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"Ich bin schon viel ruhiger geworden"

Thomas Bauer war das Feindbild der 7.000 mazedonischen Fans im Hinspiel der WM-Qualifikation in Skopje.

Der zweite Torhüter der Österreicher kam nach einer schwachen Leistung von Nikola Marinovic ins Tor und konnte sofort mit guten Paraden auf sich aufmerksam machen. Neben seinen sportlichen Leistungen fiel der ehemalige Fivers-Schlussmann aber auch mit einigen emotionalen und provozierenden Jubelposen auf, die dem Anhang der heimischen Sieben so gar nicht schmeckten.

Besonders seine Aktion beim gehaltenen Siebenmeter gegen Superstar Kiril Lazarov, als Bauer ihm mit gestreckter Faust ein paar Meter nachlief, stieß den Mazedoniern sauer auf. Von diesem Moment an war die Partie für die Österreicher und insbesondere für den Torhüter ein Spießrutenlauf.

„Mit Fortdauer des Spiels habe ich eigentlich gänzlich darauf verzichtet, eine Parade zu bejubeln. Das muss man mal schaffen, einem Sportler das auszutreiben“, zeigte Bauer eine Reaktion auf die Anfeindungen.

Sein Trainer Patrekur Johannesson weiß um die emotionale Art seines Torhüters und war mit seinen provozierenden Aktionen auch nicht ganz einverstanden.

"Das war zu viel und das habe ich ihm auch mitgeteilt. So will ich das nicht mehr sehen. Aber er weiß das selbst“, stellte der Isländer bei der Pressekonferenz vor dem Rückspiel klar.

LAOLA1 hat mit Bauer über die Aktionen im Spiel gegen Mazedonien gesprochen und erfahren, was Johannesson seinem Schützling mit auf den Weg gegeben hat. Außerdem erhebt der 26-Jährige Vorwürfe gegen die Ordner und spricht über seine „Auszucker“.

LAOLA1: Der Teamchef hat mit dir über deine Aktion im Spiel gegen Mazedonien gesprochen. Was hat er dir genau gesagt?

Thomas Bauer:  Er sagte, wir sind Männer und können ehrlich miteinander umgehen. Meine sportliche Leistung empfand er als sehr gut. Meine emotionale Art möchte er auch nicht verändern. Von meiner Motivation profitiere auch die Mannschaft, allerdings müsse ich aufpassen, dass ich mit all dem, was ich nebenher mache, den Gegner nicht stark mache. Jemand, den man provoziert, wird eine Reaktion zeigen und die könnte der Mannschaft schaden, wenn er dadurch eine noch bessere Leitung bringt. Er hat mir das als Tipp gegeben und nicht als verpflichtende Maßnahme. Er ist ein erfahrener Mann und ich werde seine Meinung auch berücksichtigen. Allerdings habe ich ihm auch gesagt, dass es in Mazedonien eine Ausnahmesituation war.

LAOLA1: Du galtst aber schon zu deiner Zeit bei den Fivers als Heißsporn.

Thomas Bauer: Ich bin in den letzten Jahren aber deutlich ruhiger geworden. Ich sehe Aktionen von früher mittlerweile auch kritischer. Ich bin aufgrund dieser Unsportlichkeit des Publikums rückfällig und ein bisschen zum Hulk geworden (lacht). Das war aber eine einmalige Sache und ist natürlich ein Lernprozess. Wir fahren in der EM-Qualifikation nach Serbien, Russland und Bosnien. Da wird es von den Rängen her nicht ruhiger sein als in Skopje. Daher war das Hinspiel in Mazedonien auch ein bisschen ein Lernspiel.

Die Jubelposen Bauers gefielen dem Publikum nicht

LAOLA1: Sind diese „Auszucker“ bewusste Aktionen oder bekommst du das in der Emotion gar nicht mit?

Bauer: Es ist ja nicht so, dass mir die Sicherungen durchgebrannt sind. Es war alles in einem sportlichen Rahmen und es gibt nichts, wofür ich mich entschuldigen müsste. Ich habe die Rechnung vom Publikum auch präsentiert bekommen. Mit Fortdauer des Spiels habe ich eigentlich gänzlich darauf verzichtet, eine Parade zu bejubeln. Das muss man mal schaffen, einem Sportler das auszutreiben. Das wurmt mich ohnehin, wenn es Zuschauer schaffen, dass man sich verändert. Es war aber notwendig, denn wir haben uns intern darauf geeinigt, dass wir das Publikum ausblenden und uns gegenseitig stark machen. Das ist uns auch in gewisser Weise gelungen.

LAOLA1: Du wurdest in der zweiten Halbzeit mit Gegenständen beworfen. Was flog dir da alles um die Ohren?

Bauer: Münzen, Lippenstifte, Feuerzeuge und zusammengequetschte Bierdosen. Alles, was einiger Maßen gut fliegt und auch wehtun könnte.

LAOLA1: Wurdest du getroffen?

Bauer: Die Bierdose hat mich getroffen, aber zum Glück nicht am Kopf. Der Rest ist an mir vorbeigeflogen, aber auch nur weil ich mich gegen Ende des Spiels in der Mitte des Spielfeldes aufgehalten habe. Im Tor, wo die Zuschauer einen halben Meter dahinter sitzen, war ich bei unseren Angriffen nicht mehr.  Die Ordner waren auch keine Hilfe, denn die haben uns ebenfalls beschimpft, waren nur zu zehnt und im Schnitt 80 Jahre alt.

LAOLA1: War das für dich das bisher wildeste Spiel, den Druck von den Rängen betreffend?

Bauer: Mit Sicherheit. So etwas ist, so hoffe ich, auf der Welt einzigartig. Wir werden in der EM-Quali aber noch in einigen Hexenkesseln zu Gast sein, von dem her war das Spiel sicher eine gute Erfahrung. Aber das darf in Europa nicht zur Normalität werden, denn wir sind nicht beim Fußball. Handball ist ein elitärer Sport und das Umfeld, die Spieler und die Fans haben eigentlich ein familiäres und freundschaftliches Verhältnis. Ich glaube auch, dass sich die Mazedonier für ihr Publikum geschämt haben und das wird auch finanzielle Folgen für den Verband haben.

LAOLA1: Du bist hinter Nikola Marinovic die etatmäßige Nummer zwei. Hegst du Ansprüche auf das Stamm-Leiberl?

Bauer: Natürlich ist es mein Ziel, irgendwann die Nummer eins zu sein. Ich hatte in meinem Leben schon viele Torhüter-Kollegen, aber ich habe es immer geschafft mich durchzusetzen. Ich bin keiner der wartet bis die Konkurrenz von selbst die Segel streicht. Ich bin aber auch keiner, der jemanden im negativen Sinne verdrängen möchte. Wenn man eine gute Leistung bringt, wird man seine Ziele erreichen. Ich hatte in meiner Karriere nur Trainer, die nach Leistung beurteilt haben und mehr als mich gut zu präsentieren, kann ich nicht.

LAOLA1: Geht man nach der Leistung in Mazedonien, müsstest du am Samstag von Anfang an spielen.

Bauer: Ich schätze den Trainer so ein, dass er gute Leistungen honoriert. Ich hab sehr viel Respekt vor Nikola Marinovic, er ist mein Zimmer-Kollege. Wir gönnen uns auch gegenseitig gute Leistungen und bereiten uns gemeinsam aufs Spiel vor. Wenn einer einen Tipp für den anderen hat, hält er diesen nicht zurück. Wichtig ist, dass wir am Ende sechs Tore mehr haben als Mazedonien.

Sebastian Rauch