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Paischer und die Jagd nach dem Netzroller

Paischer und die Jagd nach dem Netzroller

Ludwig Paischer kommt in der Olympia-Saison weiterhin nicht auf Touren. Für den Salzburger war beim Männer-Weltcup in Oberwart bereits im Achtelfinale der Klasse bis 60 kg Schluss.

Der 30-Jährige musste sich dabei neuerlich dem Japaner Naohisa Takato geschlagen geben. Dem amtierenden Junioren-Weltmeister, der gerade einmal 18 Lenze zählt, war der Olympia-Zweite von Peking bereits beim Grand Slam in Tokio unterlegen.

Besonders bitter: Takato düpierte den Routinier bereits nach 18 Sekunden mit Ippon durch einen Beinfeger (Ko-uchi-barai).

Auch die anderen Österreicher flogen in der Vorrunde raus. Peter Scharinger zeigte allerdings mit zwei Siegen bis 73 kg, darunter ein sehenswerter Ippon gegen Ex-Weltmeister Tsagaanbaatar Khashbaatar (MGL), auf. Debütant Driton Shala (bis 66 kg) erreichte mit zwei Ippon-Siegen ebenso das Achtelfinale.

"Wollten attackieren"

Paischer hatte sich für seine Heim-Vorstellung freilich mehr vorgenommen. Das bestätigt auch Taro Netzer, der seit Mitte vergangenen Jahres Trainer des Aushängeschildes ist: "Damit sind wir alles andere als glücklich."

Daran kann auch der Erstrunden-Sieg über den Briten James Millar nichts ändern. Das schnelle Aus gegen Takato kam auch für Netzer überraschend.

"Gegen ihn hast du zwei Möglichkeiten: Entweder du greifst an oder du versuchst, den Kampf zu zerstören. Bei Letzterem gehst du aber mit Sicherheit mit zwei, drei Bestrafungen als Verlierer von der Matte. Darum wollten wir attackieren."

Bei nur 18 Sekunden Kampfzeit war davon aber naturgemäß nur wenig zu sehen. "Lupo war gerade in einer Losreiß-Bewegung. Mir ist klar, dass das für den Laien patschert ausgesehen hat", so der einstige ÖJV-Sportdirektor.

"Lupo hat Judo nicht verlernt"

Trotz des neuerlichen frühen Ausscheidens ist Paischer für Netzer nach wie vor auf dem richtigen Weg, an dessen Ende eine Olympia-Medaille in London stehen soll.

"Lupo hat das Judo nicht verlernt - nein, im Gegenteil: Ich bin sogar der Überzeugung, dass er es sogar verbessert hat, da er seinen Stil an die neuen Gegebenheiten angepasst hat", spielt der Trainer auf die Regeländerung, welche seit 2009 das direkte Fassen der gegnerischen Hose verbietet, an.

Doch woran liegt es, dass es bei Paischer momentan einfach nicht laufen will? Netzer ortet die Ursache knapp über den Schultern seines Athleten - und zwar im Kopf. "Was ihm derzeit fehlt, ist das ungeschränkte Selbstvertrauen, einfach auf die Matte zu gehen und jeden schlagen zu können."

Ein Netzroller muss her

Dieser Umstand schlägt sich auch auf Paischers Körpersprache auf der Matte nieder. Verhalten wirkte der zweifache Europameister zeitweise in Oberwart.

"Wenn man Video-Material von vor einem Jahr mit dem Jetzt-Zustand vergleicht, ist der Unterschied deutlich sichtbar", ist sich dessen auch Netzer bewusst. Um aus dem neuen Paischer wieder den alten zu machen, muss dringend ein Erfolgserlebnis her.

"Der berühmte Netzroller, der halt einmal auf der Seite des Gegners runterfällt", so Netzer, der unterstreicht, dass Paischer zumindest köperlich wieder voll auf der Höhe ist.

"Das war lange nicht der Fall. Nach der langwierigen Fingerverletzung mussten wir erst wieder die Voraussetzungen für Erfolge schaffen."

Nur noch die EM

Es bleibt allerdings die Frage, wann besagter Netzroller passieren soll? Denn bis zum Ende der Quali-Phase im April wird Paischer nur noch die Europameisterschaften in Chelyabinsk (RUS) bestreiten.

Die Turniere bis dorthin wird er auslassen. "Weil es nichts bringt, zwanghaft einem Erfolg nachzulaufen. Durch das ständige Abnehmen und Hintrimmen auf den Wettkampf kannst du nicht vernünftig trainieren. Auf Dauer machst du einen Athleten damit kaputt", relativiert Netzer.

Die vielleicht schwächer besetzten Weltcups zwischen April und Beginn der Spiele hält er aber ebenfalls für wenig gewinnbringend. "Lupo ist ein alter Hase, den du nicht mit leicht verdienten Erfolgen täuschen kannst. Selbstvertrauen kann er sich nur mit Siegen über die wirklich Starken holen."

Ein Dilemma, das es spätestens bis London zu lösen gilt.

Aus Oberwart berichtet Reinhold Pühringer