spitzensport und Breitensport übernehmen in der modernen digitalen Gesellschaft auch bedeutende Integrationsaufgaben. Grenzen zwischen Menschen verschiedener Geschlechter, Hautfarbe, Glaubensrichtung und Religion verschwinden. Philip Slapar, Gewinner des Österreichischen Integrationspreises 2013 erklärt: „Sport vermittelt im spielerischen Miteinander Fairness, Toleranz, Respekt und Teamgeist.“

Forderung: Wintersportwochen Kindern mit Migrationshintergrund näher zu bringen. Sie haben meist (noch) keine Verbindung zu Wintersport und Schnee.

*) Sportstätten: Diese sind zwar vorhanden, aber leider für Freizeitsportler nicht immer oder nur mit bürokratischen Hürden zugänglich. Oder nicht einladend genug. Ist das ein Grund, warum nur ein Drittel der Österreicher regelmäßig Sport betreibt, ein Drittel überhaupt keinen? Martin Klug vom Projekt „Kids am Ball“ konstatierrt: „Es ist erschreckend zu sehen, dass viele Kinder in der 4. Klasse Volksschule noch nicht die Basistechniken der Ballsportarten beherrschen. Abgesehen von den zusätzlichen motorischen Einschränkungen in Koordination und Körperwahrnehmung. 3-4 Schulstunden Turnen in der Woche sind definitiv zu wenig für Kids, die mitten im Ausleben ihres natürlichen Bewegungsdrangs stecken!“

Forderung: Öffnung von Sporthallen und Sportplätzen für den Freizeit-und Gesundheitssport – auch in den Ferien. Einbeziehung der Vereine, Platzwarte und Schulwarte. Unkomplizierte Kooperationen zwischen Schulen und Sportvereinen.

*) Tourismus: Jeder zehnte Arbeitsplatz in Österreich hängt nachweisbar vom Sport ab. Die Bruttowertschöpfung des Österreichischen Sports beträgt aktuell 16,4 Milliarden Euro im Jahr – dies entspricht 7,49 % der gesamten Bruttowertschöpfung.

Forderung: Einen verbindlichen 10-Jahres-Masterplan. Der Sporttourismus muss von der Politik gezielt gefördert werden. Anbieter sind nicht Bittsteller, sondern Botschafter eines florierenden Wirtschafssegments, dass das BIP deutlich erhöhen kann. Förderung des Wellness- und Gesundheitsbereichs mit seinen großen Wachstumsraten.

*) Wirtschaft: Viele fantasievolle Unternehmer haben längst begriffen, welche Gewinnchancen im (Freizeit-) Sport stecken. Eine englische Investmentfirma hat errechnet, dass weltweit in den Sport so viel investiert wird wie in die Stahlindustrie.

Forderung: Förderung der Ideen junger Unternehmer, steuerliche Begünstigung innovativer Firmen im Sportbereich, die den Wirtschaftsstandort Österreich stärken.

*) Kultur: Sport fasziniert viele Künstler, denn Sport ist ein Kosmos der Dramaturgie.

Forderung: Auch im Staatssekretariat für Kultur muss der Sport vertreten sein. Auch aufgrund vergleichbar sinnvoller Relation der Subventionen für Sport und Kultur.

*) Suchtfalle: Amateurhaft extrem betriebener Leistungssport ohne fachliche Anleitung kann in die Suchtfalle Sport führen. Folgen: Physische und psychische Erkrankungen.

Forderung: Nur nach einem Lizenzierungssystem ausgebildete Trainer dürfen Fördergelder bekommen. Enttabuisierung der Sportpsychologie als Schutz vor exzessiver Sportausübung.

*) Gemeinden/Regionen: Gemeinden können am besten für gesundheitsförderliche Lebensräume sorgen und dafür eintreten, dass Bewegung, Sport und gesunde Ernährung zum selbstverständlichen Alltag von Familien, Kindergärten, Schulen, Vereinen und Betrieben werden. Lokale/regionale Gesundheits- und Sportmanager sollten sich besonders um Kindergärten und Schulen als ganzheitlich gesundheitsfördernde Lebensräume, Öffnung von Sporthallen und Sportplätzen für Sport und gesundheitsfördernde Bewegung kümmern, sowie um nachhaltige Kooperationen zwischen Kindergärten, Schulen und Sportvereinen.

Forderung: Bemühen um gesundheitsfördernde Lebensräume in jeder Gemeinde; Koordinator/innen für Gesundheit, Bewegung und Sport in allen Kommunen bzw. Regionen; Budgetschwerpunkte für Kinder-/Jugendsport und gesundes Aufwachsen. 

 

Aus Schladming berichtet Henriette Werner