news

Das erste Gold in der dunkelsten Stunde

Das erste Gold in der dunkelsten Stunde

38 Jahre hatte Norwegen auf die erste Goldmedaille bei Schwimm-Weltmeisterschaften warten müssen.

Doch die Freude über die am Montag von Alexander Dale Oen in Shanghai über 100 m Brust realisierte Premiere ist nun getrübt.

Das Land steht noch im Schockzustand, nachdem der 32-jährige Anders Behring Breivik am Freitag auf der Insel Utöya und in Oslo mutmaßlich insgesamt 76 Menschen getötet hat.

Dale Oens Sieg ist jedoch ein Ausdruck dafür, wie sehr Norwegen in diesen Tagen zusammenhält.

"Zusammen durchstehen"

"Das war heute mehr Herz als Taktik. Ich wollte für die dort zu Hause gewinnen", sagte der Skandinavier in einem seiner Siegerinterviews.

"Ich nahm mir das, was zu Hause passiert ist, als Treibstoff und dachte an all die getöteten Jugendlichen. Wir müssen die Sache alle zusammen durchstehen."

Unmittelbar nach dem Triumph und noch im Wasser hatte der 26-Jährige symbolisch auf die auf seiner Badehaube angebrachte norwegische Flagge gedeutet.

Spontane Siegesfeier

Der neue Titelträger widmete seinen Erfolg auch prompt den Opfern und deren Angehörigen sowie darüber hinaus allen Norwegern.

Einige nationale Medien stützten darauf ihre Berichterstattung, "Dagbladet" machte mit einem Foto von der erwähnten Finger-Geste auf die Nationalflagge auf.

Die von den Titelkämpfen aus Shanghai berichtenden Journalisten hielten im Oriental Sports Center nach dem Absenden der ersten Erfolgsstorys eine improvisierte Siegesfeier ab.

Tief berührt

Dale Oen hatte als Olympia-Zweiter von Peking 2008 zu den Favoriten gezählt, doch nach den Ereignissen in der Heimat waren die Wettkämpfe für ihn in den Hintergrund getreten.

Laut der norwegischen Nachrichtenagentur (NTB) waren am Sonntag sowohl Dale Oen als auch sein Trainer Sondre Solberg bei Interviews in Tränen ausgebrochen.

"Es ist nicht leicht,", meinte der Coach nach dem Goldlauf, "an den Start zu gehen, wenn wir wissen, wie alle Norweger von den Geschehnissen zu Hause beeinflusst sind."

"Noch immer schockierend"

Sein Schützling aber habe es geschafft, das mental zu verarbeiten. Solberg: "Ich bin unglaublich stolz nach allem, was zu Hause in Norwegen passiert ist. Es war eine fantastische Leistung von ihm."

Richtig abschalten konnte der Europameister aber wohl nur für die 58,71 Sekunden, mit denen er den Weltrekord nur um 13/100 und den Europarekord um 7/100 Sekunden verpasste.

"Auf dem Podest habe ich auf die Flagge geschaut, die Hymne gehört und an die daheim gedacht. Es ist noch immer schockierend."

Auf andere Gedanken gebracht

Der Kurzbahn-Vizeweltmeister gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass er mit seinen WM-Ergebnissen bei seinen Landsleuten ein wenig Zuversicht zurückbringen kann.

"Ich kann mir vorstellen, dass daheim jetzt alle wie gelähmt sind. Ich werde nach der WM zurückkehren und sie unterstützen. In diesen Tagen müssen wir in Norwegen zusammenstehen. Wir müssen es schaffen, ins normale Leben zurückzukommen, denn wir dürfen es uns dadurch nicht zerstören lassen."

Viele Gratulanten

Zu den Gratulanten Dale Oens haben in vorderster Reihe auch Norwegens König und Ministerpräsident Jens Stoltenberg gezählt.

Während König Harald in knappen Worten seine "herzlichste Gratulation zur WM-Goldmedaille über 100 Meter Brust" übermittelte, griff Stoltenberg zum im alltäglichen sozialen Umgang in Norwegen üblichen "Du" als Anrede:

"Ich habe voller Stolz registriert, dass du die Goldmedaille den Terroropfern in Oslo und auf Utöya gewidmet hast", kabelte der Regierungschef.

Sehr dankbar

Kulturministerin Anniken Huitfeldt bedankte sich auf ähnlich amikale Weise bei dem Athleten:

"Ich bin beeindruckt, dass du bei der WM Gold geschafft hast. Das ist eine große Leistung. Ich möchte dir für das mitfühlende Denken danken, das du in Bezug auf die Katastrophe hier zu Hause gezeigt hast".