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Wiener Watergate: So versickert Geld im OSV

Wiener Watergate: So versickert Geld im OSV
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit einer fragwürdigen Vergangenheit umzugehen.

Die Eine ist, sich den Tatsachen zu stellen und schonungslos aufzuräumen.

Die Andere: siehe OSV.

Im heimischen Schwimm-Verband scheint es, als versuche die neue Führung die Sünden der alten bestmöglich zuzukehren. Ja nicht anfassen und kritische Stimmen mit Parolen wie „Lasst uns lieber unsere Energie in die Zukunft, als in die Vergangenheit stecken“ abwiegeln. Und außerdem habe man „ja eh schon alles überprüft“.

LAOLA1 war das zu wenig und stocherte nach. Und siehe da, es kam ein Leck zum Vorschein, wie im OSV Fördergeld an den (eigenen) Mann gebracht wurde.

Tatort: Traglufthalle im Stadionbad

Zugegeben ist dieser Schauplatz für einen Fördermittelbetrug jetzt nicht neu, schließlich nahmen Generalsekretär Thomas Gangel und Finanzreferent Walter Benesch nach Enthüllungen rund um die Stadionbad-Überdachung bereits im Dezember 2013 ihren Hut.

Das damals aufgeflogene Delikt, die jährlichen Betriebskosten in Höhe von 72.560 Euro sowohl bei der Stadt Wien als auch beim Bund abgerechnet zu haben, obwohl im Pachtvertrag mit der Stadt ausgehandelt war, dass ohnehin die Stadt diese (einen Bademeister ausgenommen) übernimmt, warf zwei Fragen auf:

Erstens: Geht es überhaupt noch dreister?

Zweitens: Wenn schon bei den Betriebskosten derartig manipuliert wurde, wie sieht es dann erst bei der Errichtung aus?

Während die Beantwortung der einen Frage aufgrund deren rhetorischen Charakters keine Notwendigkeit darstellt, sieht in der Beantwortung der anderen Frage offenbar nur der OSV keine Notwendigkeit. Denn Gesuche, um Informationen über die damaligen Baumaßnahmen zu bekommen, werden zuerst ignoriert, um diese später mit der Antwort „die Unterlagen liegen bei der Staatsanwaltschaft“ abzuschmettern.

Dabei wäre die OSV-Spitze doch genau für solche Fälle gewappnet, hat man am vergangenen Verbandstag im Frühjahr in Wels doch alle Unkenrufe und Warnungen konsequent in den Wind geschlagen und mit Schriftführer Herbert Schurm einen aus der alten OSV-Garde in den Vorstand geholt. Einen, der aufgrund seiner langen Amtszeit, genau wissen müsste, was dort passiert ist.

Auf ein Konto überwiesen, von dem fast niemand wusste

Über Wiener Gemeinderats-Politiker lässt sich schließlich zumindest der Akt der Instandsetzung samt Ansuchen, Förder- sowie Pachtvertrag ausheben. Das in Windeseile genehmigte Projekt, welches vom damaligen OSV-Präsidenten Paul Schauer und Benesch sowie von Sportstadtrat Christian Oxonitsch, Vize-Bürgermeisterin Renate Brauner und Senatsrätin Sandra Hofmann unterzeichnet wurde, weist die Pool GmbH als Eigentümer der Traglufthalle aus.

Eine im Dezember 2009 mutmaßlich vom OSV erstellte „Kostengruppen-Schätzung“ über die Errichtung der Traglufthalle kommt auf einen Netto-Betrag von rund 700.000 Euro.

Stadt Wien und Bund willigten ein, den Betrag auf das Konto der Pool GmbH zu überweisen. Zur Erinnerung: Jenes Konto, von dessen Existenz zum damaligen Zeitpunkt im OSV nicht einmal die Kassaprüfer wussten. Den Vorwurf, Stadt und Bund hätten bereits im Vorfeld das Empfänger-Konto überprüfen müssen, mussten sich die Fördergeber schon in parlamentarischen Anfragen gefallen lassen.

Dass mit Manfred Otte das längstdienendste OSV-Vorstandsmitglied (seit 1983) in der Jury für die Auftragsvergabe bei Bäderbau-Projekten sitzt, verleiht dem Ganzen eine zusätzliche Note.

Großzügig berechnet

Wie auch immer enthält der Akt keinerlei Kostenvoranschläge oder Hinweise darauf, welche Firmen letztlich die Arbeiten durchführten. Aus der Kostenschätzung geht lediglich hervor, dass neben der Traglufthalle, deren Netto-Kosten sich auf 350.000 Euro belaufen, noch weitere Umbauten auf dem Gelände des Stadionbades notwendig sind.

