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Usain Bolt: Superstar, Rampensau, Geldmaschine

Usain Bolt: Superstar, Rampensau, Geldmaschine

Vergesst Kepler oder Kopernikus! Im Sport und insbesondere in der Leichtathletik kann es nur ein Weltbild geben – und zwar das Bolt-zentrische.

Wo der Jamaikaner auftaucht, steppt der Bär. Auch beim Diamond-League-Meeting in Oslo, wo er am Donnerstag die 200m läuft. Auf ihn sind die Objektive und das Scheinwerferlicht gerichtet. Selbstredend, dass sich das auch finanziell niederschlägt. Das US-Magazin „Forbes“ schätzte sein Einkommen im Vorjahr auf stattliche 24,2 Millionen Euro.

Doch die Marke Usain Bolt würde nicht derartige Wellen schlagen, wenn nicht im Hintergrund ein ganzes Team werken würde. Eine maßgebliche Rolle dabei spielt sein Agent Ricky Simms.

Der Kalender wies das Jahr 2002 aus, als die Zusammenarbeit zwischen dem jungen, aufstrebenden Manager und dem erst 16-jährigen Bolt begann. Letzterer hatte gerade die nationalen Junioren-Meisterschaften über 200m gewonnen und dabei Gegner, die vier Jahre älter waren als er, geschlagen.

Im Werben um die Gunst des unübersehbaren Talents war Simms keineswegs alleine. Dennoch setzte er sich durch. Dabei war Simms zu diesem Zeitpunkt noch relativ neu in diesem Geschäft. Nicht unbekannt, aber eben neu.

Vom Lehrer zum erfolgreichen LA-Manager

Manager des weltweit bekanntesten Leichtathleten zu werden, hatte die Karriere-Planung des Iren eigentlich gar nicht vorgesehen. Die Begeisterung für den Sport war zwar stets vorhanden gewesen – in jungen Jahren lief Simms diverse Rennen in seiner Heimat – doch früh stand fest, dass er es damit zu nichts bringen würde. Stattdessen wurde Simms Lehrer, ehe ein Treffen alles veränderte.

„Ich wurde jemanden vorgestellt“, erinnert sich der Bolt-Manager gegenüber der „BBC“. „Sein Name war Kim McDonald. Er war einer der führenden Agenten der Welt.“

McDonald war einer der Ersten, der kenianischen Athleten die Möglichkeit gab, in Europa zu laufen. „Außerdem managte und coachte er die erfolgreichste Athletin Irlands, Sonia O’Sullivan, und 1.500m-Silber-Medaillengewinner Peter Elliott.“

Das Feuer in Simms war entfacht. 1999 begann er für McDonald zu arbeiten. Zunächst mit sehr einfachen Aufgaben. Er spielte beispielsweise den Fahrdienst für die Athleten, kutschierte sie zwischen Flughafen und Hotel hin und her. Doch das änderte sich mit der Zeit. Verantwortung und die Zahl der Tätigkeitsbereiche stiegen.

Plötzlicher Tod

Plötzlicher Tod
Bolt-Manager Ricky Simms

„Ich habe gelernt, worum es in diesem Geschäft geht. Ein Jahr später reiste ich mit dem ganzen Zirkus zu den großen Meetings nach Zürich und Brüssel.“ Nicht nur, dass Simms das Business kennenlernte, auch die Athleten lernten ihn kennen.

Dies sollte von entscheidendem Vorteil sein, als McDonald 2001 plötzlich aus dem Leben schied. „Das war ein Riesenschock für die ganze Leichtathletik-Gemeinschaft“, blickt Simms zurück, der versuchte, die Geschäfte zu übernehmen.

Nicht ohne Widerstände, da viele ihn noch als Neuling empfanden. Doch Simms schaffte es rasch, seine Zweifler von sich einzunehmen, was nicht zuletzt seine Zusammenarbeit mit Usain Bolt unterstrich.

Keine Lust auf USA

Keine Lust auf USA
Bolt bei seinem 200m-Sieg bei der Junioren-WM 2002 in Kingston

Usain Bolt erwies sich alsbald als außergewöhnlicher Klient. Denn während die meisten jamaikanischen Talente nach dem High-School-Abschluss auf ein US-College gingen und erst Jahre später Profi wurden, hatte der Schlacks aus der Region Trelawny anderes im Sinn.

„Er wollte das nicht. Er mochte Jamaika, nah bei seiner Mutter zu sein und konnte sich nicht vorstellen, weit weg in einer kalten Stadt zu leben. Die Kälte mochte er schon gar nicht“, erinnert sich Simms. Somit blieb Bolt auf dem Eiland und wurde bereits 2003 Profi.

Sein Aufstieg war allerdings nicht derart kometengleich, wie viele glauben. In jungen Jahren war es seine Verletzungsanfälligkeit, die dem späteren Weltrekordler immer wieder Rückschläge versetzte. Mit der Zusammenarbeit mit Trainer Glenn Mills änderte sich das. Der Lauf-Guru erkannte die Achilles-Ferse des Jungstars und begann, genau dort den Hebel anzusetzen.

