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Lara Vadlau: Training zwischen Leichenteilen

Lara Vadlau: Training zwischen Leichenteilen

Täglich fünf Stunden auf dem Wasser, dazu noch Konditions- und Kraft-Training an Land.

Lara Vadlau und Vorschoterin Jolanta Ogar schuften hart, um sich bei den in einem Jahr am 5. August beginnenden Olympischen Spielen ihren Traum zu erfüllen. Das 470er-Boot gilt nach seinem Welt- und Europameistertitel im Vorjahr als heißester Medaillen-Tipp.

Da es bei den Seglern Trumpf ist, über ein Gewässer samt dessen Strömungen bestmöglich Bescheid zu wissen, trainiert die OeSV-Flotte bereits seit Juli unterm Zuckerhut. Nach ausgiebigen Materialtests, bei denen die bestmögliche Zusammenstellung aus Boot, Mast, Segel sowie anderen Komponenten eruiert wird, steht nun die Olympic Test Regatta auf dem Programm.

Im Interview mit LAOLA1 spricht die 21-jährige Kärntnerin über nicht vorhandene Olympia-Euphorie in Rio, ihre Medaillen-Chancen und herumtreibende Leichenteile:

LAOLA1: Lara, habt ihr mit dem Olympia-Revier schon Freundschaft geschlossen?

Lara Vadlau: Allmählich würde ich ja sagen, weil wir immer besser zurecht kommen. Am Anfang war es schwer, drei Wochen am Stück hier zu sein, da sich mit der Zeit Lagerkoller einstellte. Aber mittlerweile fangen wir an, Rio zu mögen. Ob es uns liegt, ist aufgrund der Eigenheiten noch schwer zu sagen, aber ich glaube schon.

LAOLA1: Welche Charakteristika weist das Revier vor Rio auf?

Vadlau: Es ist extrem schwer und facettenreich, ganz anders als wir es aus Europa gewohnt sind.  Manchmal hast du sehr hohe Wellen und die Strömungen sind schwer herauszufinden. Selbst in der Bucht herrschen verschiedene Strömungen. Es braucht Zeit, bis man diese kennt.

LAOLA1: Habt ihr euch beim Erfahrung-Sammeln vor Rio einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen können?

Vadlau: Ich denke ja, weil die anderen erst im August gekommen sind, während wir schon seit Juli hier sind. Dafür haben wir auch die EM geopfert. Ich bin gespannt, ob sich das letztlich auszahlt.

LAOLA1: Bisher war immer von der enormen Wasser-Verschmutzung vor Rio die Rede. Die Verantwortlichen kündigten Besserung an.

Vadlau: Davon ist bislang nichts zu sehen. Es ist genauso dreckig wie sonst auch immer. Wir waren schon mal sechs Mal hier, haben aber noch nie jemanden gesehen, der irgendwas sauber gemacht hätte.

LAOLA1: Die Rede ist immer von umhertreibenden Kühlschränken. Habt ihr schon mal einen gerammt?

Vadlau: Schon drei, vier Mal. Aber den schlimmsten Fund haben zuletzt unsere Strömungstechniker gemacht, als sie im Wasser zwei abgeschnittene Menschen-Beine gesehen haben.

LAOLA1: Haben sie das dann gemeldet?

Vadlau: Nein, weil sie nicht wussten, ob das in Brasilien überhaupt Sinn macht.

LAOLA1: Wie gut kennst du dich in Rio schon aus?

Vadlau: Eigentlich gar nicht, weil wir unser Quartier in einer anderen Bucht haben. Dort ist es ruhiger und sicherer. In Rio selbst kann es dir schon passieren, dass du ausgeraubt wirst. Anderen Seglern ist das schon widerfahren.

LAOLA1: Insofern werdet ihr von den baulichen Vorbereitungen auf die Spiele kaum etwas mitbekommen.

Vadlau: Genau. Wir sehen maximal die Küste Rios. Ich denke, dass wir erst beim Olympia-Testevent etwas mehr sehen werden.

LAOLA1: Ist für euch schon so etwas wie ein Olympischer Geist oder Vorfreude in der Bevölkerung spürbar?

Vadlau: Bis jetzt sicherlich nicht. Mir kommt vor, als ob sich hier bislang noch keiner um Olympia schert. Die Leute hier haben andere Probleme. Ein Blick aus meinem Hotel-Zimmer genügt – die riesigen Favelas sind unübersehbar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine ähnliche Euphorie wie bei der Fußball-WM aufkommt. Fußball ist etwas anderes in Brasilien.

 

LAOLA1: Wirst du bis Rio noch einmal auf Ski stehen? Oder anders gefragt: Wie geht es dem Kreuzbandriss im Knie?

Vadlau: (schmunzelt) Skifahren werde ich bis dahin bestimmt nicht mehr. Dem Knie geht es aber recht gut, es wird immer besser. Ich muss halt stets aufpassen. Schließlich muss ich im Boot viele Drehbewegungen machen und hänge mich auch über das Boot hinaus.

LAOLA1: Wie hoch würdest du vor dem Hintergrund der bisher in Rio gesammelten Erfahrungen eure Chancen auf Edelmetall in einem Jahr einschätzen?

Vadlau: Rio ist für jeden ein komplett neues Revier. Alle fangen bei null an – sowohl was Material, als auch die seglerischen Erfahrungen betrifft. Um wirkliche Rückschlüsse über unsere Medaillenchancen zeichen zu können, muss die Vorbereitung noch weiter voranschreiten.

Das Interview führte Reinhold Pühringer