Von den besagten Rechnungen konnte LAOLA1 zumindest eine auftreiben – und zwar die größte. Die in der Nähe von Bielefeld beheimatete Firma Struckmeyer Systembau stellte die Halle 2010 für 287.000 Euro auf:

Dieser Betrag schloss neben der Verankerung oder der Drehtür auch Beratung und Planung mit ein, wie Frank Zielke, der bei Struckmeyer mit dem Stadionbad betraut war, auf Nachfrage von LAOLA1 bestätigt. „Die Lieferung haben ebenfalls wir übernommen. Den Aufbau in Wien haben drei Mitarbeiter und ich vorgenommen. Vorort wurden uns vom Stadionbad noch Hilfskräfte zur Seite gestellt.“

Unterm Strich ergibt sich alleine bei der Traglufthalle eine Differenz von knapp 63.000 Euro zur ursprünglichen Fördersumme. Ob und wieviel Geld bei den übrigen Umbauten übrigblieb, kann ohne Sichtung der Rechnungen freilich nicht gesagt werden. Dass aber auch dort die Kostenschätzung eher großzügig bemessen wurde, untermauert eine Einschätzung Zielkes, der sich nur schwer vorstellen kann, dass so viel Geld für Rundherum-Maßnahmen bei einer Bad-Überdachung notwendig ist.

Eine parlamentarische Anfrage schätzt die übriggebliebene Fördergelder auf 300.000 Euro.

Vertrag mit sich selbst

Über den Verbleib der Differenzsumme geben weitere Recherchen Aufschluss. In einem Werksvertrag zwischen der Pool GmbH und der einst im zweiten Wiener Bezirk angesiedelten Atelier ADH Generalbau-Planungs GmbH wurde ein Werksvertrag geschlossen.

„Gegenstand dieser Vereinbarung ist die Übernahme der Betreuungsleistung für das genannte Vorhaben basierend auf den geschätzten Personalkosten (ein Mitarbeiter 60 Stunden/Betriebsmonat)“, heißt es im Schriftstück. Der dafür abgestellte Mitarbeiter bei Atelier ADH war laut Meldungen des Magazins „News“ justament Benesch selbst, an den dafür pro Jahr 36.208 Euro gezahlt wurden.

Als Auftraggeber wird der Österreichische Schwimm-Verband in Person von Schauer und Benesch genannt.

Baumaßnahmen im Zuge des Projekts Netto-Beträge in Euro
<span style=\'color: #ff0000;\'>Traglufthalle 350.000
Weitere Außenanlagen 35.000
Bauwerk - Rohbau 78.000
Bauwerk - Technik 80.080
Bauwerk - Ausbau 50.000
Planung, Örtliche Bauaufsicht 55.000
Reserven 51.800
Gesamt 699.880

Geld rein, Geld raus

Geld rein, Geld raus
Ex-Finanzreferent Walter Benesch

Benesch schaffte es also, sich über die Atelier ADH, welche im Februar dieses Jahres nach einem Insolvenz-Verfahren geschlossen wurde, ein Stück vom Kuchen herunterzuschneiden. Doch damit nicht genug, wurde dieses Stück noch größer.

Denn auf der Suche nach Wegen, die eingelangten Gelder aus der unter der Wahrnehmungsgrenze laufenden Pool GmbH rauszuschaffen, waren noch weitere Ideen gefragt.

Die erstbeste – weil naheliegendste – war freilich jene des Geschäftsführer-Gehalts. Über die Jahre hinweg hatte diesen OSV-Generalsekretär Gangel und - richtig - Benesch inne. Ersterer kam auf diese Art und Weise auf die insgesamt über 8.000 Euro Brutto-Gehalt im Monat.

Am 31. August 2013 zog sich Gangel von diesem Posten zurück, Benesch war fortan alleiniger Geschäftsführer. Wie viel dieser dafür genau kassierte, ist unklar. Bei Gangel wurde gemutmaßt, dass sich sein stattliches Monatssalär zur Hälfte aus den Einkommen des Generalsekretärs, sowie jenem des Geschäftsführers zusammensetzte. Wenn es bei Benesch ähnliche Ausmaße hatte, würde dies über 4.000 Euro brutto bedeuten.

Doppelt hält besser

Wie aus einer LAOLA1 vorliegenden E-Mail von Benesch an Schurm hervorgeht, hatte Ersterer aber damit noch immer nicht genug.

