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"Hin und wieder mache auch ich die Augen zu"

Nikola Marinovic ist wie guter Rotwein. Je älter der österreichische Teamtorhüter wird, umso besser wird er auch.

Der 36-Jährige gab vor kurzem seinen Wechsel von Wetzlar nach Göppingen bekannt und war sogar für das All-Star-Team der deutschen Handball Bundesliga nominiert.

Bei LAOLA1 spricht der gebürtige Serbe über das erfolgreichste Jahr seiner Karriere und eine mögliche Rückkehr nach Österreich. Außerdem erzählt er von seinen Anfängen als Torhüter und warum ein Trainer ständig versuchte, ihn zu erschrecken, um ihm schlussendlich den Beinamen „Stahlblick“ zu verleihen.

LAOLA1: Anfang Dezember wurde bekannt, dass du nach dieser Saison für zwei Jahre zu Frisch Auf Göppingen wechseln wirst. Warum verlässt du Wetzlar, nachdem es doch hervorragend für dich läuft?

Nikola Marinovic: Prinzipiell muss gesagt werden, dass das ganze Paket in Wetzlar stimmt. Wir sind erfolgreich, meine Leistungen stimmen, mein Verhältnis zum Trainer und der Mannschaft ist sehr gut. Die Verhandlungen sind allerdings nicht so verlaufen, wie ich mir das vorgestellt habe und die Strukturen, auch wer mit wem verhandelt, sind in Wetzlar nicht so toll, wie bei anderen Vereinen. Ich habe mit dem Geschäftsführer gesprochen und unsere Ansichten, die Vertragsverlängerung betreffend, gingen auseinander. Ich wollte eigentlich verlängern, aber es war eine komische Geschichte. Wir sind aber nicht im Streit auseinandergegangen, wir verstehen uns nach wie vor gut und ich freue mich auf die restlichen sechs Monate mit der HSG.

LAOLA1: Warum hast du dich schon so früh entschieden, den Verein zu wechseln und nicht noch ein bisschen abgewartet?

Marinovic: Göppingen wollte eine rasche Entscheidung und dann spielte natürlich die Familie eine wichtige Rolle. Wir erwarten im kommenden Jahr unser zweites Kind und die Eltern meiner Frau leben im Allgäu bzw. ihre Schwester in Bregenz (Anm.: von Göppingen ca. 2 Autostunden entfernt). Außerdem darf man nicht vergessen, dass Göppingen eine tolle Handball-Adresse in Deutschland ist. Auch wenn es in diesem Jahr nicht so läuft, ich werde mich bemühen, dass sich das im kommenden Jahr ändert (lacht).

LAOLA1: Du hast erst mit 33 den Sprung in die deutsche Bundesliga geschafft und dich, sowohl die Vereine als auch deine Leistung betreffend, kontinuierlich gesteigert. Würdest du sich selbst als Spätzünder bezeichnen?

Marinovic: Es sieht fast so aus. Bevor ich nach Österreich gekommen bin, war ich nicht immer die Nummer eins. Ich war gut, aber nicht mit vollem Herzen bei der Sache. In Österreich bin ich dann Stammkeeper geworden, bin in die Nationalmannschaft gekommen und habe eine neue Herausforderung gefunden. Ich wurde reifer und als ich meine Frau kennengelernt habe, habe ich mehr Stabilität in mein Leben bekommen und einen Reifeprozess durchlaufen. Gottseidank bin ich von schweren Verletzungen verschont geblieben, habe die nötige Erfahrung gesammelt und dann ist alles möglich. Als Torhüter ist es einfacher, mit 36 Jahren noch Topleistungen zu bringen als auf dem Feld.

Marinovic überzeugt in der Bundesliga

LAOLA1: Wenn man die Karrieresprünge der letzten Jahre betrachtet, müsstest du in zwei Jahren beim THW Kiel spielen?!

Marinovic (lacht): Das wäre schön. Nein,  ich wäre zufrieden, wenn ich die zwei Jahre gut spiele und, wenn es wirklich sehr gut läuft, kann ich ja eventuell noch um ein Jahr verlängern. Dann möchte ich zurück nach Vorarlberg gehen.

LAOLA1: Der Plan nach deinem Deutschland-Abenteuer ist also eine Rückkehr nach Bregenz?

Marinovic: Ja, wir planen das schon lange, da die vier Jahre in Bregenz für mich wunderschön waren. Meine Frau und ich haben Bregenz für uns entdeckt und haben sehr viele Freunde dort. Ich möchte noch ein Jahr in Vorarlberg Handball spielen und dann, gemäß meines abgeschlossenem Studiums, im Bereich des Sportmarketings tätig sein.

LAOLA1: Du sagst in Vorarlberg und nicht explizit Bregenz. Heißt das, du könntest dir auch vorstellen, in Hard anzuheuern?

