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Naht das Ende der Schwergewichtskrise?

Naht das Ende der Schwergewichtskrise?

The Fight of the Century - Der Kampf des Jahrhunderts, so trichtern es uns die übertragenden TV-Anstalten seit Wochen ein, findet in der Nacht von 2. auf 3. Mai zwischen Floyd Mayweather Junior und Manny Pacquiao statt.

Das Titel-Duell schlägt hinsichtlich Börse alles bislang dagewesene und zieht die Fans auch sportlich zurecht in seinen Bann. Es ist der Kampf, auf den man gewartet hat, der Kampf, den alle sehen wollen – im Weltergewicht.

Dass sich ein solcher Hype um den Titelfight der Gewichtsklasse bis 69 kg entwickeln konnte, liegt aber nicht nur an der perfekt geölten Marketing-Maschinerie, die Mayweather seit Jahren perfekt bedient und die ihn zum bestbezahlten Sportler der Welt machte. Er ist auch begründet in der gänzlich unattraktiv gewordenen Königsklasse, dem Schwergewicht.

Wladimir Klitschkos Aufeinandertreffen mit dem US-Amerikaner Bryant Jennings im New Yorker Madison Square Garden am Sonntagmorgen (5 Uhr) steht dagegen klar im Schatten. Ein Resultat der vergangenen Jahre.

"Klitschkos können nichts dafür"

„Die Gewichtsklasse ist im Moment tot“, attestierte Lennox Lewis seiner ehemaligen Spielwiese bereits 2012 – und seither hat sich wenig verändert. „The Lion“ war an einem der letzten Kämpfe beteiligt, der den Menschen in Erinnerung geblieben ist. Seit der „Battle of the Titans“ zwischen Lewis und Vitali Klitschko am 21. Juni 2003 sind mittlerweile aber auch schon wieder zwölf Winter ins Land gezogen.

Nach dem Rücktritt des dreimaligen Weltmeisters aus West Ham übernahmen die Klitschko-Brüder das Kommando im Schwergewicht und kontrollieren dieses dermaßen deutlich, dass man heute auf das wohl langweiligste Jahrzehnt in der Geschichte des eigentlichen Flaggschiffs im Box-Sport zurückblickt.

„Sie können ja nichts dafür, dass keiner da ist, der sie schlagen kann. Die Klitschkos sind erstklassige Leute, die sich ihren Status auch mit viel Intelligenz erkämpft haben“, schlug der langjährige Box-Kommentator Werner Schneyder im Gespräch mit LAOLA1 in dieselbe Kerbe wie viele andere Experten.

Inszenierung ohne Höhepunkt

Während sich Vitali mittlerweile im politischen Ring beweisen muss, verwaltet sein jüngerer Bruder Wladimir die Titel der IBF, WBA und WBO. Einzig der WBC-Titel, den Vitali von 2004 bis 2005 sowie 2008 bis 2013 innehatte, fehlt dem 39-Jährigen in seiner Sammlung. Das Duell der beiden Brüder hätte die Boxwelt mit Spannung erwartet, dies gab es ob eines Versprechens der Klitschkos an ihre Mutter aber nie und wird es auch nicht geben.

So muss man sich mit Gegnern zufriedengeben, die großteils keine solchen sind. Auch wenn Wladimir jeden Kontrahenten starkredet; nie kamen in den vergangenen Jahren Zweifel an den Erfolgen von „Dr. Steelhammer“ auf. Man hat sich daran gewöhnt, dass Klitschko am Ende eines Kampfes nahezu schweißfrei den Sieg davonträgt, ebenso wie an seine Zögerlichkeit, wenn es darum geht, einen Fight vorzeitig zu beenden.

Manch einer vermutet dahinter sogar Taktik, um das vermeintliche Spektakel zumindest ein wenig in die Länge zu ziehen. Denn was „RTL“, das die Klitschko-Kämpfe seit 2006 überträgt, vor jedem Auftritt des Weltmeisters inszeniert, ist Show und Unterhaltung auf höchstem Niveau – allein was im Ring folgt, wird dem nicht ansatzweise gerecht.

„Boxen ist ein totaler Fernsehsport geworden, deshalb betreiben die Sender einen solchen Zirkus. Kein Kommentator sagt heute noch offen, das es ein scheiß Kampf ist, auch wenn es so ist. Es wird alles hochgejubelt. Aber die Leute lassen sich ja nicht für dumm verkaufen“, meint Schneyder.