„Für die laufende Projektbegleitung, Mitwirkung bei der Planung (zwecks Festlegung der Erfordernisse des OSV), laufende Projektbegleitung, zwecks Aufrechterhaltung der Anforderungen des OSV usw. wurden von Walter Benesch erbracht, wobei dafür ein Aufwand von ca. 100.000 Euro angesetzt wurde und diese Summe auch gefördert wurde“, schreibt er dort wortwörtlich.

Geld, welches wahrscheinlich aber nie bei Benesch angekommen ist. Denn wie mehrere Vorstandsmitglieder im Dezember vor einem Jahr bestätigt hatten, waren damals plötzlich 100.000 Euro an Fördergeldern aufgetaucht, für die in einer Sitzung noch händeringend abrechenbare Maßnahmen gesucht wurden.

Einer geht noch

In der gleichen Mail taucht noch ein weiterer „Mitspieler“ rund um die Traglufthalle auf. „Mit der Abwicklung zur Errichtung und Abwicklung des Projektes wurde laut Vereinbarung mit der Stadt Wien das Büro „Vienna Technology (Transfer; Anm.) Corporation GmbH“ beauftragt. Sämtliche Beauftragungen, Überwachung der Bauabwicklung sowie die Abrechnung erfolgte über dieses Büro“, steht dort.

Stadt hat nicht geprüft

Bleibt die Frage nach den ebenfalls involvierten Firmen sowie deren Rechnungen. Auch wenn sie für LAOLA1 nicht auftreibbar scheinen, sollten sie es für die Stadt Wien aber sehr wohl sein. Schließlich ist im Fördervertrag festgelegt: „Den Nachweis über die widmungsgemäße Verwendung dieser Subventionen haben die Subventionswerber binnen 6 Monaten gegenüber der MA 51 zu erbringen.“

Geschehen ist dies jedoch nicht.

Die bereits erwähnte Senatsrätin Hofmann gibt heuer, also vier Jahre nach der Errichtung, bei Einvernahmen gegenüber des Sportministeriums zu Protokoll, dass die Belege von der Stadt NICHT geprüft wurden. Das Ministerium gab dies in einer Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft weiter:

Hofmann hatte 2005 im Sportamt Wien (MA 51) die Nachfolge des langjährigen Abteilungsleiters Ferdinand Podkowicz angetreten. Der pensionierte Jurist, der über 40 Jahre im Magistrat tätig war, tauchte alsbald im OSV als Rechtsreferent auf. Herrschte gegenüber dem ehemaligen Vorgesetzten – Hofmann war ab 2000 im Sportamt tätig – ein zu großer Vertrauensvorschuss? Oder gab es gar andere Motive?

Hofmann blieb jedenfalls nicht lange, ist mittlerweile Geschäftsführerin der Wiener Betriebsgesellschaft mbH, einer 100-Prozent-Tochter der Wien-Holding, womit eine Verbindung zur VTTC hergestellt wäre. In dieser ist sie unter anderem für Stadionbad und das Stadthallenbad verantwortlich.

Zu einer Stellungnahme war Hofmann nicht bereit.

Ein Erklärungsansatz für die Gangel-Lösung

Unterm Strich zeichnet sich allmählich ein Bild, welches erahnen lässt, was im OSV in den vergangenen Jahren abgelaufen ist bzw. wo die verschollenen Sponsoren-Gelder von Ströck abgeblieben sein könnten. Wirklich Licht ins Dunkel wird vermutlich erst die Staatsanwaltschaft bringen können.

Die dargestellten Vorgänge bieten zudem einen Erklärungsansatz, warum mit Gangel, nachdem er Rechnungsfälschungen zugegeben hatte, eine einvernehmliche Trennung erzielt wurde. Es liegt nahe, dass ihm eine hohe Abfindungszahlung statt einer fristlosen Entlassung zugestanden wurde, um zu verhindern, dass frühere Praktiken ans Licht kommen.

Die Unterstellung, das Geschehene unter den Teppich kehren zu wollen, muss sich die aktuelle OSV-Führung auch gefallen lassen, wenn man sich den vom OSV an die TPA Horwath gestellten Prüfungsauftrag anschaut.

Obwohl rund um das Stadionbad bereits eine Fördermittelveruntreuung bekannt war, vermied es die Verbandsspitze tunlichst, die Traglufthalle in die Untersuchungs-Stichprobe für die TPA Horwath hineinzunehmen. Für die zuvor durch die Consultatio durchgeführte Prüfung gilt das gleiche.

