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Bolt vs. Gatlin: Am Ende überwiegen die Zweifel

Bolt vs. Gatlin: Am Ende überwiegen die Zweifel

Sie plustern sich auf, schlagen sich mit der Faust auf die Brust und zeigen ihre Muskeln.

Wenn die Stars der Leichtathletik, die Top-Läufer über 100 Meter, ihr Startritual durchziehen, geht es auch immer darum, möglichst souverän und selbstsicher aufzutreten.

Die mentale Stärke spielt eine entscheidende Rolle. Wer dem Gegner im Kopf voraus ist, ist es häufig auch auf der Tartanbahn.

Bolt vs. Gatlin vs. Generalverdacht

Zwei, die ihr Metier exzellent beherrschen, sind Usain Bolt und Justin Gatlin. Der eine, Bolt, ist sechsfacher Olympiasieger und achtfacher Weltmeister. Der andere, Gatlin, hat einmal Olympia- und zweimal WM-Gold zuhause im Wandschrank hängen.

Bei der Leichtathletik-WM in Peking ist ihr Duell der schnellsten Männer der Welt das Topthema. Glänzt Weltrekordler Bolt nach bislang durchwachsener Saison beim Höhepunkt oder ist Gatlin, der mit 33 Lenzen fünf Jahre älter ist als sein Konkurrent, in diesem Jahr nicht zu schlagen?

"Solange ich in toller Form bin, kann mich keiner schlagen, so viel ist sicher", posaunte Bolt stets. "Das halbe Feld schlage ich schon auf dem Aufwärmplatz mit meinem Selbstvertrauen", lautet einer von Gatlins Poser-Sprüchen.

In diesem Jahr haben die beiden allerdings einen Gegner, der noch viel stärker und mächtiger ist, als die beiden es je waren oder sein werden. Er ist unsichtbar und hört auf den Namen Generalverdacht.

Ein Drittel aller Medaillengewinner verdächtig

Eine Dokumentation der ARD brachte den Stein ins Rollen. Experten wurde eine Datenbank mit mehr als 12.000 Blutproben, die größte, die jemals in die Hände von Außenstehenden gelangte, zugespielt.

Genaue Untersuchungen brachten erschütternde Zahlen zutage: Zwischen 2001 und 2012 waren die Proben von rund einem Drittel aller Medaillengewinner bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften zumindest stark auffällig.

Über 146 Medaillen(gewinnern) schwebt ein Damoklesschwert, darunter 55 Goldene. In der einen oder anderen Disziplin hegen die Ermittler sogar an sämtlichen Medaillengewinnern Zweifel.

Nach Bekanntwerden der Resultate zeigten sich die Verantwortlichen des Leichtathletik-Weltverbandes (IAAF) erschüttert. Jedoch nicht, weil ihr Sport scheinbar ähnlich verseucht ist wie der Radsport zu EPO-Hochzeiten, sondern, weil er "beschmutzt" wurde.

Eine lebenslange Sperre umgangen

Bei einem Meeting in Kansas wiesen ihm Kontrolleure Testosteron in seiner Probe nach. Das Ende der Karriere, sollte man bei einem Wiederholungstäter meinen.

Doch Gatlin ist ein gerissener Hund. Nachdem zunächst der Masseur bezichtigt wurde, ihn via Creme unwissentlich gedopt zu haben, änderte er die Taktik und verpfiff seinen zwielichten Trainer Trevor Graham.

Aus lebenslang wurden acht Jahre, doch selbst das stimmte den Muskelprotz nicht zufrieden. Er zog vor das amerikanische Sportgericht und siehe da: Die achtjährige Sperre wurde auf vier verkürzt.

Längst feierte er sein Comeback, hamsterte weitere Medaillen und wirkt nun, mit 33 Jahren, besser denn je. Seit 2013 hat er keinen Wettkampf mehr verloren, in dieser Saison gelang ihm in Doha mit 9,74 Sekunden eine persönliche Bestzeit, die weltweit nicht unterboten wurde.