Marinovic: Ich habe sehr gute Beziehungen zu Roland Frühstück und Bregenz und könnte mir durchaus vorstellen, dort meine Karriere zu beenden. Diesbezüglich will ich aber keine Prognosen abgeben, denn es kann sein, dass ich auch zum HC Hard gehe. Beide Vereine haben derzeit richtig gute Torleute und ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Ich weiß nicht, ob einer der Vereine überhaupt Platz für mich hat. Handball in Vorarlberg ist noch immer die Nummer eins in ganz Österreich und das was dort passiert, passiert sonst nirgendwo.

LAOLA1: Kommen wir zurück zur Bundesliga. Du warst für das „All-Star-Team“ nominiert, am Ende hattest du aber zu wenig Stimmen der Fans auf deiner Seite. Bist du enttäuscht, dass es nicht geklappt hat?

Marinovic: Nein, aber natürlich wäre es eine tolle Geschichte gewesen. Aber es ist doch schön, dass ich überhaupt zur Wahl stand und es ist eine Anerkennung meiner Leistungen in diesem Jahr.

LAOLA1: War es sportlich gesehen dein erfolgreichstes Jahr?

Marinovic: Seit ich in der Bundesliga bin, auf jeden Fall. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Entwicklung. Handball macht mir einfach Riesen-Spaß und bei dem Erfolg, den wir haben, ist es doppelt schön.

LAOLA1: Im Nationalteam gehörst du auch zu den Führungsspielern. Wie siehst du die Entwicklung unter Trainer Patrekur Johannesson?

Marinovic: Unter Magnus Andersson hatten wir einen kleinen Einbruch, doch jetzt sind wir wieder auf einem guten Weg. Es ist schade, dass wir die WM-Qualifikation gegen Mazedonien verpasst haben, denn die wären zu schlagen gewesen. Wir brauchen noch Zeit, denn die jungen Spieler haben zwar Potential, müssen aber noch mehr Verantwortung übernehmen. Das ist ein Lernprozess und wir müssen als Mannschaft noch wachsen.

LAOLA1: Es gibt zwar junge Spieler im ÖHB-Team, auf der Torhüter-Position kommt aber wenig nach. Warum ist das so?

Marinovic: Das weiß ich leider auch nicht. Nach mir und Thomas Bauer, der auch in Deutschland spielt, sind da noch Christian Aigner und Wolfgang Filzwieser. Die beiden haben leider nie den Sprung ins Ausland geschafft, keine Erfahrungen gesammelt und teilweise auch nur als Halbprofis Handball gespielt. Das bringt dich natürlich auf Dauer nicht nach vorne.  Im 94er-Jahrgang soll es zwei gute junge Torleute geben, aber denen fehlt es auch an Spielpraxis auf einem gewissen Niveau. In Zukunft muss man in der Jugend besser mit den Torhütern arbeiten.

LAOLA1: Wäre das ein Job, der dich reizen würde?

Marinovic: Ich habe mich bereits mit Generalsekretär Martin Hausleitner und Teamchef Patrekur Johannesson gesprochen, denn es muss einen dauerhaften Plan und regelmäßige Betreuung für die jungen Sportler geben.  Ich habe ein Konzept erarbeitet und will das auch in der Zukunft mit den zuvor genannten Personen besprechen. Ehemalige Torleute wie Ewald Hummenberger oder Thomas Huemer haben ihre Unterstützung zugesichert und das freut mich.

LAOLA1: Wieso hast du dich damals als junger Bub entschieden, ins Tor zu gehen?

Marinovic: Mit elf Jahren haben wir in der Schule Handball gespielt und mein bester Freund, der eigentlich Fußball-Torwart war, war unser bester Spieler. Ich hatte mich gerade von einem Schienbeinbruch erholt und mich ins Tor gestellt. Danach spielten wir ein Turnier und ich war wirklich gut. Von diesem Moment an, wollte ich nur noch Handball spielen, aber auch nur im Tor. Als der Handball-Trainer im Verein mich gesehen hat, freute er sich, da ich sehr groß war und wollte mich sofort im Rückraum spielen lassen. Ich habe aber gleich klargestellt, dass ich ins Tor will und habe die Entscheidung nie bereut (lacht).

LAOLA1: Es heißt, Torhüter sind ein bisschen verrückt. Würdest du dich so bezeichnen?

Marinovic: Das musst du sein, um den Mut aufzubringen, denn du bist alleine da hinten. Manchmal hast du zwar Hilfe, aber oft kommt der Spieler alleine auf dich zu und um dich ihm dann in den Weg zu stellen, musst du schon ein bisschen positiv verrückt sein.

LAOLA1: Hattest du jemals Angst?

Marinovic: Nein, überhaupt nicht. Ein Trainer in Serbien hat immer versucht, mich im Training zu erschrecken und ein Zusammenzucken zu provozieren. Aber ich habe nicht mal geblinzelt. Er hat danach immer zu mir gesagt, ich hätte einen Stahlblick. Hin und wieder mache aber auch ich die Augen zu, aber das liegt nicht daran, dass ich Angst habe.

LAOLA1: Was wünschst du dir für das Jahr 2013?

Marinovic: Gesundheit und dass wir mit der Nationalmannschaft die Qualifikation für die Europameisterschaft schaffen. Und natürlich, dass ich so weiterspiele (lacht).

Das Interview führte Sebastian Rauch