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Wo das Herz des Anti-Doping-Kampfes schlägt

Wo das Herz des Anti-Doping-Kampfes schlägt

Zugegeben, die Anlage ist zumindest optisch keine Augenweide.

Doch das ist auch gar nicht ihr Zweck. Denn in Wahrheit wird hier – im Doping-Labor Seibersdorf – den Sündern der Sportwelt auf die Schliche gekommen.

Der kleine Ort im Süden Wiens beheimatet eines der insgesamt 33 bei der Welt-Anti-Doping-Agentur akkreditierten Einrichtungen. Die globale Verteilung gestaltet sich hierbei allerdings ein wenig eigentümlich. Denn während auf Europa mit deren 15 beinahe die Hälfte entfällt, sind es in ganz Afrika oder Südamerika gerade einmal jeweils zwei (siehe Tabelle ganz unten).

„An dieser Tür kommen die Kontrolleure bzw. die Boten mit den genommenen Doping-Proben an“, erklärt Labor-Leiter Günter Gmeiner am Eingang eines der vielen Gebäuden auf dem weitläufigen Areal, dessen Kernkompetenzen ganz woanders liegen.

„Wir sind breit aufgestellt“, verweist er auf die 125 Mitarbeiter, von denen 15 in der Doping-Analyse tätig sind. Die übrigen beschäftigen sich in Bereichen wie Ionisierende Strahlung, Strahlenschutz, elektromagnetische Verträglichkeit, Hochfrequenztechnik, Laser oder auch mit chemischer sowie forensischer Analytik.

CSI Doping

Gmeiner führt uns durch einen langen, engen Gang. Einen Gang, den auch eine eingehende Doping-Probe passiert. Vorbei geht es an einer weiteren Sicherheitsschleuse. Eine erste musste bereits bei der Einfahrt zum Gelände durchlaufen werden.

„Kirk“ ist kein Kopierer

„Kirk“ ist kein Kopierer
Hier werten die Mitarbeiter die Doping-Proben aus

Zurück zum Handwerk im Labor, wo jede Menge Gerätschaften herumstehen, deren Namen derartig sperrig sind, dass sie selbst von den Angestellten oftmals liebevolle Kosenamen wie etwa „Kirk“ (Ja, der aus „Raumschiff Enterprise“) erhalten.

Einige von ihnen haben zudem große Ähnlichkeit mit überdimensionierten Kopierern.

Allerdings spielen „Kirk“ und Co. zumindest preislich in einer anderen Liga. Je nach Gerät können bis zu 500.000 Euro pro Stück anfallen. Darum besser nichts anfassen.

Das Handwerkszeug im Kampf gegen Doping

Der nächste Raum wird von Gmeiner als eine Art EPO-Zentrale angepriesen. Rein äußerlich unterscheidet er sich zwar wenig von den vorherigen, dennoch sei er das Herzstück des Seibersdorfer Labors, dessen Stärke in der EPO-Forschung liegt. „Wir haben mit dem Nachweis von Dynepo einen internationalen Standard gesetzt“, berichtet Gmeiner von der globalen Vorreiterrolle.

Wie seine Mitarbeiter und er das geschafft haben? Die Antwort befindet sich eingefroren in einem von zwei Kühlschränken, deren Temperatur-Anzeige in großen Ziffern -19,9 Grad Celsius ausweist.

Während in einem Doping-Proben von Sportlern eingefroren und somit bis zu acht Jahre – so die maximale Aufbewahrungsdauer – für Nachuntersuchungen bereitgestellt werden, lagern im anderen Urinproben von Mitarbeitern. „Diese dienen der Forschung“, so Gmeiner.

„Die Schwierigkeit bei der Untersuchung von Doping-Proben ist nämlich nicht das Messen von vorhandenen Stoffen, sondern der Nachweis von eingenommen Substanzen, die im Urin gar nicht vorkommen.“

Denn in Wahrheit sind Testosteron oder auch EPO (Erythropoetin) Hormone, die jeder Mensch – freilich nur zu einem gewissen Maß – erzeugt und somit auch in sich trägt. „Wenn solche Stoffe jetzt zusätzlich zugeführt werden, versucht der Körper diese zu verstoffwechseln. Unser Ziel ist es nun, das dadurch erzeugte Stoffwechsel-Produkt, den sogenannten Metaboliten, zu finden und es so nachweisbar zu machen“, führt Gmeiner aus.

Und genau hier kommen die Urinproben der Mitarbeiter ins Spiel. Diese testen freiwillig neue Dopingmittel. Der von ihnen gesammelte Urin wird mittels Massenspektograph in seine Einzelstoffe aufgeschlüsselt und nach Auffälligkeiten untersucht. Tanzt ein Wert ungewöhnlich aus der Reihe, kann das bereits ein Beweis oder zumindest ein Indikator für die Einnahme sein. Diese Methode kann in Folge standardisiert und im Kampf gegen Doping eingesetzt werden.

Entlang des Ganges befinden sich die Räumlichkeiten, in denen die Urin- bzw. Blut-Tests der Sportler zunächst in Lösungen aufgespaltet und anschließend mittels Massenspektographie analysiert werden.

Ein Rundgang durch die heiligen Hallen des österreichischen Anti-Doping-Kampfes gestaltet sich für den Laien als eher unspektakulär. Die in weißen Kittel gehüllten Forscher versprühen mitsamt ihrer Pipetten zwar einen Hauch von CSI, aber in helle Aufregung versetzen sie wohl niemanden.

Namen sind Schall und Rauch

Wer denkt, er könnte auf irgendeinem der vielen Röhrchen einen Blick auf einen Namen eines Sportlers erhaschen, der irrt. Denn die Proben sind lediglich mit Nummern beschriftet. Nicht einmal die Labor-Mitarbeiter kennen die zugehörigen Namen.

