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"Habe keine Sekunde an ein Karriereende gedacht"

Ohne Sabrina Filzmoser verkauften sich Österreichs Judo-Damen bei den abschließenden Team-Bewerben der Judo-EM in Budapest respektabel und belegten Rang fünf.

Die 32-Jährige musste von ihrem Bett in der Wiener Privatklinik Döbling die Daumen drücken und verschickte noch das eine oder andere Motivations-SMS an ihre Kolleginnen.

Um die Welserin hatte sich am Donnerstag ein kleines Drama abgespielt. Sie hatte zwar mit Silber ihre zehnte Medaille bei Großereignissen geholt, sich im Finale gegen die Französin Auomne Pavia allerdings einen Trümmerbruch im Oberarm zugezogen. Ein langes, qualvolles Warten in der Halle und in einem Budapester Krankenhaus folgte.

LAOLA1 erreichte sie per Telefon und sprach mit ihr über den Verletzungshergang, nicht vorhandene Gedanken über ein Karriereende und baldige „Ausreiß-Versuche“:

LAOLA1: Sabrina, wie geht es dir?

Sabrina Filzmoser: Mir geht es schon wieder besser und ich habe keine Schmerzen mehr.

LAOLA1: Nach deiner Untersuchung in Budapest hieß es noch, du hättest einen glatten Oberarmbruch. In Wien wurde dann aber ein Trümmerbruch festgestellt. Wie sind die unterschiedlichen Diagnosen zustande gekommen?

Filzmoser: In Budapest war es deswegen so kompliziert, weil ich dort nicht gleich drangekommen bin, lange warten musste, keine Schmerzmittel bekommen habe. Dann hatten sie dort nur ein stinknormales Röntgengerät und auf dessen Bilder hat man gesehen, dass der Oberarm halt gebrochen war. Als dann Hans-Paul Kutschera (ÖJV-Präsident und Arzt; Anm.) dazugekommen ist, hat er veranlasst, dass ich Schmerzmittel bekomme. Aufgrund der Fotos war zuerst die Rede davon, dass ich einen Nagel von der Schulter her reinbekomme. Er wollte aber, dass ich sofort nach Wien gebracht werde, damit er dort die OP am nächsten Tag vornehmen kann. Als wir am Vormittag ein CT davon gemacht haben, konnte man dann aber mehrere Frakturen sehen. Also ein Trümmerbruch. Deswegen hat man das auch nicht mit einem Nagel versorgen können. Es wurde noch ein Spezialist hinzugezogen, Doktor Florian Frisee, der das dann mit einer Platte und einigen Schrauben gerichtet hat.

LAOLA1: Wo genau am Oberarm liegt die verletzte Stelle? Weil in der Halle hatte man ja ursprünglich noch auf eine Luxation des Ellbogens getippt.

Filzmoser: Es ist in etwa fünf Zentimeter oberhalb vom Ellbogen. Der Nachteil von der Platte ist, dass du im Endeffekt den ganzen Oberarm an der Trizeps-Seite aufschneiden musst, während beim Nagel kleine Schnitte an der Schulter und unten reichen würden.

LAOLA1: Als die Meldung vom glatten Oberarmbruch die Runde machte, hieß es, dass dies aufgrund der geringeren Verletzungszeit besser als eine Luxation sei. Ist das bei einem Trümmerbruch auch der Fall?

Filzmoser: Das kann man schwer sagen. Es hängt vom Heilungsverlauf ab. Je nachdem wie schnell sich der Kallus bildet und wie gut das wieder zusammenwächst. Fixiert ist es jetzt einmal, denn mit der Platte und den Schrauben ist das bombenfest. Passieren kann mir so nichts, aber verheilen muss es letztendlich von selbst.

LAOLA1: Hast du die Situation im Finale, als dich Pavia im Finale bei deinem Bein-Angriff umgedrückt hat und die Verletzung passiert ist, noch vor Augen?

Filzmoser: Ja, einen derartigen verhunzten habe ich früher schon einmal bei ihr gemacht. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, dass ich den nicht mehr probiere. Das war ein taktischer Fehler von mir. Bei mir ist es oft so, wenn ich mir denke, mit diesem Wurf jetzt angreifen zu können, dass ich es dann nicht zu hundert Prozent durchziehe. Das hat sie schon gespürt. Als ich angesetzt habe, hat sie mich schon nach hinten gedrückt. Ich dachte mir, dass ich mich noch auf die rechte Seite weg auf den Bauch drehen kann, deswegen habe ich mit dem rechten Arm auf den Boden gegriffen. Im Endeffekt ist das ganze Gewicht von ihr und mir auf den Arm draufgefallen. Der ist dann quasi weggebrochen.

LAOLA1: Die anschließende Versorgungskette wies große Lücken auf. Zunächst kein Arzt, keine  Schmerzmittel, Schwierigkeiten wegen den Anti-Doping-Bestimmungen. Du musstest im Aufwärmbereich lange auf deinen Abtransport ins Krankenhaus warten. Das muss dir doch wie eine Ewigkeit vorgekommen sein?

Filzmoser: Ja, das war sicher so, aber ich will mich nicht lange darüber auslassen oder jemanden beschuldigen. Ich bin einfach nur froh, dass es vorbei ist, es mir jetzt wieder gut geht und ich operiert bin. Dass dann hier in Wien alles so gut organisiert wird, passiert auch nicht jedem. Von daher bin ich glücklich, auch weil ich weiß, dass es wieder wird, wie es vorher war.

LAOLA1: Du bist 32 Jahre alt, hast eine lange Verletzungshistorie und am Anfang des Jahres anklingen lassen, dass du es beinahe bereut hättest, nach den Spielen nicht einen Schlussstrich gezogen zu haben. Jetzt eine weitere schwere Verletzung. Wirft das die Frage nach einem Karriereende neu auf?

Filzmoser: Nein, nicht ein bisschen.

LAOLA1: Gab es eine Sekunde, wo du daran gedacht hast?

Filzmoser: Nein, nicht einmal als ich Schmerzen hatte. Ich wusste: Okay, wenn der Arm etwas hat, dann hat er halt was. Dass er wieder wird, dass wusste ich aber auch. Ich habe bei allen vorherigen Verletzungen nicht darüber nachgedacht und tue es auch jetzt nicht. Es ist vielmehr ein Ansporn für mich für die Reha, damit ich ein Ziel habe und jeden Tag auch alles geben kann. Mit Motivation wird der Arm schneller wieder gut. Das Ziel wird glaube ich die WM (im August in Rio; Anm.) und wenn sich das ausgeht, ist es umso schöner.

LAOLA1: Menschen aus deinem Umfeld sagen, dass du am liebsten schon wieder auf einen Berg gehen würdest.

Filzmoser: (lacht) Ja, das ist einfach mein Verlangen rauszugehen, damit es mir gut geht. Ich würde am liebsten meinen Körper bewegen, um die Medikamente und Schmerzmittel rauszuschwitzen. Dass das aber noch ein paar Tage warten und ich noch Ruhe geben muss, das weiß ich aber auch.

Das Interview führte Reinhold Pühringer