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Wenn der Fortschritt den Sport überholt

Wenn der Fortschritt den Sport überholt

Zum mittlerweile vierten Mal findet am Wochenende mit den European Open Österreichs bestbesetztes Judo-Turnier in Oberwart statt.

Der vormalige Weltcup ist heuer wieder ganz in männlicher Hand. Die zeitgleiche Damen-Konkurrenz steigt in Rom.

Dass der Judo-Zirkus überhaupt in Österreich Station macht, ist freilich keine Selbstverständlichkeit. Ein Blick in die Liste der weiteren European-Open-Veranstalter genügt, um zu erkennen, dass sich hier nur Metropolen tummeln. Neben Oberwart sind das Madrid, Warschau, Prag, Tallinn, Glasgow, Lissabon und eben Rom.

Günstiger Termin

Die absoluten Kracher der Szene zieht es ohnehin kaum ins Burgenland, was aber weniger der Turnier-Organisation, als vielmehr der Staffelung der Weltranglisten-Punkte geschuldet ist. Denn während einem Athleten für einen Sieg in der European-Open-Serie 100 Zähler gutgeschrieben werden, sind es auf Grand-Prix-Ebene das Drei- und bei einem Grand Slam sogar das Fünffache.

Vor diesem Hintergrund ist es sogar beachtlich, dass heuer etwa US-Kapazunder Travis Stevens mit von der Partie ist. „Das liegt auch am guten Termin“, verweist Mit-Organisator Martin Poiger auf das Wochenende, das traditionell zwischen dem Grand Slam Paris und dem Grand Prix Düsseldorf liegt. Zahlreiche Übersee-Teams nehmen Oberwart da gleich mit.

„Einige andere Turniere wollten mit uns schon tauschen, aber wir wissen, was wir daran haben“, meint Martins Bruder und OK-Chef Roland Poiger.

Suche nach Geld-Quellen

Die European Open auf die Beine zu stellen, bedeutet jedes Mal aufs Neue einen Drahtseilakt.

Denn die Anforderungen von Seiten der Europäischen Judo-Union (EJU) an die Veranstalter sind durchaus hoch. Es existiert ein knapp 80 Seiten starkes Handbuch, welches bis ins Detail vorschreibt, wie ein Turnier auszusehen hat. Das reicht von Marketing-Maßnahmen über Tisch-Dekorationen bis zu den Doping-Tests.

Alles Dinge, die letztlich Geld kosten. Und wie es im Burgenland so schön heißt – „läppert“ sich das zusammen. Da das Sponsoren-Feld im österreichischen Judo ein überschaubares ist und sich der Zuschauer-Andrang in Grenzen hält, müssen bei der Finanzierung eben andere Quellen angezapft werden.

Im Falle von Oberwart sind das die Stadtgemeinde und das Land Burgenland. „Ohne deren Unterstützung würde es dieses Turnier nicht geben“, bestätigt Roland Poiger.

Wie man sich bettet…

Eine Problematik, mit der Oberwart freilich nicht alleine dasteht. Ein probater Ausweg einiger Veranstalter ist etwa, einen Teil der Auslagen über die Hotels wieder reinzuholen.

Um bei einem Turnier an den Start gehen zu dürfen, muss eine Delegation in einem „offiziellen“ Hotel nächtigen. Diese werden von den Veranstaltern für einen Pauschal-Preis eingekauft und dann mit einem satten Aufschlag versehen.

Eine Doppelzimmer-Nacht während der WM im Vorjahr in Rio kam etwa auf stolze 150 Euro. Das war jedoch noch aus der günstigsten Kategorie. Ein Mitgrund, warum der Weltcup-Zirkus für die nationalen Verbände immer teurer wird.

In Oberwart versucht man diese Strategie bestmöglich zu umgehen. „Weil wir gemerkt haben, dass sich das letztlich auch auf die Qualität des Starterfeldes niederschlägt“, so Martin Poiger.

