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"Bei Michael Phelps frage ich mich: Wie geht das?"

14 Mal probiert, 14 Mal ist aus rot-weiß-roter Sicht nichts passiert. Bislang reichte es für das OSV-Team bei der Schwimm-Weltmeisterschaft in Shanghai noch nicht für einen Semifinal- oder Finaleinzug.

Das soll sich am Dienstag ändern, wenn Dinko Jukic über die 200 m Schwmetterling erstmals ins WM-Geschehen eingreift. Aber auch David Brandl und Florian Janistyn dürfen sich über 800 m Freistil gute Chancen ausrechnen.

Für Letzteren ist sein erster zugleich auch der einzige WM-Start. "Mehr war heuer leider nicht möglich", stellt der 23-Jährige im großen LAOLA1-Interview klar.

Sonst kein Lautsprecher und im Schatten von Jukic und Markus Rogan, spricht der Kraul-Spezialist Klartext und legt die Karten auf den Tisch.

Wie es sich als Schwimmer lebt, was er von Doping-Vorverurteilungen hält und warum er kein Problem mit einem Leben in der zweiten Reihe hat.


LAOLA1: Florian, wie groß ist die Vorfreude auf deinen WM-Start über 800 m Kraul?

Florian Janistyn: Es ist mittlerweile meine dritte Weltmeisterschaft seit 2007. Leider schwimme ich hier in Shanghai nur die 800 m Kraul, da es seit diesem Jahr die Regel gibt, dass, wenn ein Land zwei Aktive für einen Bewerb senden will, beide das FINA A-Limit brauchen. Und das war für mich heuer über die 400 m Kraul leider nicht möglich.

LAOLA1: Mit welchen Erwartungen hüpfst du am Dienstag ins Becken?

Janistyn: In erster Linie erwarte ich mir eine gute Zeit. Ich habe hart trainiert, habe neue Reize gesetzt, vor allem im Krafttraining. Die letzten Wochen sind gut verlaufen, deshalb bin ich guter Dinge, dass eine Zeit rausschaut, mit der ich zufrieden bin. Und mit einer guten Zeit kommt auch eine gute Platzierung.

LAOLA1: Was wäre für dich eine gute Zeit?

Janistyn: Meine Saison-Bestzeit steht bei 8:05 Minuten. Die zu unterbieten, ist das Ziel. Mein Rekord ist aus dem Jahr 2009 7:55 Minuten, allerdings mit Anzug. Das wäre natürlich sehr, sehr schön, aber die Anzüge haben schon viel gebracht. Man wird sehen, wie es sich entwickelt, auch was die internationalen Zeiten angeht. Es gab in diesem Jahr schon ein paar sehr starke Zeiten über die langen Strecken, vor allem von den Asiaten. Und die Australier sollen auch ein paar schnelle Junge am Start haben.

LAOLA1: Wie würdest du die 800 m Kraul charakterisieren, worauf kommt es an?

Janistyn: Viele Mittel- und Langstrecken-Athleten lassen die 800 m aus, da sie nicht olympisch sind. Auch der aktuelle Weltrekordhalter ist nicht dabei, aber es wird trotzdem sehr interessant werden. Weil die 800 m Kraul sind eine sehr taktische Strecke, auf der auch viel schief gehen kann. Man kann zu schnell anfangen, das ist über diese Distanz tödlich. Acht Minuten klingen nicht viel, aber die können sehr lang werden.

LAOLA1: Markus Rogan hat gesagt, dass er im Vorlauf über 200 m Kraul nach 150 m Probleme mit der Technik bekommen hat. Welche Rolle spielt die Technik über die 800 m Kraul?

Janistyn: Natürlich muss man die Technik halten können. Bei mir wird ein wichtiger Punkt sein, wie ich aus den Wenden rausschwimme. Denn je müder ich werde, desto schlampiger werden die Wenden. Und da kann man viel Zeit gewinnen, aber auch viel Zeit verlieren.

LAOLA1: Verfolgt man in der Vorbereitung, was die Konkurrenz macht, welche Zeiten die Gegner schwimmen?

Janistyn: Ich suche mir schon die Ergebnisse raus und versuche, auf dem Laufenden zu bleiben. Das gelingt nicht immer, aber die guten Zeiten werden schon angezeigt, das kriegt man mit. Traurig sind so Meldungen wie zuletzt über die brasilianischen Schwimmer. Das sind Sachen, die dem Sport schaden. Ähnlich wie der Start von Alberto Contador bei der Tour de France.

LAOLA1: Merkst du als Athlet, dass man als Sportler aufgrund der vielen Doping-Geschichten einer Vorverurteilung ausgesetzt ist?

Janistyn: Ich bin vor kurzem gefragt worden, was ich beruflich mache. Meine Antwort: Sportler. Das hat mein Gegenüber interessiert, er wollte es genauer wissen. Also Schwimmer. Okay, Ausdauersportler. Und dann kam die Frage: Ganz ehrlich, dopen Sie? Egal was man darauf sagt, die Leute glauben es nicht. Ja, es geht um Geld, bei den Top-Athleten um Millionenverträge.

LAOLA1: Also auch ein paar Millionen Gründe, um zu Dopingmitteln zu greifen.