„Wenn eine zu untersuchende Probe bei uns reinkommt, sehen wir in den Unterlagen nur die Sportart, die Veranstaltung, bei der sie genommen wurde, sowie die vom Athleten angegebene Medikation“, so Gmeiner. Dies sei eine Vorsichtsmaßnahme, damit zum einen die Privatsphäre des Sportlers gewährleistet ist und zum anderen ein Labor-Mitarbeiter davor bewahrt wird, ein positives Testergebnis des eigenen Idols bewusst zu verfälschen.

Ein Umdenken anregen

Ein Umdenken anregen
Günter Gmeiner leitet das Labor Seibersdorf

Apropos Geld: Knapp ein Viertel ihres 2,1 Millionen Euro betragenden Jahresbudgets steckt die NADA aktuell in die Präventionsarbeit. Denn Geschäftsführer Michael Cepic ist sich sicher: „Einzig und alleine durch Kontrollen und Sperren wird man die Doping-Problematik nicht in den Griff bekommen. Ein Umdenken muss stattfinden.“

Für dieses Umdenken versucht die NADA mittels Kampagnen („Your sport – in your hands“) die Jugend zu erreichen, um so die kommenden Generationen zu sensibilisieren.

„Spricht man mit Dopingsündern, hört man oft, dass sie da irgendwie hineingeschlittert sind. Dass es beispielsweise mit Zusatzernährung angefangen und irgendwann nach einer Vitamin-Infusion mit der EPO-Spritze geendet hat. Das möchten wir verhindern“, spricht NADA-Verantwortlicher David Müller die Kernbotschaft an.

Dann könnte dem Sport hierzulande eine rosige, weil (weitgehend) dopingfreie Zukunft bevorstehen. „Ich glaube fest an diese Vision. Nur dazu ist es notwendig, dass alle Teile des Sports – Athleten, Verbände, Funktionäre, Medien, Sponsoren usw. – mitanpacken“, appelliert Cepic.

Aus Seibersdorf berichtet Reinhold Pühringer

Der Blutpass steht ante portas

Auch in Richtung Gendoping habe man in Seibersdorf bereits geforscht. „Wir hatten ein Projekt, doch das wird aktuell nicht mehr weiter verfolgt“, meint Gmeiner. Stattdessen steht momentan die Installierung eines Blutpasses im Fokus.

Es soll dazu übergegangen werden, die Blutwerte von Spitzenathleten im Jahr mehrfach zu kontrollieren. Weichen diese einmal in eklatanter Form von seiner persönlichen Norm ab, ist das für die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) ein Alarmsignal, dass Doping im Spiel sein könnte.

Das bringt zwar einen Anstieg der Blutkontrollen von bisher rund 300 pro Jahr auf bis zu 600 mit sich, eine Kosten-Explosion soll aber ausbleiben. Die Suche nach Substanzen im Blut ist in der Regel zwar deutlich teurer als jene im Urin, „aber für Kontrollen im Zuge des Blutpasses geht es lediglich um die Erfassung gewisser Parameter, was nicht so kostenintensiv ist“, schwächt Gmeiner ab.

Noch niemand reich geworden

Generell kostet eine einzige Doping-Kontrolle zwischen rund 300 bis über 1.000 Euro. Zum einen hängt diese Summe davon ab, ob Blut oder Urin untersucht sowie nach welchen Substanzen gesucht wird. Während bei einfachsten Urin-Tests 120 Euro reichen, belaufen sich die Kosten bei CERA- Nachweismethoden auf 700 bis 800 Euro.

Zum anderen kommen auch noch die Kosten der Durchführung der Kontrolle hinzu. „Vorneweg: Reich geworden ist durch seine Tätigkeit als Kontrolleur noch niemand“, betont Michael Mader, der bei der NADA das Kontrollsystem leitet. Je nach Aufenthaltsort des Sportlers bzw. Wettkampfort variieren die Ausgaben für Fahrt und Arbeitszeit. „Im Durchschnitt kommen wir auf rund 250 Euro pro Kontrolle“, rechnet Mader vor.

Standort Anzahl Doping-Proben Positive Fälle in Prozent
Sydney (AUS) 6.687 0,81
Seibersdorf (AUT) 6.739 3,19
Gent (BEL) 5.910 4,48
Rio de Janeiro (BRA) 5.188 0,56
Montreal (CAN) 15.372 1,87
Peking (CHN) 13.275 0,35
Bogota (COL) 3.248 1,94
Havanna (CUB) 3.160 1,58
Helsinki (FIN) 3.606 2,14
Paris (FRA) 6.766 5,82
Köln (GER) 14.316 1,34
Dresden (GER) 8.953 0,56
London (GBR) 7.646 0,59
Athen (GRE) 3.384 2,87
Rom (ITA) 9.590 2,98
Tokio (JPN) 5.062 0,53
Seoul (KOR) 5.210 0,90
Oslo (NOR) 3.787 2,72
Warschau (POL) 3.245 3,08
Lissabon (POR) 3.189 3,92
Bloemfontein (RSA) 4.447 2,29
Moskau (RUS) 15.370 1,85
Barcelona (ESP) 3.686 2,01
Madrid (ESP) 7.197 5,67
Stockholm (SWE) 4.383 3,74
Lausanne (SUI) 4.537 2,51
Bangkok (THA) 3.456 3,59
Tunis (TUN) 791 0,88
Los Angeles (USA) 40.994 1,26
Salt Lake City (USA) 13.794 1,78
Neu Delhi (IND) 4.387 5,27
Bukarest (ROU) 3.013 0,80
Almaty (KAZ) 2.805 0,32