Auch eine Art großer Bruder

Bei der WM 2007 in Osaka lief Bolt über 200m zu Silber. „Das war der große Wendepunkt“, berichtet Simms. „Usain sagte: Wenn ich Silber gewinne, obwohl ich nicht allzu hart trainiere, dann kann ich mit ein wenig mehr Anstrengung Gold holen.“ Das tat er. Was folgte, ist bekannt. Fabelweltrekorde, sechs Olympische Gold-Medaillen und fünf Weltmeistertitel. Kurzum: „A star was born.“ Und Simms war mittendrin.

Dementsprechend veränderte sich auch seine Beziehung zu Bolt. „Wir machen viele Dinge für Usain und andere Klienten, die über das bloße Geschäft hinausgehen“, bezieht Simms das „Wir“ auf seine Management-Firma namens „Pace Sports Management“. Das Buchen von Flügen oder das Mieten von Autos und Smokings gehört praktisch zur Tagesordnung. Im Falle von Bolt kann dann auch noch der Erwerb der einen oder anderen PlayStation dazukommen.

Der Faktor Bolt

Der Faktor Bolt
Jamaikanische Exportschlager unter sich: Bob Marley und Usain Bolt

Doch es zahlt sich aus. Insbesondere was Bolt anbelangt. Die Stellung des Fabelsprinters innerhalb der Leichtathletik ist bereits derartig stark, dass sich er und Simms die Rosinen je nach Lust und Laune herauspicken können.

„Wenn du ein Meeting organisierst, ist Usain derjenige Athlet, den alle haben wollen, um  die Massen anzulocken und Aufmerksamkeit zu bekommen“, bringt es der Agent im „Sportbusiness Journal“ auf den Punkt.

Kurzum: Der Rubel muss rollen, ansonsten kein Bolt. Im wahrsten Sinne des Wortes bekamen das auch die Veranstalter der diesjährigen Weltmeisterschaften im August in Moskau zu spüren. Diese wollten den schnellsten Mann der Welt zu Werbezwecken für ein Promotion-Video haben. Doch daraus wurde nichts.

„Als die ihren Preis aufriefen, entschieden wir, dass wir genügend eigene Talente haben, um die Veranstaltung zu bewerben“, wollte Chef-Organisator Alexander Polinsky den Wucher nicht mitmachen.

„In einer Stunde mache ich Management-Arbeiten für ihn, in einer anderen Agenten-Tätigkeiten für ihn. Und wieder in einer nächsten erledige ich Großer-Bruder-Tätigkeiten für ihn“, gibt Simms einen Einblick in seinen Alltag.

„Wie einen Staatspräsidenten“

Im Falle von Bolt stehen gleich mehrere Leute Gewehr bei Fuß, um dem Superstar den Alltag zu erleichtern. Das Leben im Scheinwerferlicht bringt auch seine Tücken mit sich. Fettnäpfchen gilt es nach Möglichkeit auszulassen.

„Wir bereiten ihn deshalb immer wie einen Staatspräsidenten vor. Wenn er zu einem Interview geht, dann erklären wir ihm, welche Art von Fragen er zu erwarten hat. Wenn er ein Treffen hat, geben wir Hintergrund-Infos über sein Gegenüber.“

Wie zu erahnen ist, ist das Leben von Simms mit Arbeit ausgefüllt. Hinzu kommt, dass er mit beispielsweise Mo Farah, Phillips Idowu oder Vivian Cheruiyot auch noch andere Kapazunder der Szene unter Vertrag hat.

Sind die Forderungen von Bolt und seinem Management überzogen? Aus Sicht von Simms naturgemäß nicht: „Der Markt bestimmt, was Usain verdienen kann und er wird sortieren und auswählen, wo er auftritt. Er wählt die Meetings, die ihm die besten Bedingungen bieten – sei es finanziell oder die Bahn oder das Wetter oder wie es in seine Trainingsgestaltung passt.“

Ein Auge zudrücken

Wie mächtig seine Stellung tatsächlich ist, illustriert ein aktuelles Beispiel. Seit 2009 ist Bolt mit Ausnahme der Olympischen Spiele 2012 kein Rennen in Großbritannien gelaufen. Ein Hauptgrund ist das hiesige Steuergesetz.

„Er wäre verpflichtet, Steuern auf seine mehrere Millionen Pfund schweren Sponsoringeinnahmen zu zahlen, was bedeutet, dass es ihm Geld kosten würde hier zu laufen“, schlüsselt der „Daily Telegraph“ die verzwickte Situation auf.

Damit der Jamaikaner und auch andere Stars aus Übersee aber nun doch zu den Anniversary Games von 26. bis 28. Juli nach London kommen, wird extra der verantwortliche Passus im Steuergesetz einmalig außer Kraft gesetzt. Für Bolt bedeutet das, dass er das kolportierte Startgeld von 590.000 Euro sowie eine Erfolgsprämie absahnen kann, ohne Abgaben an den Staat leisten zu müssen.

Willkommen im Bolt-zentrischen Weltbild.

 

Reinhold Pühringer