Janistyn: Natürlich wird da betrogen, wie in jeder anderen Berufsgruppe auch. Warum sollte es im Sport anders sein, als zum Beispiel in der Wirtschaft oder in der Politik. Wenn es um viel Geld geht, um Ruhm und Ansehen, wird betrogen. In vielen Ländern ist eine Olympiamedaille eine Absicherung auf Lebenszeit.

LAOLA1: Auch in Österreich?

Janistyn: Nicht für einen Schwimmer. Das ist in Asien zum Beispiel ganz anders, der Südkoreaner Park Tae Hwan ist in seiner Heimat ein absoluter Nationalheld. Für den fliegen die Fans bis nach Rom, und obwohl er dort nichts gerissen hat, fallen die Mädels in Ohnmacht, wenn er aus dem Bad kommt. Der wird verkauft wie ein Popstar. Aber die Frage ist, wie man diesen Rummel verkraftet und ob man so ein Leben überhaupt möchte.

LAOLA1: Siehe Michael Phelps, der nach dem großen Olympia-Erfolg in ein Loch gefallen ist?

Janistyn: Exakt. Auch bei einem solchen Superstar kann der Absturz kommen, das ist nur menschlich. Unmenschlich ist, dass er ein halbes Jahr nicht trainiert hat und noch einmal ein halbes Jahr später wieder Weltmeister ist. Aber Michael Phelps ist ein Ausnahme-Athlet. Ich bin gespannt, ob ein Ryan Lochte ihn schlagen kann.

LAOLA1: Inwieweit fasziniert dich als Schwimmer dieses Duell der beiden Superstars?

Janistyn: Natürlich schaue ich mir das an. Und stelle mir, als jemand der auch täglich trainiert und versucht, das Maximum rauszuholen, die Frage: Wie geht das? Ich würde niemandem etwas unterstellen, solange nichts bewiesen ist. Aber ich würde auch für niemanden mehr die Hand ins Feuer legen.

LAOLA1: Du bist frühmorgens in der Schwimmhalle, zu Mittag in der Kraftkammer und am Nachmittag wird wieder geschwommen. Frustriert dieses Halbwissen nicht, dass da etwas nicht rechten Dingen zugeht?

Janistyn: Richtig frustrierend ist, wenn ein Alberto Contador eine positive Dopingprobe hat und trotzdem weiter fahren darf. Wenn unsereinem so etwas passiert, dann hört und sieht man nichts mehr von uns. Ein Bernhard Kohl hat, sportliche Leistung hin oder her, gedopt und betrogen. Medial war er dann aber schnell der Arme und ist finanziell sicher nicht schlecht weggekommen.

LAOLA1: Weg vom Radsport, weg vom Doping: Welches Standing hat der Schwimmsport hierzulande aktuell aus deiner Sicht?

Janistyn: Durch die Leistungen von Markus Rogan, Mirna Jukic oder Maxim Podoprigora, der von Anfang an dabei war, war das Bild des Schwimmens ein sehr gutes. In letzter Zeit gab es aber viel negative Presse, was sicher zu einem Imageverlust geführt hat. Schade ist nur, dass die Leute an den Leistungen auch zweifeln. Und in Österreich ist es so, dass man als Vierter schon verloren hat. Es interessieren nur Medaillen und nicht der Weg dorthin. Da wird im Vergleich zu anderen Sportarten mit zweierlei Maß gemessen.

LAOLA1: Hast du dafür ein Beispiel?

Janistyn: Ich will jetzt nicht auf den Fußball in Österreich losgehen. Aber das Niveau ist im internationalen Vergleich sicher nicht so hoch wie beim Schwimmen. Wenn ich mir dann anschaue, wie präsent die Fußballer sind und was sie verdienen, dann vermisse ich da eine Ausgewogenheit. Auf der anderen Seite ist es natürlich spannender ein Fußballmatch anzuschauen, als jemandem dabei zuzusehen, wie er Längen auf- und abschwimmt. Ausgenommen es ist Michael Phelps gegen Ryan Lochte, aber solche Athleten haben wir in Österreich nicht.

LAOLA1: Unsere Stars heißen Markus Rogan, der von Everybody’s Darling bis zum Prügelknaben schon alles war, und Dinko Jukic, dem ein Doping-Verfahren bevorsteht?

Janistyn: Das sind starke Schwimmer, keine Frage. Bei uns in Österreich sind sie Stars. Aber leider haben sie auch negative Presse und sind deshalb sicher nicht die Beliebtesten. Das liegt sicher auch an ihren Erfolgen. Weil Erfolg bringt Neid, das war schon immer so und wird auch immer so sein. Erfolgreiche Menschen haben immer Gegner. Wenn du einen kleinen Fehler machst, bist du sofort der Buhmann. Das ist die Kehrseite der Medaille.

LAOLA1: Du bist 23 Jahre jung, hast einen neunten Platz mit der Staffel bei den Olympischen Spielen 2008 als bislang größten Erfolg im Lebenslauf stehen. Machst du dir jetzt schon Gedanken über die Zeit danach?

Janistyn: Als Schwimmer ist deine Zeit begrenzt, diese Jahre musst du nützen. Sonst hat es wenig Sinn. Ideen für die Zeit danach gibt es viele, mir stehen sicher einige Wege offen. Ich studiere jetzt schon nebenbei, schnuppere in diese Richtung hinein. Aber mein nächstes Ziel sind die Olympischen Spiele 2012, danach werde ich mich um die berufliche Zukunft kümmern.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Stephan Schwabl