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"Dann gibt es bald keine Wasserspringer mehr"

Ab Samstag geht es für Constantin Blaha um die Wurst.

Österreichs bester männlicher Turmspringer steigt bei der Schwimm-WM in Barcelona auf die Bretter, die für ihn die Welt bedeuten.

„Ich will in ein Top-12-Finale“, legt sich der 25-Jährige, der als bestes WM-Ergebnis einen 14. Platz zu Buche stehen hat, die Latte nach einer verpatzten Saison, welche im Verpassen des Olympia-Tickets gipfelte, selbst hoch.

Nach dem Bachelor-Abschluss in Arizona (Wirtschafts-Kommunikation) ist Blaha gerade dabei, seine Zelte wieder in Wien aufzuschlagen, doch die Konfrontation mit der mangelnden Perspektive für Sportler hierzulande macht eine Rückkehr schwierig.

Im Interview spricht „Coco“ über den öffentlichen Hilferuf von Veronika Kratochwil, seine persönliche Situation und das drohende Aussterben einer Sportart:

LAOLA1: Veronika Kratochwil hat sich zuletzt in einem offenen Brief die schlechten Trainingsbedingungen aufgezeigt. Wie schlimm ist es wirklich?

Constantin Blaha: Es ist viel Willenskraft notwendig. Du musst jeden Tag improvisieren. Insbesondere im Sommer, genau dann wenn die Wettkämpfe sind, ist es eigentlich am schwierigsten, weil du halt nur limitiert Trainingszeiten bekommst. Wenn das Ottakringer Bad draußen aufsperrt, kommen halt die Leute und wollen auch springen. Da ist dann einfach mehr los. Dort trainiere ich, wenn ich in Wien bin. Fünfmal pro Woche. Die Bretter sind gut, die Atmosphäre leider nicht.

LAOLA1: Was meinst du mit Atmosphäre?

Blaha: Es fängt damit an, dass das Becken nur 3,50m tief ist. Das entspricht nicht der internationalen Norm, was aber nicht so schlimm ist, weil du als geübter Springer früher abrollst. Wenn ein Sprung aber einmal nicht optimal verläuft, kann es sein, dass du bis runter kommst. Außerdem haben wir nur ein Ein-Meter- und ein Drei-Meter-Brett. Wenn jetzt alle Wiener Wasserspringer zusammenkommen, staut es sich. Sobald da mehr als drei Leute auf einem Brett sind, geht nichts weiter. Das ist dann halt schwierig, wenn du nur eine Stunde Wassertraining hast. Die Halle ist auch nicht sehr hoch. Wenn ich beispielsweise voll wippe, kann ich die Decke berühren. Das ist auch nicht so tragisch, aber es ist von der Optik halt alles sehr eng und dunkel. Also kein Ort, wo du dich schon auf das Training freust.

LAOLA1: Wie sehen zum Vergleich die Trainingsanlagen in Arizona aus?

Blaha: Wir haben vier Ein-Meter, vier Drei-Meter-Bretter und einen vollen Turm. Dazu gibt es noch ein Trockenbrett, Trampoline, Matten, Akrobatikboden und das alles an einem Ort. Vorbereitende Akrobatik-Übungen kann ich in Wien beim Stadion trainieren. Aber wenn es dann wirklich ums Springen geht, wenn du deine Serie herunterklopfen musst, dann stehen wir den großen Nationen halt schon um einiges nach.

LAOLA1: Wie sieht es in Arizona mit den Wasserzeiten aus?

Blaha: Die Anlage dort ist für die Uni gebaut. Da kommt es gar nicht dazu, dass du um Wasserzeiten raufen musst.

LAOLA1: Herrschen solche paradiesischen Zustände nur in den USA oder auch in europäischen Ländern wie Italien, Frankreich oder Deutschland?

Blaha: Das gibt es auch in Europa. In Italien etwa haben sie jetzt ein eigenes Bad gebaut. Im Stadio Olimpico von Rom, wo 2009 die WM war, trainieren sie zudem unter freiem Himmel das ganze Jahr über. Dort haben sie auch das notwendige Klima dazu. Die müssen sich die Anlage nicht mit Badegästen teilen.

LAOLA1: In Kratochwils Brief stand drinnen, dass du längerfristig nach Österreich kommen wolltest, aber wegen der Bedingungen letztlich wieder geflohen bist?

Blaha: Ich habe die Trainingsbedingungen ja schon gekannt. Um ehrlich zu sein, war ich, seitdem ich im Juni wieder aus den USA zurückkommen bin, insgesamt nur eine Woche in Wien gewesen. Nach der EM bin ich sehr früh zur Universiade nach Kazan geflogen. Primär weil ich dort bessere Trainingsmöglichkeiten habe und konzentrierter arbeiten kann als hier in Wien. Jetzt geht es gleich weiter zur WM in Barcelona. Insofern war es für mich zuletzt erträglich. Aber wenn das meine tagtägliche Grundlage ist, würde mir das sehr schnell auf den Hammer gehen. Weil wenn du weißt, welche Möglichkeiten Sportler anderer Nationen haben, macht dich das alleine schon psychologisch fertig. Wenn du dir denkst, dass deine Gegner gerade ihre Sprünge runterklopfen und du währenddessen aber irgendwie improvisieren musst. Du musst dir jeden Tag deine Bedingungen schaffen. Das als tägliche Challenge zu akzeptieren, ist extrem. Darum Hut ab vor Sophie Somloi und unserem Trainer Didi Arestide Brun, wie die sich da durchkämpfen.

