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Spanien dominiert: Ist Doping der Grund dafür?

Spanien dominiert: Ist Doping der Grund dafür?

Es ist erstaunlich, wie dominant Spanien in den letzten Jahren in gleich mehreren Weltsportarten aufgetreten ist.

Im Fußball ist die "Seleccion" seit Jahren das Team to beat, im Tennis stellt man mit Rafael Nadal einen DER Protagonisten auf der Tour.

Hinzu kommen zahlreiche Leichtathleten, die zumindest auf europäischem Raum die Nase gegenüber der Konkurrenz vorne haben.

Nicht zu vergessen auch Spaniens Dominanz im Radsport, der Entwicklungssprung der Iberer im Handball oder die zahlreichen Weltmeister-Titel in diversen Motorsport-Serien.

Wir stellen uns die Frage: Erlebt Spanien ein sportliches Wunder oder steckt vielmehr fauler Zauber dahinter? Ein "Pro & Contra":


CONTRA: Wir erleben eine Wunder-Phase!

Von Christian Eberle

Die sportlichen Erfolge Spaniens in den letzten Jahren dem Doping zuzuschreiben, zeugt entweder von Neid, Vorliebe für simplifizierte Antwortfindung oder schlicht Ignoranz.

Wer die Fußballer und damit den Doppel-Europa- und Weltmeister beschuldigt, verleugnet die systematische Jugendarbeit und das Resultat einheitlicher Trainingsphilosophie. Die Stärke von Xavi, Iniesta, Villa, Silva oder Navas ergibt sich nicht etwa aus physiognomischen Vorteilen, erhöhter Ausdauer oder Kraft, sondern schlicht aus der Mischung aus Talent, technischen Fertigkeiten und Eingespieltheit. Die größeren Laufleistungen, für welche die Einnahme von unterschiedlichen Substanzen leistungsfördernd wäre, vollbringen laut Statistik im Regelfall die jeweiligen Gegner.

Werden die Basketballer, die in der letzten Dekade bei nahezu jedem großen Event unter den Top-Vier landeten, verdächtigt, wird verschwiegen, dass Ausnahmekönner wie Juan Carlos Navarro oder die Gasol-Brüder nicht „gezüchtet“ werden können. Zudem sind die Errungenschaften im Nationalteam Konsequenz aus den Lehrjahren in einer der besten Profiligen der Welt im eigenen Land. Ein Phänomen, das in ähnlicher Form auch für Handball gilt.

Ausnahme-Leistungen im Motorsport, wo etwa in der Saison 2010 das historische Triple mit Siegen in der 125ccm-Klasse, Moto2 und MotoGP gefeiert werden konnte, sind das Vermächtnis von Angel Nieto, dessen Titel in den 70er und 80er Jahren Grundlage für den Aufbau einer vorbildlichen Infrastruktur und Talenteförderung waren.

Als letztes prägnantes Beispiel sei Rafael Nadal erwähnt, der selbst bewiesen hat, wieso er zur Nummer eins wurde. Kein Tennisspieler vermochte so oft, sichtbar an die Leistungsgrenzen und darüber hinaus zu gehen, was die Erschöpfung seines 26-jährigen Körpers als Nebenwirkung hat.

Spaniens sportliche Erfolge sind aufgrund der Dimensionen ein kleines Wunder, aber auch von langer Hand geplant. Kurz nach dem Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 1992 wurde das „Programa ADO“ in die Welt gerufen, dass eine bessere Athletenförderung nach den jahrelangen Versäumnissen während der Franco-Diktatur zum Ziel hatte. Dass ein Teil der finanziellen Subvention auch „medizinische Bestversorgung“ betrifft, die von gewissen Verbänden über die Legalität getrieben wird, ist nicht zu verkennen. Aber das ist in den meisten Ländern nicht anders.

PRO: Spanier helfen nach!

Von Christoph Nister

Ja, ich glaube an Wunder.
Wenn Sportler aus schier ausweglosen Situationen überraschend die Wende schaffen, wenn Mannschaften von der Papierform her glasklar unterlegen sind und trotzdem den vermeintlichen Goliath in die Knie zwingen, wenn Athleten allerorts abgeschrieben werden und sich mit Fleiß, unbändigem Willen und dem Mut der Verzweiflung wieder zurückkämpfen – dann glaube ich an Wunder.

Betrachte ich die aktuelle Dominanz Spaniens in diversen Weltsportarten, muss ich mich hingegen wundern. Gute Fußballer hatten sie schon immer, die Spanier. Schnelle Radfahrer und ausdauernde Sandplatzwühler ebenfalls. Und selbst den einen oder anderen (großen) Erfolg kann man ihnen nicht absprechen. Was früher allerdings eine Seltenheit war, ist inzwischen die Regel.

Führt man sich die "Palmares" der spanischen Sportstars in den letzten zehn, 15 Jahren zu Gemüte, so ist diese Erfolgsliste einzigartig. Titel über Titel im Fußball, Seriensiege im Radsport, dazu eine ganze Tennis-Armada, die den USA als Weltmacht Nummer eins im „weißen Sport“ längst den Rang abgelaufen hat.

Hinzu kommen Erfolge bei Olympischen Spielen, die für iberische Verhältnisse geradezu exorbitant in die Höhe schnellten: Vor 1992 holte Spanien bei Sommerspielen nie mehr als sechs Medaillen, davon maximal eine in Gold, seither halten sie im Schnitt bei 17 Medaillen, wovon jeweils sechs in der schönsten Farbe erstrahlen. Nicht zu vergessen: Spaniens erster Handball-WM-Titel 2005 sowie gleich zwei EM-Titel im Basketball (2009 und 2011 – ebenfalls die ersten). Auf den ersten Blick alles sehr beeindruckend. Ein zweiter rückt das Ganze in ein anderes Licht.

„Ich hatte Leichtathleten, Tennisspieler, Fußballer, Handball, Boxer und andere Sportler als Patienten“, offenbarte Dr. Eufemiano Fuentes, Drahtzieher in der „Operacion Puerto“. In den Dreck wurden allerdings nur Radprofis gezogen. Der Rest blieb in der Öffentlichkeit weitgehend unbescholten, nachdem sich die Politik dem Thema zuwandte und eine erste Liste, auf der überaus prominente Namen gestanden haben sollen, „überarbeitet“ wurde. Bezeichnend auch eine Aussage von Jaime Lissavetzky aus dem Jahr 2010. „Ich akzeptiere keine Kritik, die unseren Sport beschmutzt“, gab er in der Funktion des Sportministers zum Besten. An den Beispielen Contador und Valverde wurde deutlich, dass die Spanier selbst bei erdrückender Beweislast den Wald vor lauter Bäumen nicht erkennen (wollen).

Sie sind davon überzeugt, ein sportliches Wunder zu erleben. Ich befürchte, sie könnten ihr blaues Wunder erleben.