Transparent wie immer

Heute gibt der OSV an, dass die Pool GmbH „in dieser Form nicht mehr existiert“. Auskünfte über das aktuelle Vermögen der GmbH sowie dem Gehalt der jetzigen Geschäftsführerin Grete Kugler werden auch nach Anbeginn der von Präsident Stefan Miklauz so oft gepriesenen Ära der Transparenz nicht gegeben.

Apropos Transparenz: Wer sich in der engeren Auswahl um den Posten des OSV-Generalsekretärs befand, will der OSV ebenfalls nicht preisgeben. Interimslösung Thomas Unger wurde kürzlich dazu bestellt. Jener Thomas Unger, den im Sommer 2013 schon Benesch als dessen Nachfolger als Finanzreferent haben wollte.

Reinhold Pühringer

Also noch jemand, der neben der Atelier ADH und dem vom OSV dazu abgestellten Finanzreferenten mit der Betreuung des Projekts beauftragt wurde.

Es scheint, als gehöre die Traglufthalle zu den am besten begleiteten Vorhaben im österreichischen Sport. Wie eine Foto-Reportage vom Februar 2013 allerdings zeigte, haben alle Begleiter zumindest nach der Errichtung der Halle recht schnell das Interesse daran verloren.

Kommunikative Mauer

Was die VTTC, eine 40-Prozent-Tochter der Wien Holding, dann aber wirklich im Stadionbad zu tun hatte, wollten wir genauer wissen, was recht skurril endete. Eine erste telefonische Kontaktaufnahme landete unmittelbar bei der Elektro-Installations-GmbH Fleck.

Dort wurde vertrauensvoll unser Anliegen entgegengenommen und uns ein Rückruf versprochen. Einen Tag später wurde tatsächlich ein VTTC-Mitarbeiter telefonisch vorstellig, der angab, dass seine Firma unter anderem für die Planung zuständig gewesen sei. Auf unsere Behauptung, dass dafür andere verantwortlich gewesen sind, geriet er ins Schwimmen. Metaphorisch zumindest.

„Ja, aber wir haben die Planung in Auftrag gegeben“, entgegnete er. Wozu der OSV eine Firma beauftragt, damit diese wiederum eine weitere Firma mit der Planung beauftragt, ließ er mit einer Gegenfrage („Wer ist dieser OSV?“) unbeantwortet. Stattdessen erkundigte er sich lieber noch einmal, wer das da am anderen Ende der Leitung denn überhaupt wissen möchte.

Als wir uns noch einmal vorstellen, ändert sich seine Kommunikations-Freudigkeit. „Dazu kann ich nichts sagen, schließlich arbeite ich nicht für die VTTC.“ Verwirrend? Ja. Wie sich herausstellt, hatte der Pensionist einst für die Firma gearbeitet und war auch mit dem Stadionbad betreut. Außer „Wir haben halt die Errichtung abgewickelt“ konnte er weder Zeitaufwand, finanziellen Umfang noch konkrete Aufgaben-Gebiete nennen.

Eine Nachfrage bei der eingetragenen Geschäftsführerin Elisabeth Schwarzinger fördert ebenfalls nichts Konstruktives zutage: „Mir ist nicht bekannt, dass wir bei der Errichtung der Traglufthalle involviert gewesen sein sollen.“ Um dies in ihren Unterlagen zu verifizieren, dafür erachtet sie die Erwähnung im Schreiben des Ex-Finanzreferents als nicht ausreichend.

Das Nachrichtenmagazin „Profil“ hatte der VTTC im Zuge der desaströsen Sanierung des Stadthallenbads auffällige familiäre Verflechtungen vorgeworfen.

Eine Sicherheitsstrategie

Im Schreiben von Benesch an Schurm, welches den Anschein einer internen Absprache hat, findet sich ein weiteres Indiz, dass für die Traglufthalle nicht die geförderten 700.000 Euro aufgebraucht wurden.

Denn der ausgebuffte Finanzreferent offieriert dort bereits eine Idee, was zu tun ist, falls das Sportministerium nicht benötigtes Geld zurückhaben will:

"Zwecks Vermeidung von Rückforderansprüchen durch den Bund wurde auch ein entsprechender Geschäftsführervertrag bis 2016 mit dem LSV Wien (Landesschwimmverband; Anm.) abgeschlossen."

In Bezug auf die Stadt Wien sah er sich durch seine Beziehungen offenbar genug abgesichert. Der Bund erklärte erst kürzlich in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage, dass Belege für "eine Rate über 300.000 Euro" vorgelegt und auch abgesegnet wurden.