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Österreichs Leichtathletik geht in die Offensive

Österreichs Leichtathletik geht in die Offensive

„Das ist zu wenig.“

Ein Satz, der immer wiederkehrt. Jürgen Mallow, seines Zeichens der für Leistungssport verantwortliche Vize-Präsident im heimischen Leichtathletik-Verband, benutzt ihn bei der Vorstellung des neuen Zukunftskonzeptes inflationär.

Aber nicht um die Visionen darzustellen, sondern viel mehr um den Ist-Zustand zu beschreiben.

Der langjährige Cheftrainer des deutschen Verbandes (2004-2008) und DLV-Sportdirektor (2008-2010) kennt die internationalen Standards und weiß deshalb nur allzu gut, dass Österreich in vielerlei Hinsicht hinterherhinkt.

„Es gibt in Europa kein vergleichbares Land, wo die Trainingsbedingungen im Winter so schlecht sind“, spricht er den größten Schwachpunkt der heimischen LA-Szene an.

Ein Promille ist nicht genug

Mit dem 67-Jährigen hat der ÖLV einen internationalen Fachmann gewonnen. „Mehr oder weniger zufällig“, gesteht ÖLV-Generalsekretär Helmut Baudis. Denn die Trainergröße studierte einst in Wien und entschied sich 2010, seine Pension in einem Dorf im Wienerwald zu verbringen.

Als eingefleischter Leichtathlet konnte er sich dem Sport und dem Werben des ÖLV alsbald nicht mehr verwehren, weshalb er nun den Heimischen mit seinem Fachwissen zur Seite steht.

„Ich sehe mich in erster Linie als Trainer“, stellt Mallow seine Perspektive klar, von der aus er das Zukunftskonzept betrachtet. Und das auf sehr analytische Art und Weise. „Zunächst muss man sich fragen: Wo stehen wir? Wen haben wir als Konkurrenz?“, führt Mallow aus.

Konkurrenz sei aufgrund der Globalität der Leichtathletik die ganze Welt. „Da Österreich rund ein Promille der Weltbevölkerung darstellt, würde statistisch gesehen jede 1000. Medaille auf Österreich entfallen. Das ist uns aber zu wenig.“

Realistisches Wunschenken

Realistisches Wunschenken
ÖLV-Präsident Ralph Vallon

Ein Zwischenziel auf dem Weg nach Rio ist die EM 2014. Bei dieser möchte der ÖLV mit 15 Startern plus einer Staffel vertreten sein. Für die Olympischen Spiele zwei Jahre später möchte man sich gar mit zehn Athleten qualifizieren. Zur Erinnerung: In London waren es deren sieben.

Dass diese dann in Rio nicht nur „Touristen“ sein sollen, liegt auf der Hand. Mehrere Halbfinals sollen erreicht und Vorkämpfe überstanden werden. Dazu soll im Nachwuchs unter anderem die Teilnehmerzahl an U18-, U20- und U23-Europameiserschaften bis 2015 auf 40 ÖLV-Sportler angehoben werden.

Alles in allem ein bisschen ambitioniert, oder? „Man könnte sogar sagen, dass das nicht Ziele sondern Wünsche sind“, ist sich auch Mallow bewusst. „Aber ich halte es für realistisch.“

Drei Säulen

Erreicht sollen die gesteckten Ziele durch die Verbesserung von drei wesentlichen Faktoren werden: Infrastruktur, Trainerwesen und Struktur im Nachwuchsbereich.

Im leidigen Thema rund um fehlende Hallen glaubt ÖLV-Präsident Ralph Vallon, dass der richtige Zeitpunkt endlich gekommen sei. „Veränderungswille ist da“, meint er mit Verweis auf Neo-Sportminister Gerald Klug (zum Interview) und betont: „Ohne neue Trainingsstätten gibt es kein Vorankommen für uns.“

Dabei gehe es aber nicht nur um den Bau, sondern auch um die Verfügbarkeit der Hallen. „Es ist internationaler Standard, dass solche Hallen an jedem Tag der Woche für die Sportler zugänglich sind. Schließlich müssen die Belastungen gesetzt werden, wann es die Vorbereitung auf Wettkämpfe verlangt und nicht wann man in die Halle darf“, schüttelt Mallow den Kopf. Für Leistungssportler sei es wichtig, Kontinuität zu schaffen.

1.500-m-Läufer Andreas Vojta kennt die Problematik nur allzu gut. „Es ist bitter, wenn du im Winter vor einem Rennen nicht in der Halle trainieren kannst, weil dort eine Katzenausstellung stattfindet und du im Schnee laufen musst.“

Vallon wünscht sich deshalb eine vergleichbare Halle, wie sie in Schieleiten steht, auch für Wien. „So eine gibt es hier leider nicht.“ Der Präsident kann sich mit Blick auf die Stadtentwicklung in Aspern auch eine Zusammenarbeit mit einem anderen Fachverband vorstellen.

Arbeiten früher begonnen

Arbeiten früher begonnen
Andreas Vojta kennt die schwierigen Trainingsbedingungen nur allzu gut

Positives gibt es indes vom Leichtathletik-Zentrum, das am Wiener Cricket-Platz entstehen soll, zu berichten. Ein undichtes Gasrohr führte zwar dazu, dass die Anlage aufgegraben werden musste und für die Leichtathleten vorerst nicht benutzbar ist, doch die Arbeiten für das neue LA-Zentrum sollen deshalb bereits im Juli beginnen.

„Schon im Herbst könnte alles fertig sein, womit im Frühjahr 2014 der Trainingsbeginn voll einsetzen könnte“, hofft ÖLV-Sportdirektor Hannes Gruber.

Die nächste Baustelle

Auf dem Trainersektor soll die Ausbildung der Coaches forciert werden.

 Zudem soll mittels neuer Fördergelder, die man sich durch die Umsetzung des neuen Sportfördergesetzes erhofft, weitere hauptamtliche Trainer angestellt werden. Denn im internationalen Vergleich habe man hier großen Nachholbedarf.

„Mir ist sehr wohl bewusst, dass man Österreich nicht mit Deutschland vergleichen kann“, so Mallow. „Doch Bayern, das von der Größe her ähnlich ist, aber nicht einmal einen nationalen Auftrag hat, verfügt über sechs hauptamtliche Trainer. Österreich nur über deren fünf und da rechne ich schon Leute wie den Sportdirektor mit ein.“

Kein Pappenstiel

Dass dies alles Geld koste, sei man sich im ÖLV bewusst. Mallow rechnet gar mit einer Summe von bis fünf Millionen Euro. „Allerdings muss man da differenzieren. Schließlich muss so eine Halle erst einmal gebaut werden. Und die ist schließlich noch immer billiger als eine Skisprungschanze“, kann er sich einen kleinen Seitenhieb auf die starke Lobby der heimischen Überflieger nicht verkneifen. „Infolge kämen natürlich die Betriebs- und Instandhaltungskosten hinzu.“

Doch nicht jede Lösung sei auch teuer. So gebe es beispielsweise Pläne für eine kostengünstige Umwandlung einer Viehversteigerungshalle in Amstetten, die nur im Sommer benötigt wird und im Winter als Wurfanlage dienen könnte. Mallow: „Das würde nicht einmal 10.000 Euro kosten.“

Das Geld hierfür soll aus eingereichten Rio-Projekten rund um die Aushängeschilder Beate Schrott, Gerhard Mayer, Ivona Dadic, Lukas Weißhaidinger und Vojta kommen. Doch noch sind keine Fördergelder geflossen.

Reinhold Pühringer