Die Wunder-Kartoffeln aus Jamaika

"Bad Cop" Gatlin, "Good Cop" Bolt? Es könnte den Anschein erwecken, doch auch bei Bolt bleiben Zweifel. Freilich hat sich der 28-Jährige bislang offiziell nie etwas zu Schuld kommen lassen, bestand sämtliche Dopingtests und beschwor, sauber zu sein. 

Doch wie ist es möglich, dass Gatlin, Asafa Powell, Yohan Blake (beide JAM) oder auch Tyson Gay (USA) - allesamt die größten Herausforderer des Überläufers - überführt wurden und Sperren absaßen, doch ausgerechnet der schnellste Mann aller Zeiten sauber ist? (siehe Tabelle)

Angeblich sollen die Kartoffeln auf Jamaika wahre Wunder bewirken. Kritiker sehen indes den viel zu laschen Umgang der Anti-Doping-Behörden als eines der größten Probleme auf der Karibik-Insel.

Behoben werden die augenscheinlichen Probleme der Leichathletik auf absehbare Zeit wohl kaum, denn, und auch das bewies die oben erwähnte Doku auf erschreckende Art und Weise, viele Mitwisser schauen einfach weg und decken Athleten, Trainer und Verbände.

So befindet sich die Leichtathletik in einem Teufelskreis, aus dem es schwer auszubrechen ist. Bis dahin gilt das Motto "The show must go on". Möge die Plusterei und Muskel-Show der Sprint-Stars beginnen ...


Christoph Nister

Die Stars schweigen, die Funktionäre schimpfen

Sebastian Coe, erst vor wenigen Tagen zum neuen IAAF-Präsidenten gewählt worden, schimpfte, dass die Nutzung der Datenbank entweder auf "eine haarsträubende Ahnungslosigkeit oder ein hohes Maß an Bösartigkeit" seitens der Journalisten zurückzuführen sei.

Der 58-jährige Brite, zu aktiven Zeiten selbst ein Weltklasse-Läufer auf der Mitteldistanz und zweimal mit Olympia-Gold über 1.500 Meter dekoriert, nahm dabei sogar das Wort "Kriegserklärung" in den Mund.

Seine Protagonisten wollen mit dem Thema nichts zu tun haben. "Alles, was ich in den letzten Wochen gehört habe, war immer nur Doping, Doping, Doping. Nichts über den Wettkampf", schimpfte der Jamaikaner Bolt.

US-Star Gatlin lässt sich darauf erst gar nicht ein. Dopingfragen werden vorab von seinem Manager verboten. Sollten doch einmal welche auftauchen, weicht er aus oder beendet kurzerhand das Interview.

Ein Star mit zweifelhafter Vergangenheit

Doch kann man es den Medien wirklich verübeln, dass sie die Leistungen der Top-Athleten anzweifeln? Gerade Gatlin ist ein polarisierender Charakter mit dunkler Vergangenheit.

Bereits mit 19 Jahren flog er bei einer Dopingkontrolle durch, ihm wurden Amphetamine nachgewiesen. Eine fällige Zweijahres-Sperre konnte er auf die Hälfte kürzen, weil er den zuständigen Behörden glaubhaft vermittelte, Medikamente aufgrund eines Aufmerksamkeitsdefizit-Syndroms genommen zu haben.

Nachdem er 2004 (Olympia-Gold über 100 Meter) und 2005 (WM-Gold über 100 und 200 Meter) zum absoluten Top-Star der Leichtathletik empor stieg, folgte 2006 sein persönlicher Super-GAU.

Rang Name Nation Schnellste Zeit Positiv getestet Sperre
1 Usain Bolt Jamaika 9,58 sec <span style=\'color: #00ff00;\'>nein
2 Tyson Gay USA 9,69 sec <span style=\'color: #ff0000;\'>ja 1 Jahr
2 Yohan Blake Jamaika 9,69 sec <span style=\'color: #ff0000;\'>ja 3 Monate
4 Asafa Powell Jamaika 9,72 sec <span style=\'color: #ff0000;\'>ja 6 Monate
5 Justin Gatlin USA 9,74 sec <span style=\'color: #ff0000;\'>ja 1 Jahr + 4 Jahre