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"Laufen ist nicht nur Beruf, sondern Berufung"

Durchschnittlich 9.000 Kilometer pro Jahr, was andere nicht einmal mit dem Auto schaffen – erledigt er zu Fuß.

Günther Weidlinger, ist dreifacher Olympia-Teilnehmer und Österreichs Nummer eins im Laufsport. Nun will der Oberösterreicher am 30. Oktober beim Marathon in Frankfurt sein Olympia-Ticket lösen.

Sein Debüt über die längste olympische Laufdistanz feierte der Österreicher im Frühjahr 2009 in Wien mit 2:12:39 Stunden. Sein zweiter Marathonstart in Frankfurt, war mit 2:10:47 Stunden gleichzeitig sein bislang schnellstes Rennen.

In der darauffolgenden Saison hingegen lief es für Weidlinger nicht nach Wunsch: Eine Verletzung verhinderte beim Wien-Marathon eine bessere Zeit (Platz 12 in 2:14:05 Stunden). Bei der EM in Barcelona kämpfte er mit extremer Hitze und holte am Ende Platz 18 (2:23:37 Stunden).

 

Bevor es nach Frankfurt geht, bittet LAOLA1 Günther Weidlinger zum Interview:

LAOLA1: Günther, du gehst am 30. Oktober beim Frankfurt-Marathon auf die Jagd nach deinem Olympia-Ticket. Bist du nach bereits drei Teilnahmen gelassener? Macht man sich weniger Druck?

Günther Weidlinger: Das Limit für die vierte Teilnahme an olympischen Spielen ist genauso hoch gesteckt und schwierig zu erbringen, wie die vorigen Male. Das Laufen ist für mich nicht nur Beruf, sondern auch Berufung. Daher ist eine Teilnahme an den Spielen in London um nichts unbedeutender geworden. Allerdings gibt es im Marathon nicht viele Chancen, die geforderte Norm zu erbringen. Das klare Ziel ist, das Limit für London 2012 von 2:14,00 zu unterbieten, und dementsprechend sind die Zwischenzeiten ausgelegt.

LAOLA1: Drei Olympia Teilnahmen, drei verschiedene Disziplinen. Auf welcher Distanz fühlst du dich am wohlsten und warum?

Weidlinger: Mittlerweile fühle ich mich im Marathon heimisch, weil sich der Schwerpunkt mit der Zeit auf diese Disziplin verlagert hat. Nach so vielen aktiven Jahren sind neue Impulse wichtig, um die mentale und physische Leistungsfähigkeit zu erhalten. So ist der Wechsel von der Bahn auf die Straße im Jahr 2009 eine neue, notwendige Herausforderung gewesen. Allerdings sehe ich mit Wehmut, wie dünn die Leistungsdichte zurzeit auf den internationalen Bahnen ist, und es sieht im Moment nicht nach einer Trendwende aus.

LAOLA1: Wirst du 2016 auch noch in Angriff nehmen, eventuell mit einer neuen Disziplin?

Weidlinger: Ich bin mittlerweile alle Mittel- und Langstrecken durchgelaufen und habe bis auf den Marathon meinen Zenit erreicht. Wenn ich dann noch aktiv sein sollte, nur auf der längsten Strecke.

Seit 1987 ein Team Günther Weidlinger und sein Vater Heinrich

LAOLA1: Seit 1987 trainiert dich dein Vater. Was ist euer Erfolgs-Geheimnis?

Weidlinger: Kompetenz und Gefühl für den Athleten trainerseits und absolutes Vertrauen meinerseits. Kein Team kann so viele Jahre reibungslos kooperieren, die gemeinsamen Ziele und Visionen stehen jedoch über allen anderen Dingen.

LAOLA1: Wenn man seit 1987 Leichtathletik betreibt, hat es doch bestimmt auch Situationen gegeben, in denen man sich gedacht hat, ich schmeiß alles hin. Hattest du solche Momente und wie hast du dich immer wieder motivieren können?

Weidlinger: Das Laufen ist einfach meine Berufung. Nach Misserfolgen oder Verletzungen habe ich mich mit der nötigen sachlichen Distanz immer wieder darauf besonnen, dass das noch nicht alles gewesen sein kann. Es ist ein sehr schöner Beruf, Profisportler zu sein.

LAOLA1: Ist es auf Dauer frustrierend, wenn man immer wieder einen neuen besseren Kenianer oder Äthiopier vor sich hat?

Weidlinger: Es ist nicht so leicht, in einer Sportart aktiv zu sein, wo Afrikaner eindeutig dominieren, aber frustriert bin ich deshalb nicht. Es gibt ja auch immer wieder Erfolge über namhafte Kenianer wie zum Beispiel der Sieg beim Great Australian Run 2009 vor Samuel Wanjiru (Olympiasieger Marathon 2008). Ich gebe stets mein Bestes, um mein Optimum herauszuholen, denn ich habe mir ja meinen Beruf selbst ausgesucht.

Auf den Fersen der afrikanischen Konkurrenz
LAOLA1: Landet jeder Dauerläufer früher oder später beim Marathon?

Weidlinger: Jeder bestimmt nicht, es ist eine Frage der Motivation, Leistungsfähigkeit und des grundsätzlichen Interesses. Ich zolle auf jedem Fall jedem einzelnen Marathonläufer großen Respekt.

LAOLA1: Was ist die Faszination Marathon?

Weidlinger: Es ist die einzige Disziplin der Leichtathletik, die durch einen Mythos entstanden ist. Und, der Straßenlauf ist eine globale Bewegung, die immer mehr Menschen aus unterschiedlichen Motiven in ihren Bann zieht.

LAOLA1: Laufen boomt überall auf der Welt. Was ist notwendig, um mehr Weidlingers und Mayrs zu formen?

Weidlinger: Bessere grundlegende Rahmenbedingungen im Breitensport wie beispielsweise mehr engagierte Trainer und bessere Strukturen im österreichischen Leichtathletik-Leistungssport.

LAOLA1: Gibt es ein Marathon–Traumziel für die Zukunft?

Weidlinger: Meine Vision ist eine Zeit unter 2:10,00. Theoretisch ist dies auch möglich, aber dazu muss alles zu 100% passen, und mehr als zwei bis maximal drei Marathonstarts im Jahr sind auf diesem Niveau nicht möglich.

LAOLA1: Sollte in Frankfurt nicht alles nach Plan laufen und Olympia für dieses Mal kein Thema sein, wie sieht dann dein Plan aus? Gibt es noch eine Qualifikations-Möglichkeit?

Weidlinger: Theoretisch müsste das Limit in Frankfurt erbracht werden, meine Trainingswerte sind nahezu sensationell. Wenn nicht, werden wir uns nachher mit einem Plan B beschäftigen.

LAOLA1: Wie sehen die letzten Vorbereitungen vor dem Frankfurt Marathon aus?

Weidlinger: Die letzten Tage vor Frankfurt werden recht ruhig werden. Das Training ist abgeschlossen, jetzt beginnt die Zeit der Regeneration und mentalen Vorbereitung auf das Rennen. Das letzte Trainingslager in St. Moritz konnte ich mit knapp 420km in 14 Tagen sehr positiv abschließen.

 

Das Gespräch führte Patricia Kaiser