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Gegen ein Team mit nur vier Kataris

Gegen ein Team mit nur vier Kataris

Gerade einmal vier Spieler, die Katar bei der Handball-WM im eigenen Land ins Achtelfinale gegen Österreich (Sonntag, 16:30 Uhr) warfen, sollen tatsächlich auch in Katar geboren worden sein.

Der Rest stammt aus Europa, Nordafrika, Süd- und Mittelamerika. Das liebe Geld, wovon im kleinen Emirat dank der großen Erdgas-Reserven große Mengen vorhanden ist, hat sie hierher gelockt.

Nun spielen sie in einer zusammengekauften „Weltauswahl“, welche durch ihre bloße Existenz die Frage aufwirft, ob das IHF-Regulativ hier nicht eine Lücke aufweist.

Weltklasse mit Reisepass

Die Bedingungen, die an einen Nationenwechsel geknüpft sind, stimmen durchaus nachdenklich. Drei Jahre muss ein Spieler in Folge warten, ehe er erstmals für sein neues Land auflaufen darf. Eine Regelung, die abschreckt, wie ÖHB-Generalsekretär Martin Hausleitner weiß: „Dadurch hat Katar nur Spieler bekommen, die woanders in der zweiten Reihe stehen.“

Diese können sich aber allemal sehen lassen. Mit Ex-Barcelona-Goalie Danijel Saric und dem langjährigen Bundesliga-Profi Goran Stojanovic verfügt Katar über ein Torhüter-Gespann von Weltklasse-Format. „Die haben absolutes Top-Niveau“, bestätigt Österreichs Nummer eins, Nikola Marinovic, der die beiden von der gemeinsamen Zeit bei Roter Stern Belgrad gut kennt.

Hinzu kommen unter anderem mit dem ebenfalls aus Ex-Jugoslawien stammenden Zarko Markovic und dem Franzosen Bertrand Roine zwei mächtige Rückraum-Shooter, vor denen ÖHB-Teamchef Patrekur Johannesson Respekt zeigt. Sie alle stehen nun bei katarischen Klubs unter Vertrag.

Ausgeklügelte Vorbereitung

Gespickt mit Valero Rivera auf der Trainerbank, der seine spanische Heimat 2013 zum WM-Titel im eigenen Land führte, ergibt das eine „hoch explosive“ Mischung, die sich in der Vorrundengruppe A vor Slowenien überraschend den zweiten Platz sicherte.

Zudem genoss die zusammengekaufte katarische Mannschaft auch die längste Vorbereitungszeit aller Auswahlen im Turnier. Und zwar mit Abstand. Um beim prestigeträchtigen Heim-Event möglichst gut abzuschneiden, ruht der heimische Liga-Betrieb bereits seit August.

Zum Vergleich: Österreich und andere europäische Nationen konnten erst nach Weihnachten mit den Vorbereitungen beginnen.

Vor der eigenen Türe

Dass man sich mit Geld (fast) alles kaufen kann, kennt der Sportfan hierzulande nur allzu gut von den Transferphasen im internationalen Fußball. Dass dies jedoch auch am Nationalteam-Sektor derartig gelebt wird, ist neu und deshalb irritierend.

Kritik aus dem österreichischen Lager wird es hierzu aber keine geben. „Wenn wir uns zurückerinnern, was wir in den 90er-Jahren auf dem Damen-Sektor gemacht haben, sind wir die Letzten, die in dieser Hinsicht mit dem Finger auf jemanden zeigen dürfen“, kehrt Hausleitner lieber vor der eigenen Tür. Damals wurden mehrfach Top-Spielerinnen aus dem ehemaligen Ostblock eingebürgert, wie etwa die frühere Welthandballerin Ausra Fridrikas.

„Glücklicherweise ist der ÖHB von diesem Weg mittlerweile abgekommen“, so Hausleitner, der die Problematik aber auch aus dem aktuellen Herren-Team kennt.

Nicht ganz das Gleiche

In WM-Kader befinden sich zahlreiche Spieler, welche nicht von Geburt an österreichische Staatsbürger waren, darunter etwa Viktor Szilagyi oder Raul Santos. Der aktuell „jüngste“ Österreicher ist Romas Kirveliavicius, der erst vergangenen Sommer eingebürgert wurde.

Dass bei den Österreichern jedoch andere Motive als bei den Kataris dahinterstehen, dessen ist sich auch Hausleitner bewusst: „Bei uns handelt es sich um Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt nach Österreich verlegt haben.“ In anderen Nationen sei das nichts anderes.

Für Hausleitner ist das auch der Grund, warum er „ein schlechtes Gefühl“ hätte, wenn die IHF hierbei die Regularien der FIFA übernehmen würde. Im Fußball ist nach Einsätzen in Nachwuchsländerspielen nämlich kein Wechsel mehr möglich. „Wenn ein Spieler dann tatsächlich sein Leben in ein anderes Land verlegt, würde er nie für seine neue Heimat spielen können. Ist das wirklich gut? Sport soll doch integrierend wirken“, so Hausleitner.

Die Ausnahme

So offensiv wie Katar habe die Einbürgerungspolitik bisher jedoch noch nie jemand betrieben.

Einen Anlass für die IHF, ihre Bestimmungen zu ändern, sieht der Tullner darin aber nicht. „Auch wenn das Beispiel außergewöhnlich ist, bleibt es überschaubar, da außer Katar kein anderes Land dazu im Stande ist.“

Aus Doha berichtet Reinhold Pühringer