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"Unsere Schwimmer können nicht oder müssen nicht"

Die Haare sind etwas länger. Die linke Hand umklammert den Griff eines Gehstocks, in Form einer silbernen Miniatur-Büste von Kaiser Franz Josef. „Eine Knöchelverletzung beim Tiefschneefahren.“

Zwei Indizien, dass bei Markus Rogan der Schwimmsport aktuell nicht im Mittelpunkt steht.

Das ist auch kein Geheimnis. Schließlich hatte sich der 30-Jährige vergangenen November vom Doping-Testpool  der NADA abgemeldet. Ein Vorbote für das ohnehin bereits angekündigte Karriere-Ende? Vielleicht, denn Rogan hält sich bedeckt – und zwar hartnäckig.

Auch bei einer Pressekonferenz in den Räumlichkeiten des SC Hakoah in Wien, in deren Rahmen ihm die goldene Wehrnadel des Klubs („Eine der größten Ehren in meinem Leben.“) angesteckt wurde, wollte und konnte Österreichs bester Schwimmer aller Zeiten keine Prognosen über die Zukunft abgeben.

„Ich wünschte, ich hätte Klarheit, aber die Entscheidung fällt mir nicht leicht. Wahrscheinlich, weil ich am Schwimmen einfach noch zu sehr hänge.“

Um die Hoffnung am Leben zu erhalten

Nur so viel steht fest, dass er 2013 an keinen Wettkämpfen teilnehmen werde. Eine Überraschung ist das freilich nicht, schließlich dürfe er erst sechs Monate nach einer Wiederanmeldung bei der NADA bei Rennen antreten.

Noch nicht ad acta legen möchte er allerdings die Olympischen Spiele 2016. Auch wenn er sich in Rio in dem für Schwimmer doch sehr fortgeschrittenen Alter von 34 Jahren befände.

Um den Traum – oder nennen wir es die leise Hoffnung – am Leben zu erhalten, trainiert Rogan nach eigenen Angaben nach wie vor täglich.

„Fast 20 Stunden pro Woche.“ Einheiten, die mehr zur Leistungserhaltung als deren Steigerung dienen. Auch wenn er glaubt, in seiner aktuellen Verfassung „gerade noch so eine Olympia-Norm zu schaffen“, ist er sich sehr wohl bewusst, dass es für ein Ticket nach Rio dann doch einiges mehr bedarf.

Aber im Moment ist Rio noch weit weg und anderes wichtiger. Darum konzentriert sich Rogan derzeit lieber auf sein Sportpsychologie-Studium an der UCLA in Los Angeles und der im September anstehenden Hochzeit mit Freundin Leanne, die den Trip nach Wien mitmachte.

Schlechtes Umfeld

Das nahende Karriere-Ende vor Augen macht sich Rogan auch vermehrt Gedanken über die Situation im heimischen Schwimmsport. Seine Einschätzung diesbezüglich fällt eher kritisch aus.

„Ein Sportler bringt nur dann Leistung, wenn er erstens KANN oder wenn er zweitens MUSS. Österreichs Schwimmer KÖNNEN aber nicht, weil die dafür notwendigen Bewegungsflächen kaum vorhanden sind. Und wenn, dann haben sie ein Loch“, spricht er die schlechte Bäder-Situation sowie die Farce rund um die Stadthallenbad-Sanierung an.

„Und Österreichs Schwimmer MÜSSEN nicht, weil die Förderstruktur nicht leistungsgemäß ist.“ Bereits nach vergleichsweise geringen Erfolgen würden hierzulande Sportler durch Ehrungen und Medien in den Himmel gehoben. Eine Praktik, deren Folgen Rogan am eigenen Leib verspürte. „Als ich damals in Österreich zu viel Lob bekommen habe, sind mein Ego und mein Kopf förmlich angeschwollen. Ich habe zweimal gerade noch die Kurve bekommen, bin nach Rom bzw. Los Angeles geflohen.“

Andere nach Los Angeles lotsen

Auch der öffentliche Druck seitens der Medien gehe ihm ab. „Bei der Ski-WM erwarten von Marcel Hirscher alle Gold. Dieses Gewinnen-Müssen hat es ihm Schwimm-Sport nur ganz kurz gegeben. Doch das müssen wir wieder erreichen.“

Eine aktive Mitarbeit, um den heimischen OSV wieder auf Vordermann zu bringen, könne er sich durchaus vorstellen. Etwa als Berater oder auch indem er junge Talente zu Trainingsaufenthalten nach Los Angeles einlädt.

Kulturelle Frage

Die Ausrede, dass es im Skisport in Österreich mehr Talente gibt als im Schwimmen, wollte Rogan so nicht hinnehmen.

„Das ist mit Sicherheit auch ein kulturelles Problem. Ich bin mir sicher, wenn der Hirscher mit zwei Jahren vom Vater nicht auf die Skipiste sondern ins Becken geschmissen worden wäre, dann wäre er heute ein besserer Schwimmer als ich.“

Doch so lange es so wenige Bewegungsflächen für den Schwimmsport in Österreich gibt, wird sich das wohl nicht ändern.

Reinhold Pühringer