LAOLA1: Auf der einen Seite müsst euch ihr Sportler mit den widrigen Bedingungen herumschlagen, auf der anderen Seite bekommt ihr mit, wie sich der Verband im Rechtsstreit mit Dinko Jukic aufreibt. Was geht einem da durch den Kopf?

Blaha: Die Taktik, mit der ich lange sehr gut gefahren bin, ist, mich so gut es geht rauszuhalten, weil dich als Sportler einfach jede zusätzliche Belastung vom Wesentlichen einfach ablenkt. Ich nehme mir einfach, was für mich am besten funktioniert. Es ist nicht meine Aufgabe, die Struktur des Verbandes zu organisieren. Natürlich gibt es Mängel und es könnte viel besser aussehen, aber vielleicht ist das für das Leben nach dem aktiven Sport, wo ich vielleicht ein Zeichen setzen könnte.

LAOLA1: Würde dich eine Funktionärstätigkeit interessieren?

Blaha: Ja, wenn ich mir denke, dass ich einen Unterschied oder den Sportlern nach mir das Leben leichter machen könnte. Aber bis dahin ist es noch weit. Aber es stimmt schon: Wenn niemand irgendwas dagegen tut, wird sich auch nichts verändern. Es darf nichts schöngeredet werden. Dass es nicht optimal läuft, ist kein Geheimnis, aber Wasserspringen ist halt nicht die wichtigste Sportart in Österreich, weshalb es von ein paar Einzelkämpfern abhängt, die die Fahne hochhalten. Aber wenn es so weiter geht, wird es in fünf Jahren keine Wasserspringer mehr geben. Es ist die Frage, ob sich der Verband das wünscht, weil wir bei Großereignissen doch fast immer vertreten waren und gute Ergebnisse geliefert haben. Auch jetzt in Barcelona stellt unsere Sparte ein Viertel des WM-Teams. Wir haben in Österreich eine Tradition an guten Wasserspringern. Die haben alle unter ähnlichen Bedingungen ihr Ding durchgezogen. Das waren alles Einzelkämpfer, die aus Liebe zum Sport ihren Weg gegangen sind. Und so einem System ist das der einzige Weg zum Erfolg. Wenn Sophie und ich einmal aufhören, wird man sich etwas einfallen lassen müssen. Entweder man überholt das System zur Gänze oder es stirbt aus.

LAOLA1: Wo befindet sich jetzt dein Lebensmittelpunkt?

Blaha: Das kommt auf die Rahmenbedingungen an. Mein Hauptwohnsitz wird sicher Wien sein, wenn ich diverse Förderungen in Anspruch nehmen kann. Ich versuche gerade wieder beim Bundesheer aufgenommen zu werden. Da ist mit den Plätzen aber relativ eng, weil beim OSV gekürzt wurde. Aktuell gibt es nur sechs Plätze für drei Sparten. Ob ich mit den Bedingungen langfristig zurechtkomme, weiß ich noch nicht. Vielleicht bin ich auch zu verwöhnt, aber ich weiß halt, wie es zugeht in der internationalen Spitze.

LAOLA1: Du bist jetzt 25. Wie sieht da die weitere Karriereplanung aus?

Blaha: Ich habe jetzt auch nur mehr diesen Olympia-Zyklus und das wird es dann gewesen sein. Von daher muss ich schauen, dass ich das Beste für mich heraushole. Diese Saison habe ich bislang sehr gut gearbeitet und das zeigt sich auch an den Erfolgen. Bei der Universiade war ich Sechster und Siebter, bei der EM Vierter und Elfter. Dazu habe ich in Puerto Rico meine erste Grand-Prix-Medaille geholt. Nur bei einem GP war ich nicht im Finale. Letztes Jahr hätte ich mir alle zehn Finger abgeschleckt, wenn ich nur ein paar dieser Ergebnisse gehabt hätte. Nach der verpassten Olympia-Quali bin ich in ein Loch gefallen. Die Luft war draußen. Ich habe die Saison noch irgendwie über die Runden gebogen. Danach musste ich etwas Abstand gewinnen, mich neu fokussieren.

LAOLA1: War ein Karriereende ein Thema?

Blaha: Nein, ich bin nicht einer, der sagt: Jetzt bin ich einmal auf die Schnauze geflogen – so das war’s. Zusätzlich ist letztes Jahr das Studium noch eine Belastung gewesen. Ich habe mir damals gesagt, dass ich mich nach dem Abschluss praktisch als Belohnung ein, zwei Jahre voll und ganz auf den Sport konzentrieren werde, um zu schauen, was es da noch zu holen gibt. Auch mit voller Motivation.

LAOLA1: In welchem Alter erreichen Turmspringer ihren Zenit?

Bei mir würde ich sagen jetzt. Ich habe keine gröberen Verletzungen, bin körperlich so fit wie noch nie. Außerdem verfüge ich über die nötige Erfahrung. Es gibt viele Junge, die athletisch gut drauf sind und schwierige Sprünge nur so aus dem Ärmel schütteln, aber bei denen dauert es halt noch, bis sie ihre Leistungen auch in einer Drucksituation runterbringen.

 

Das Interview führte Reinhold Pühringer