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Andrea Mayr: Die etwas planlose Gipfelstürmerin

Andrea Mayr: Die etwas planlose Gipfelstürmerin

Sie klingt fertig.

Kein Wunder. Am Sonntag hat sich Andrea Mayr in Casette di Massa in der Toskana zur Weltmeisterin im Berglauf gekrönt. Zum bereits fünften Mal, was sie zur alleinigen Rekordhalterin macht.

„Ich liege gerade im Auto, wir sind gerade auf der Heimreise“, meint die 34-Jährige am Telefon, als LAOLA1 sie erreicht. „Aber keine Sorge, ich fahre nicht selbst“, schickt sie noch zur Beruhigung hinterher.

Sitzen sei momentan zu anstrengend. Zu viel Substanz hat der neuerliche Titelgewinn gekostet. „Dazu noch ein wenig Vino Rosso“, schmunzelt sie.

Durch den Steinbruch

Das Rennen über 8,4 Kilometer, 740 Höhenmeter sowie 240 m bergab gestaltete sich nicht einfach. „Zu Beginn ging es durch ein Dorf über viele Steinstufen. Das Problem ist, dass da die Schrittlänge vorgegeben ist. Das kostet Kraft“, schildert Mayr, die sich über die folgenden Steilpassagen mehr freute.

Bis es dazu kam, hatte sich die Oberösterreicherin bereits einen kleinen Vorsprung auf die Kenianerin Lucy Wambui Murigi erarbeitet, die letztlich auch Zweite wurde.

In einem Steinbruch ging es über Baggerrampen hinein in einen Tunnel, hinter dem eine Wendemarke lag. „Auch wenn dieser Tunnel mehr oder weniger nur als kleines Highlight gelaufen wurde, war es angenehm, weil man da ganz genau sehen konnte, wie groß der Abstand zu den Verfolgern war.“

Obwohl dieser bereits auf beruhigende Dimensionen angewachsen war, bekam Mayr auf einer langen Baggerstraße das große Nervenflattern. „Da diese so breit war, bin ich mir so langsam vorgekommen. Ich dachte mir: Das gibt es doch nicht, warum komme ich nicht vorwärts?! In Wirklichkeit habe ich aber in diesen zehn Minuten noch einmal 1:20 Minuten rausgeholt.“

Im Ziel waren es letztlich 2:42 Minuten. „Auch wenn es sich bescheuert anhört, aber erst 400m vor dem Ziel war ich mir sicher, dass ich gewinne.“ Die Siegerehrung entschädigte für die Torturen davor. „Am höchsten Punkt des Steinbruches wurden wir auf einer Marmorplatte ausgezeichnet. Auf der einen Seite die Apuanischen Alpen, auf der anderen das Meer – das war einmalig!“

Karriere-Ende aufgeschoben

Karriere-Ende aufgeschoben
Das Podest: Wombaui Murigi (KEN), Mayr und McLaughlin (USA)

Dass Mayr nun als alleinige Rekord-Weltmeisterin dasteht, war vor zwei Jahren nicht abzusehen. Das Gegenteil war der Fall, denn nach den Olympischen Spielen 2012, wo sie im Marathon den 54. Platz belegte, begann sie als Assistenz-Ärztin in der Unfall-Chirurgie in Vöcklabruck zu arbeiten.

„Eigentlich hatte ich nach London gedacht, dass es das war, da sich Arbeit und Sport wohl nicht vereinbaren lassen würden.“ Doch falsch gedacht. Die ambitionierte Sportlerin nutzt täglich ihren rund 20 Kilometer langen Anfahrtsweg in die Arbeit aus Gmunden, um am Fahrrad jene Kraft und Ausdauer zu schinden, die es auch am Berg braucht.

Und aufgrund ihres Zuhauses hat sie mit dem Salzkammergut ohnehin ein tolles Trainingsgelände vor der Tür. „Ich kann aus einer großen Palette an Bergen auswählen.“

Geplant planlos

Ein wenig gelitten hat die sportliche Karriere dann doch unter dem Beruf. „Früher habe ich alles geplant. Heute geht das nicht mehr. Ich kann noch gar nicht sagen, ob ich im Oktober an dem oder dem Wettkampf teilnehme, weil ich noch gar nicht weiß, an welchen Wochenenden ich Dienst habe.“

Mayr lässt sich seither mehr treiben, macht das, worauf sie Lust hat. Und hierbei kommen die Berge ganz weit vorne. „Am liebsten laufe ich auf einen Berg und bleibe dann über Nacht auf einer Hütte. Wenn ich könnte, würde ich das jeden Tag machen“, lächelt sie, gibt im selben Atemzug zu bedenken, dass das vom trainingswissenschaftlichen Standpunkt ohnehin kontraproduktiv sei.

Die Berge haben es ihr so sehr angetan, dass das Training im Flachen etwas vernachlässigt wird. Auf die Frage, wie groß überhaupt ihre Marathon-Ambitionen noch sind, zögert Mayr kurz. „In Wahrheit plane ich immer nur bis zum nächsten Großereignis.“ Ad acta gelegt hat sie die 42,195 km aber noch nicht. „Als ich in Wien heuer den halben gelaufen bin, hat es mich wieder gereizt“, meint die Siegerin des Vienna City Marathons von 2009.

Einfach überreden lassen

Einfach überreden lassen
Durch diesen Tunnel mussten die Läufer zweimal durch

Mayr lässt die Zukunft also einfach auf sich zukommen. Überraschungen nicht ausgeschlossen. Genauso wie ihr zweiter Platz bei den Duathlon-Europameisterschaften in Weyer vor drei Wochen. Zu dem Start dort hat sie sich mehr oder weniger überreden lassen. Ihr Training bestand nur aus dem „Zur-Arbeit-Radeln“ und abendlichem Laufen.

Ihre geringe Duathlon-Erfahrung schien bei der EM zunächst noch bitter bestraft zu werden. Nach 10 km Laufen fiel sie auf der 42 km langen Rad-Schleife einer anfänglichen Tempo-Hatz zum Opfer und musste den Großteil hinter der Spitzengruppe alleine abspulen. Ohne Windschatten. Zudem gesellte sich ein Fauxpas in der zweiten Wechselzone vor dem abschließenden 5 km Lauf. „Als ich weggelaufen bin, hab noch irgendwie das Fahrrad umgekickt. Ich habe es zunächst gar nicht bemerkt.“

Die Referees leider schon und verdonnerten sie zu einer 15-Sekunden-Strafe. „Die Siegerin (Kathi Hewison aus Großbritannien; Anm.) hätte ich aber so oder so nicht mehr gekriegt.“

Botschaft an Werner Grissmann

Bei einer Genuss-Sportlerin wie Mayr stellt sich stets die Frage nach neuen Herausforderungen. Für ein Berglauf-Ass wie sie läge ein Start beim Red Bull Dolomitenmann auf der Hand.

„Es würde mich alleine deswegen schon reizen, da es immer heißt, dass es nur für die Härtesten unter der Sonne und nur für Männer ist“, meint Mayr. Ob es deswegen schon einmal Kontakt zu Organisator Werner Grissmann gegeben hat: „Der will das überhaupt nicht, weil wenn das Frauen auch können würden, dann würde das Rennen seinen Status verlieren.

Lieber Herr Grissmann, Andrea Mayr würde bereitstehen…

 

Reinhold Pühringer