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Tigers langer Schatten

Tigers langer Schatten

Lange musste die Golf-Öffentlichkeit auf den ersten Sieg von Tiger Woods seit dem großen Skandal zu Thanksgiving 2009 warten. Genauer gesagt waren es 923 Tage und ganze 27 Turniere, bevor es letzten Sonntag so weit war.

In eindrucksvoller Manier kehrte die ehemalige Nummer eins der Weltrangliste beim Arnold Palmer Invitational in Bay Hill zurück auf die Siegerstraße.

In Tigers Zeitrechnung war es zwar schon der zweite Sieg (er zählt auch den Sieg bei der Chevron World Challenge letzten Dezember dazu, wo lediglich 18 Teilnehmer am Start waren, jedoch Weltranglistenpunkte vergeben wurden), doch war es der erste bei einem offiziellen Event.

Lohn der Arbeit

Schon das ganze Jahr über spürte man, dass Tiger nahe dran ist. Sein neuer, von Sean Foley designter Schwung zeigte erste Wirkung, lediglich der Putter streikte bisweilen und vereitelte oftmals den Lohn der Arbeit.

Als Woods dann vorletzte Woche bei der WGC Cadillac Championship vom Platz humpelte, befürchteten seine Fans schon wieder das Schlimmste. Doch die linke Achillesferse zwickte nur kurz, wenige Tage später stand der Tiger beim Tavistock Cup schon wieder auf dem Platz.

Beim Start des Arnold Palmer Invitationals zeigte sich Woods dann von seiner Schokoladenseite und erinnerte an alte, glorreiche Zeiten. In der Finalrunde entwickelte sich ein Duell mit dem Nordiren Graeme McDowell, der trotz Doppelbogey an Loch 1 nicht aufgab und tapfer weiterkämpfte.

Doch unter schwierigsten Bedingungen zauberte Tiger eine fehlerlose Runde auf den Parcours, während GMAC auf den Back Nine seine Chancen ungenützt ließ. Resultat war ein mit fünf Schlägen Vorsprung im Rücken gemütlicher Spaziergang für Tiger auf das 18. Grün, das er schon sechs Mal zuvor als Sieger des Arnold Palmer Invitationals verlassen hatte.

Siegerehrung ohne Arnie

Der einzige Unterschied zu den sechs Siegen zuvor war, dass der Gastgeber Arnold Palmer nicht persönlich den Sieger in Empfang nehmen konnte, da er wenige Minuten zuvor wegen erhöhten Blutdrucks ins Krankenhaus gebracht wurde.

Zwar gab es rasch Entwarnung für die 82-jährige Golflegende, doch musste die Siegerehrung in diesem Jahr leider ohne „Arnie“ stattfinden.

Erleichterung nach Sieg

Man konnte Tiger die Erleichterung, endlich wieder einen „W“ eingefahren zu haben, förmlich ansehen und so freute sich der 36-jährige Amerikaner gemeinsam mit den Tausenden Fans in Bay Hill, die seinen Namen skandierten, über den 72. PGA-Tour-Sieg seiner Karriere.

„Das ist nicht dasselbe wie ein Majorsieg, aber es fühlt sich sehr gut an“, richtete Woods bereits den Fokus auf das nächste Woche stattfindende Mas­ters.

„Kein Zweifel, ich freue mich darauf, auf diese Leistung aufbauen zu können. Ich habe mich stetig verbessert, das ist das Einzige, was zählt“, so Tiger weiter. „Ich war in zahlreichen Turnieren dieses Jahr schon nahe dran. Es ging darum, auf dem Platz geduldig zu bleiben, weiter am Finetuning zu arbeiten – und hier sind wir nun!“

Hank Haneys Abrechnung

Während Tigers Feierlichkeiten nur kurz ausfielen, konnte sein Ex-Coach Hank Haney zwei Tage danach all die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, als er sein lang erwartetes Buch „The Big Miss: My Years Coaching Tiger Woods“ präsentier­te.

Schon in den Wochen zuvor machten Auszüge in der New York Times oder Golf Digest die Runde, die allesamt kein gutes Licht auf Woods warfen. Haney meinte vor einigen Wochen noch, dass es hauptsächlich um den Golfspieler Tiger Woods gehen würde und dieser mit der Biografie kein Problem haben dürfte.

