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So funktioniert Gendoping

So funktioniert Gendoping

Es ist die Horror-Vision des Sports. Gendoping.

Doch was beinhaltet das immer häufiger strapazierte Schlagwort nun genau? Ist es ein Frankenstein-ähnliches Produzieren eines für Sport optimierten Menschens?

Nicht ganz. Aber an eine Mischung aus Science Fiction garniert mit einer Prise Horror erinnert es allemal.

Die Funktionsweise

Gendoping ist weniger das Erschaffen eines Supersportlers, sondern vielmehr ein Drehen an den Stellschrauben der DNA, dem Erbgut des Menschen. Das bestätigt uns auch Experte Hans Holdhaus. „Beim Gendoping setzt man genetische Veränderungen in den Zellen, sodass diese beispielsweise bestimmte Substanzen verstärkt produzieren“, erklärt der Mediziner, der im Anti-Doping-Bereich als rot-weiß-roter Kapazunder gilt.

Um dies zu verdeutlichen, werfen wir beispielsweise einen Blick auf EPO. Die Abkürzung steht für Erythropoetin. Ein Hormon, das in der Niere hergestellt wird und für die Produktion der roten Blutkörperchen verantwortlich ist, welche wiederum die Sauerstoff-Träger im Blut sind. Vereinfacht gesagt: Je mehr EPO, umso mehr rote Blutkörperchen und desto besser ist die Ausdauerfähigkeit.

Herkömmliches Doping beschränkte sich darauf, zusätzliches EPO dem Körper zuzuführen. Beim Gendoping wird nun in die DNA eingegriffen, um dessen körpereigene Produktion zu erhöhen.

Holdhaus: „Die Veränderung in der DNA ist nachhaltig.“ Was bedeutet, dass der Sportler keinen weiteren genverändernden Stoff zu sich nehmen muss, damit die Wirkung beibehalten wird. Wie der Arzt verrät, sind Gen-Therapien bereits über Tabletten möglich. „Ich weiß von diesbezüglichen Versuchen der Pharma-Industrie.“

Die Schattenseite

Bei der Umkehr der Genveränderung stehen die Wissenschaftler aber noch vor einem ungelösten Problem. „Der springende Punkt ist: Wie drehe ich das Ganze wieder zurück?“ so Holdhaus.

Als Beispiel führt er den Wirkstoff Myostatin ins Feld. Das Protein hat die Funktion, das Muskelwachstum zu hemmen. „Es hat sehr  viele Tierversuche gegeben, bei denen die Produktion von Myostatin stark minimiert wurde.“ Die Folge war, dass die Muskulatur bei den Tieren nicht mehr aufhörte zu wachsen.

„Anhand dieser Tiere hat man gesehen, dass Genveränderung zwar funktioniert – die Tiere dann aber wegen der immer weiter wachsenden Muskulatur letztendlich sterben.“

Muskelwachstum – da war doch was?!

Rund um die Olympischen Spiele in London berichteten Medien von Robert Förstemann. Der deutsche Bahnradrennfahrer hat einen Oberschenkel-Umfang von unfassbaren 73 Zentimeter. Der 26-Jährige gibt an, an einem Gendefekt zu leiden: Myostatin arbeite bei ihm nicht korrekt.

Es ist wohl müßig zu erwähnen, wessen Beine Förstemann gehören

Förstemann soll an dieser Stelle keinesfalls Gendoping unterstellt werden, dieser Fall soll lediglich darauf aufmerksam machen, dass sogenannte „Gendefekte“ schon bald als Ausreden dienen könnten.

Bei der Nachweisbarkeit von Gendoping müssen die "Jäger" neue Wege gehen. Die Schwierigkeit liegt darin, dass beim herkömmlichen Doping zumeist körperfremde Substanzen messbar gemacht wurden. Da es sich beim Gendoping aber um selbst produzierte Stoffe handelt, ist dies nur bedingt möglich.

Anlass zur Hoffnung gibt ein in der "Zeit" erschienener Artikel von Mediziner und Molekular-Biologen Perikles Simon. Die Forscher an der Universität Mainz haben demnach eine Methode entwickelt, Gendoping nachzuweisen.

"Dieser Erbsubstanz, die von außen in den Körper kommt, fehlen bestimmte Sequenzen, die Bestandteile der natürlichen Gene sind, die sogenannten Introns. Durch diesen Unterschied können wir die unechten Gene aufspüren", schreibt Simon. Die Nachweisbarkeit sei über Urin (wenige Tage) als auch über Blut (mehrere Monate) möglich.

Das unausweichliche Übel

Ausgereift sieht Holdhaus das Gendoping jedenfalls noch nicht. „Aber dass es kommt, davon bin ich überzeugt. Die Verrückten dazu gibt es.“

Bei diesen Worten legt sich die Stirn von Holdhaus in Falten, um mit etwas leiserer Stimme hinzuzufügen: „Ich wünsche es mir nicht, denn das ist für mich eine mehr als perverse Situation und auch eine höchstgefährliche. Da ist das normale Doping harmlos dagegen.“

Noch kann man aber nicht abschätzen, wohin uns der Horror tatsächlich führen wird.

Reinhold Pühringer