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Richard Wöss und sein Weg in die Bundesliga

Richard Wöss und sein Weg in die Bundesliga

Was haben Viktor Szilagyi, Robert Weber, Roland Schlinger, Nikola Marinovic und Richard Wöss gemeinsam?

Alle verdienen ihre Brötchen in der deutschen Bundesliga und alle sind österreichische Nationalspieler. Während so manchem Sportfan die ersten vier Herren ein Begriff sein dürften, ist es wohl nur Handball-Interessierten vorbehalten, Letzteren zu kennen.

Und das obwohl der rechte Flügel zu den talentiertesten und besten Handballern dieses Landes zählt. In Österreich bei den Fivers sein Handwerk erlernt, wechselte der Linkshänder 2008 innerhalb der HLA nach Innsbruck.

Ein Transfer, den zum damaligen Zeitpunkt wohl nur die Wenigsten nachvollziehen konnten, spielten die Wiener doch seit 2006 um die Meisterschaft mit, während die Tiroler nicht mal von den kühnsten Optimisten als mögliche Titelkandidaten gehandelt wurden.

Weg über die zweite Liga

Doch Wöss übersiedelte samt Frau und Kind im Alter von 22 Jahren in den Westen Österreichs und sollte es in der Folge nicht bereuen.

„Ich bin der Meinung, das Wichtigste ist in jungen Jahren viel zu spielen. Das war damals auch der Grund, warum ich nach Innsbruck gewechselt bin. Bei einem kleineren Verein kann man mehr Verantwortung übernehmen und das ist als junger Spieler sehr wichtig. Wenn man zwei, drei Jahre in der HLA Stammspieler gewesen ist, kann man den Sprung ins Ausland durchaus wagen“, sagt der mittlerweile 25-Jährige im Gespräch mit LAOLA1.

Er selbst hat es bei seiner eigenen Karriere vorgemacht, denn nach zwei Jahren in der Tiroler Landeshauptstadt, wagte er den Schritt ins benachbarte Deutschland. Allerdings führte ihn sein Weg nicht zu einem Erstligisten.

„Der Transfer nach Deutschland war zum richtigen Zeitpunkt. Über Österreich in die erste Bundesliga zu kommen ist schwierig, außer man kann sich bei Turnieren über das Nationalteam empfehlen. Die zweite Liga war ein gutes Blickfeld, um in die erste Liga zu kommen. Es war genau richtig“, ist der Torschützenkönig der Junioren-EM 2006 zufrieden.

Nach zwei weiteren Jahren beim Traditionsverein TUSEM Essen führte ihn sein Weg zum Bergischen HC, der bei Vertragsunterschrift aber noch in der zweiten Liga um den Aufstieg kämpfte.

Wöss mit dem deutschen Weltmeister von 2007 Markus Bauer

Stammplatz bei den „Bergischen Löwen“

Doch wie schon zuvor in seiner Karriere zahlte sich das Wagnis aus. Die „Löwen“ schafften den Aufstieg in die Bundesliga und machten Wöss somit zum Erstliga-Profi.

Am 7. September 2011 gab „Richy“ sein Debüt in der HBL gegen Lemgo und ließ nach 57:57 Minuten seinen ersten Treffer, nachdem er kurz zuvor einen Wurf verworfen und eine Zwei-Minuten-Strafe kassiert hatte, folgen.

In den nächsten Spielen gewann der Rechts-Außen immer mehr Sicherheit und konnte in acht Spielen 28 Treffer erzielen.

„Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf der Dinge. Bis auf das Spiel in Hamburg habe ich gut gespielt und bin in der Mannschaft auch gesetzt“, freut sich der Flügel über seinen Einstand in der Bundesliga und kann schon nach den ersten Spielen den Handball-Sport in Österreich auch mit jenem in seiner Wahlheimat vergleichen:

„Es ist ein gewaltiger Unterschied, gerade was die Torhüter betrifft. Aber auch das Gesamtpaket ist ein anderes. Die Hallen, die Zuschauer, die Stimmung und die Professionalität, mit welcher in Deutschland gearbeitet wird, sind schon beeindruckend.  Das beginnt schon im Training. Es gilt sich sich stetig weiterzuentwickeln, um sich auf Dauer behaupten zu können“, nennt der 187-cm-große Außen die gravierendsten Differenzen.

Und während in Österreich der Name Wöss wie eingangs erwähnt nur der Handball-Community bekannt sein dürfte, erkennen ihn in Deutschland die Fans auf der Straße.

„Man merkt, dass der Sport in Deutschland einen anderen Stellenwert hat als bei uns in Österreich. Die Anfragen für Interviews sind viel mehr. In Solingen, obwohl es knapp 150.000 Einwohner hat, erkennen dich die Leute auf der Straße. Jeder kennt den Bergischen HC. In den Zeitungen ist jeden Tag ein Bericht über Handball zu lesen und die Bevölkerung zeigt großes Interesse am Sport“, freut sich der Profi über seine neugewonnene Popularität.

Kleine Rückschläge

Doch während im Verein und im Privatleben, Wöss ist gerade erst Vater einer gesunden Tochter geworden, alles nach Plan läuft, gibt es in Sachen Nationalteam noch Nachholbedarf.

Kein geringerer als Robert Weber, der in der vergangenen Saison nur um Haaresbreite die Torjägerkrone in der deutschen Bundesliga verpasste und sich mit Platz zwei begnügen müsste, ist der Konkurrent um den Stammplatz in rot-weiß-rot.

„Robert und ich verstehen uns super, aber jeder will natürlich im Nationalteam spielen. Ich habe zuletzt wenig gespielt, vor allem, wenn es wichtige Spiele waren. Das möchte ich ändern und werde den Konkurrenzkampf so eng wie möglich gestalten. Dass Robert gesetzt ist, wird wahrscheinlich so sein, aber ich werde versuchen, das zu ändern“, blickt Wöss lieber nach vorne als zurück.

Misserfolge, die in der Vergangenheit liegen, sind für den positiven Familienvater ohnehin nicht von Bedeutung. So hat er auch den Rückschlag bei der Europameisterschaft 2010 im eigenen Land hinter sich gelassen, als der damalige Teamchef Dagur Sigurdsson ihn als letzten Feldspieler einen Tag vor dem ersten Gruppenspiel aus dem Kader gestrichen hatte.

„Natürlich wäre ich gerne dabei gewesen und es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen mir und Michael Knauth. In erster Linie war ich froh, dass wir als Mannschaft so weit gekommen sind. Jetzt bin ich als fixer Bestandteil beim Nationalteam und über die Vergangenheit denke ich nicht mehr nach.“

Nichts zu bereuen

Und sollten sich dennoch mal negative Gedanken einschleichen, vertraut Wöss auf seine Familie, die ihm in schwierigen Momenten zur Seite steht.

„Meine Familie ist mein großer Rückhalt, denn ich freue mich immer sehr, wenn ich zu meiner Frau und den Kindern nach Hause kommen kann“, sagt Wöss und fügt hinzu:

„Egal ob privat oder beruflich, könnte ich nochmals entscheiden, würde ich alles nochmals ganz genau gleich machen.“

Sebastian Rauch