Doch bei Veröffentlichung der ersten Auszüge wurde schnell klar, dass hier auch die Person Tiger Woods näher durchleuchtet wurde, als es dem Kontrollfreak lieb war. So beschreibt Haney etwa Tigers egozentrische Art. Woods sei oftmals nach Mahlzeiten aufgestanden, obwohl die anderen noch nicht fertig waren.

„Wenn er fertig war – und er aß für gewöhnlich sehr schnell –, warst du auch fertig“, schreibt Haney. „Wann immer wir uns auswärts Essen bestellt haben, musste ich es abholen und dafür bezahlen.“

Geiziger Tiger

Wie überhaupt Woods als sehr geizig gilt, was sich auch in einem relativ geringen Honorar für Haney äußerte. Tiger zahlte ihm gerade mal 50.000 Dollar pro Jahr plus Spesen und gab ihm einen Bonus von 25.000 Dollar für Majorsiege.

Tiger ist bekannt dafür, sich billig zu geben, vor allem, wenn es um Trinkgeld ging. „Er dachte es wäre lustig, billig zu sein.“ Ihn selber habe das geringe Gehalt nicht gestört. „Die Wahrheit ist, ich hätte wahrscheinlich sogar Tiger bezahlt, um ihn trainieren zu dürfen – so viel hat es mir bedeutet.“

Tiger ein Navy SEAL?

Für Aufregung sorgte die Aussage, dass Tiger geplant habe, seine Golfkarriere auf Eis zu legen und sich der Navy-SEAL-Eliteeinheit anzuschließen.

Mehrmals habe er bei Übungen mitgemacht und sich in Wahrheit auf diese Weise sein Knie verletzt, das Tiger in den letzten Jahren um so manchen Turniersieg brachte.

Während Woods zu Haneys Buch keinerlei Kommentar abgab, äußerte sich sein Manager Mark Steinberg zu den Navy-SEAL-Vorwürfen und bezichtigte Haney seinerseits der Lüge.

Abneigung gegen Poulter

Weitere Details aus dem Buch von Hank Haney betreffen Tigers notorische Abneignung gegen manche Spielerkollegen. So machte er kein Geheimnis daraus, dass er vor allem mit Vijay Singh, Sergio Garcia, Ben Curtis oder Ian Poulter so rein gar nichts zu tun haben wollte.

Vor allem der freche Engländer wusste den „großen Tiger“ zu reizen, wie eine Anekdote aus dem Jahr 2007 belegt. Als die beiden im Vorfeld zu den US Open in Oakmont eine Trainingsrunde absolvierten, fragte Poults im Wissen, dass Woods mit dem Privatjet hier sei und beide ja in Orlando wohnten, ganz keck: „Und wie kommen wir jetzt nach Hause?“

Obwohl Tiger keine Einladung aussprach, tauchte Poulter auf der Rollbahn auf und stieg in den Flieger mit Haney und Woods.

Kühle Beziehung mit Elin

Und auch die Beziehung mit Tigers Ex-Frau Elin Nordegren kam zur Sprache. So sei das Verhältnis laut Haney schon lange abgekühlt gewesen.

Als Elin kurz nach ihrer Hochzeit nach einem Sieg von Tiger eine Party schmeißen wollte, so wie es bei Jesper Parnevik, über den sich die beiden kennengelernt hatten, üblich war, soll Tiger zu ihr gesagt haben: „E, das sind Dinge, die wir nicht machen. Ich bin nicht Jesper. Von mir wird erwartet, dass ich gewinne.“

Von da an behielt Elin ihre Emotionen bei Siegen von Tiger immer mehr für sich, schrieb Haney weiter, der im letzten Kapitel seines Buches eine persönliche Wunschliste anführt, die u.a. folgendes Zitat beinhaltet: „Ich wünschte, Tiger wäre von der Rehab als anderer Mensch zurückgekommen. Nicht viel anders, einfach nur ein wenig wärmer und offener. Ich verstehe nun, dass, so sehr ich mich bemühte, Tiger zu verstehen, er mich genau das nicht  tun ließ.“

Markus J. Scheck