Anderes Niveau, ähnliche Probleme

Anderes Niveau, ähnliche Probleme
Präsident des Deutschen Judo-Bundes Peter Frese

Das Turnier auf die Grand-Prix-Ebene zu hieven, daran sind die Veranstalter nach aktuellem Stand nicht interessiert. Die GP-Serie untersteht nämlich nicht mehr der EJU, sondern der Obhut des Weltverbandes (IJF). Deren Auflagen sowie die einhergehenden finanziellen Belastungen sind dementsprechend höher.

Davon weiß Peter Frese ein Lied zu singen. Der Präsident des Deutschen Judo-Bundes (DJB) organisiert mit seinem Team besagten GP in Düsseldorf. Der Wuppertaler will die IJF für ihre Forderungen aber nicht zwingend kritisieren. Er kennt die dahinterliegende Intention. „Ich verstehe das vollkommen. Wenn du eine Weltserie hast, dann soll die in China, Japan oder Deutschland auch gleich aussehen“, führt er im Gespräch mit LAOLA1 aus.

„Marius Vizer (IJF-Präsdient; Anm.) hat einige Sachen angegriffen, die für das Judo notwendig waren. Wir müssen ja sehen, dass wir im internationalen Sport wahrgenommen werden. Im IOC haben wir beispielsweise eine höhere Klassifizierung erreicht.“

Seine Sorgen aus Sicht eines Turnier-Veranstalters kann das jedoch nicht schmälern. „Eines meiner Probleme ist, dass mir wegen der Olympischen Spiele heuer das Fernsehen abgesagt hat. Zwar haben im Vorjahr täglich 110.000 verschiedene IP-Adressen auf den Video-Stream zugegriffen, aber damit kann ich keinen Sponsor aus der Höhle locken.“

Für DJB nicht stemmbar

Genau das vom Weltverband vorgeschriebene Video-Streaming ist auch einer der größten Kosten-Punkte im Düsseldorfer Budget. Im Vorjahr belief sich dieser Posten auf rund 70.000 Euro. „Wenn ich in dieser ganzen Debatte einen Wunsch frei hätte, dann wäre das, dass die IJF das übernimmt“, so Frese, der seit 14 Jahren an der Spitze des DJB steht.

Wie Oberwart lässt sich auch der Grand Prix in Düsseldorf nur durch öffentliche Unterstützung realisieren. Frese: „Der Deutsche Judo-Bund könnte das alleine nicht stemmen. So viel Geld haben wir nicht.“

Von daher ist es selbst für den DJB ein jährlicher Kampf, einen Grand Prix auszurichten. „Ganz ehrlich: Ich weiß nicht, ob das mein Team und ich auch weiterhin schaffen. Ich muss mit Stadt und Land sprechen, ob sie uns weiter unterstützen“, meint der DJB-Boss fast ein wenig gequält und lässt durchblicken, dass er an diesem Turnier doch sehr hängt. „Ich möchte es nicht aufgeben, weil mehr dahinter steckt.“

Es verlagert sich Richtung Osten

Es verlagert sich Richtung Osten
Im OK-Team von Oberwart: Martin Poiger

Die Entwicklung der Weltserien sowie die Erhöhung der Anforderungen an die Veranstalter werden durch Judo-verrückte Länder aus dem osteuropäischen Raum und Asien zusätzlich beschleunigt. „Wenn es dort einen hohen Politiker gibt, der ein Fan ist, ist es oft ein wenig leichter, an Geld zu kommen, als in einem förderalistischen System wie bei uns“, sagt Frese.

Der für den Rest zu rasante Fortschritt macht auch vor den großen Judo-Nationen nicht halt. Demnach produziert auch der Grand Slam in Paris, der als größtes Judo-Turnier der Welt gilt, ein Minus im fünfstelligen Bereich.

Von daher hält es Frese für nicht abwegig, dass immer mehr große Events künftig in den Osten abwandern.

Somit ist es wahrlich keine Selbstverständlichkeit, dass der Judo-Zirkus auch in Österreich zu Gast ist.

Reinhold Pühringer