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Eine Kata(r)strophe für den Handball-Sport

Eine Kata(r)strophe für den Handball-Sport

Obwohl die Handball-WM in Katar noch im Gange ist, zeichnet sich bereits eine recht zwiespältige Bilanz ab.

Während auf der einen Seite das am professionellsten aufgezogene Handball-Großereignis aller Zeiten steht, manövriert sich auf der anderen Seite der Handball-Sport in eine veritable Glaubwürdigkeits-Krise.

Für den Zuschauer entstand in den letzten Wochen der Eindruck, dass wirtschaftliche und politische Interessen für den Weltverband (IHF) wichtiger sind als sportliche Kriterien.

Beginn beim Positiven

ÖHB-Verantwortliche und -Spieler zeigten sich beeindruckt, welche Standards ihnen auf und abseits des Courts geboten wurden.

Luxus-Hotels mit großen Zimmern und grandioser Verpflegung. „Wir wurden auch schon vor anderen Turnieren nach unseren Wünschen gefragt. Mit dem Unterschied, dass wir damals halt oft trotzdem nicht das bekommen haben, was wir bestellt hatten“, erinnert sich ÖHB-Generalsekretär Martin Hausleitner. Damit sich die Kontrahenten in ihrer Freizeit aus dem Weg gehen konnten, hatte jedes Team für die Mahlzeiten sogar einen separaten Speisesaal.

Die Bus-Transfers klappten im Gegensatz zur WM vor zwei Jahren in Schweden reibungslos. Dank Polizei-Eskorte gingen die Verbindungen trotz des teils recht kniffligen Verkehrs stets auf die Minute genau über die Bühne.

Die drei Spielstätten Lusail, Duhail und Al-Sadd sind von allerhöchster Qualität. Zusätzliche Aufwärmhallen sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Abgerundet durch die Werbung, die sich in der Stadt stellenweise über ganze Hochhaus-Fassaden erstreckte, setzte diese WM neue Maßstäbe, die so schnell nicht mehr erreicht werden.

Die Schattenseiten

Wenn sich am Mittwoch im Viertelfinale die Teams aus Deutschland und Katar gegenüberstehen, erreicht der Handball-Sport einen neuen Gipfel an Absurdität.

Auf der einen Seite die DHB-Auswahl, die sportlich gesehen, in Katar überhaupt nicht teilnehmen dürfte. Nach dem Aus im Quali-Playoff gegen Polen hatte die IHF den qualifizierten Australiern kurzerhand den Startplatz weggenommen und Deutschland eine Wildcard verpasst.

Es gebe in Ozeanien derzeit keinen von der IHF anerkannten Kontinental-Verband, hieß es in einer offiziellen Begründung. Es gebe dort zu wenige Nationalverbände. Ein Umstand, der zwar an und für sich richtig ist, aber die IHF in der Vergangenheit nicht daran gehindert hatte, die Australier seit 1999 an sieben von acht Endrunden teilnehmen zu lassen.

„Es ist doch allen klar, dass das eine Lex Deutschland ist. Die IHF braucht Deutschland und hat nun einen äußerst fragwürdigen Weg gefunden“, brachte es der ehemalige deutsche Welthandballer Daniel Stephan gegenüber dem SID auf den Punkt. Schließlich ist der deutsche Markt der wichtigste im internationalen Handball. Der „Spiegel“ schreibt von hohen finanziellen Einbußen des EM-Veranstalters von 2014, weil die DHB-Truppe damals die Quali nicht geschafft hatte. Ein Szenario, dass die IHF offenbar zu vermeiden versuchte.

Die Neu-Definition einer WM

Während also auf der einen Seite eine Mannschaft steht, die mutmaßlich nur aufgrund der Wirtschaftsstärke in Doha ist, steht auf der anderen mit Katar eine Landesauswahl, die streng genommen gar keine ist.

Schließlich handelt es sich nicht um die besten Handballer, die Katar hervorgebracht hat, sondern um eine um teures Geld zusammengekaufte Truppe aus der halben Welt. Natürlich gibt es praktisch in jeder Nation Einbürgerungen, aber nicht aufgrund rein monetärer Gründe.

Die Auffassung, bei einer Weltmeisterschaft würden die besten Handballer der diversen Länder ihre Besten ermitteln, wird von der Multikulti-Truppe für überholt erklärt.

Die Überraschung des Turniers

Damit nicht genug, mausert sich die von Valero Rivera betreute Mannschaft zur Turnier-Überraschung. Dass ein langer Verbleib des Gastgebers wichtig für die Atmosphäre in den Hallen ist, liegt auf der Hand.

Wenn aber auch noch einige Schiedsrichter-Entscheidungen recht glücklich für Katar ausfallen, glaubt der Betrachter allmählich das Gras wachsen zu hören und stellt sich die Frage, ob bei der Handball-WM tatsächlich noch der Sport im Vordergrund steht.


Aus Doha berichtet Reinhold Pühringer