Ex-Schwergewichtler Axel Schulz kritisierte nach Klitschkos Kampf gegen Alex Leapai im April des vergangenen Jahres den eklatanten Niveau-Unterschied der beiden Kontrahenten und meinte gegenüber „Focus online“: „Das war ein Witz. Wladimir hat mit ihm gespielt. Das hat ausgesehen wie in einem Spielfilm. In der fünften Runde hat sich Klitschko dann wohl gedacht: 'Jetzt reicht's!' und den Australier umgehauen.“

Knackpunkt USA

Gründe für die Krise des Boxens insgesamt und jene des Schwergewichts im speziellen gibt es einige. Ihren Ursprung hat sie aber wohl in den USA.

Trotz der riesigen Bevölkerung schaffte es das Mutterland des Boxens in den letzten Jahren nicht, einen konkurrenzfähigen Schwergewichtler an die Spitze zu bringen.

„Variationen wie Taiboxen, Cage Fight oder Mixed Martial Arts ziehen viele Kapazitäten ab. Das nimmt dem Boxen grundsätzlich viel weg", sieht Schneyder eines von mehreren Problemen. "Das Boxen hat sich sozusagen aber auch selbst der Wachstumskatastrophe ausgeliefert. Mit vier Weltverbänden duldet man im schlimmsten Fall vier Weltmeister, dazu gibt es zig Europameister, EU-Meister, Interkontinentalmeister, Juniorenweltmeister, … Bei all den Titeln kennt sich kaum noch jemand aus.“

Zudem schreckt seiner Meinung nach das gesundheitliche Risiko heute viele vom Boxsport ab: „Mittlerweile weiß man ja auch welche Spätfolgen das hat. Man hat genug Wracks gesehen.“

Amerika auf dem Weg zurück?
 
Das faustkampfaffine amerikanische Publikum vermisste in den vergangenen Jahren aber nicht nur einen Local Hero, auch mit den ausländischen Dominatoren konnte es sich nich anfreunden. Zu unspektakulär war der Stil der Klitschkos stets für ihren Geschmack.

Die treibende Kraft und ein enorm wichtiger Markt fielen dem Schwergewicht weg, weil die Zuschauer in den niedrigern Klassen fanden, was sie begehrten: Typen. Erfolgreiche Typen.

Mit Bryant Jennings darf sich am Sonntag wieder einmal ein US-Amerikaner auf höchstem Schwergewichts-Niveau beweisen, wenngleich ihm nicht zuzutrauen ist, dass er dieser Aufgabe gewachsen sein wird.

Zwar gilt der 30-Jährige als großes Talent, doch ihm fehlt schlicht die Erfahrung. Erst vor sechs Jahren begann er mit dem Boxen, lediglich 19 Profi-Kämpfe stehen zu Buche, bis Sommer 2014 arbeitete er nebenbei noch als Hausmeister und Mechaniker. Auch die Buchmacher geben dem Mann aus Philadelphia wenig Chancen und zahlen für einen Sieg Jennings rund den zehnfachen Einsatz aus.

Dennoch scheint in den USA so etwas wie Aufbruchstimmung zu herrschen. "Es ist enorm, was in den USA im Schwergewiwcht wieder los ist. Wir hatten für Wladimirs Kampf bis zu 1000 Akkreditierungsanfragen", erklärte Klitschko- Manager Bernd Bönte dem "SID" und freute sich: "Es ist gut, dass das Flaggschiff des Boxens wieder in Bewegung kommt."

Der Hoffnungsträger

Großen Anteil daran hat Deontay Wilder. Der 29-Jährige sicherte sich im vergangenen Jänner mit einem einstimmigen Punktsieg gegen Bermane Stiverne den WBC-Titel und holte erstmals nach acht Jahren wieder einen Schwergewichts-WM-Gürtel in die Vereinigten Staaten.

2008 gewann er bei den Olympischen Spielen in Peking die Bronze-Medaille und auch seine Profi-Bilanz kann sich sehen lassen. Bis zum Fight gegen Stiverne absolvierte er 32 Kämpfe und feierte ebenso viele Siege - jeden einzelnen davon durch K.o.

Der athletische, 2,01 m große Boxer aus Tuscaloosa besticht durch Reichweite, Beweglichkeit, harte Schläge und er macht keine Kompromisse. Die besten Voraussetzungen, um ein Großer zu werden.

Vielleicht groß genug, um das Schwergewicht in Amerika wieder populär zu machen und ihm damit das Prestige zurückzugeben, dass es in den letzten Jahren verloren hat.


Christoph Kristandl