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"Es kam auf den größten Moment meines Lebens an..."

NEW ENGLAND PATRIOTS  17:21 NEW YORK GIANTS

Selbst von einer der schönsten Frauen der Welt in den Arm genommen zu werden, war in diesem Augenblick nur ein schwacher Trost.

Dabei gab Topmodel Gisele Bündchen ihr Bestes, um Ehemann Tom Brady aufzumuntern. Vergebens.

Jeder Spieler, der es bereits erleben musste, versichert, wie schrecklich es ist, in der Super Bowl als Verlierer vom Platz zu gehen. Selbst, wenn man die Vince-Lombardi-Trophy zuvor schon einmal erobert hatte.

Brady hat sie mit den New England Patriots in seiner glorreichen Laufbahn bereits drei Mal erobert, ist nun jedoch auch schon zum zweiten Mal gescheitert. Zum zweiten Mal binnen vier Jahren an den New York Giants. Zum zweiten Mal knapp. Diesmal mit 17:21.

Montana verpasst, Montana geknackt

Ein „Déjà Blue“, wie die enthusiasmierten Anhänger des nunmehr viermaligen Super-Bowl-Champions aus dem Big Apple in Anspielung auf den geschichtsträchtigen Triumph im Endspiel von 2008 frohlockten.

So schnell geht es im Sport, und am Team des Jahrzehnts haftet plötzlich ein Loser-Image. Vor dem Kickoff war noch darüber diskutiert worden, ob Brady zum größten Quarterback der Geschichte aufsteigt, sollte er sich einen vierten Ring an seine Finger stecken dürfen.

Topmodel Gisele Bünchen versuchte Ehemann Tom Brady zu trösten

Letztlich half es auch nichts, dass Brady und seine Offensiv-Kollegen zwischenzeitlich gewohnt unwiderstehlich agierten beziehungsweise die als anfällig geltende Defense die „G-Men“ im Prinzip gut in Schach halten konnte.

Das Problem war, dass die Truppe von Head Coach Bill Belichick auf ihrer 17:9-Führung nicht aufbauen konnte und über weite Strecken der zweiten Halbzeit nicht den üblichen Rhythmus fand.

„Es kam auf den größten Moment in meinem Leben an“

Am Ende war es vor allem jener Spielzug rund vier Minuten vor Schluss, als Superstar-Receiver Wes Welker einen sicher geglaubten Ball fielen ließ, dem die Patriots am meisten nachtrauerten.

Anstatt weiter Zeit von der Uhr zu nehmen und mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest ein Field Goal zu kicken, war man zu einem Punt gezwungen. Die nervenstarken Giants nutzten ihren folgenden Ballbesitz zum entscheidenden Touchdown.

Welker, der die NFL in der Regular Season souverän in der Kategorie Catches anführte, und sich anders als Brady noch nie Super-Bowl-Champion nennen durfte, war am Boden zerstört.

„Es kam auf den größten Moment in meinem Leben an, und ich habe es nicht hingekriegt“, meinte der 30-Jährige mit starrem Blick, „es wäre einer dieser Catches gewesen, die mir schon 1000 Mal gelungen sind.“

Liebeserklärung an Welker

Ausgerechnet der Musterprofi Welker, der sich in seinen fünf Jahren in New England vom Nebendarsteller der Miami Dolphins zu einem der Top-Stars der Liga gemausert hat, stand als größter Sündenbock da.

Eine Rolle, die seine Mitspieler nicht gelten lassen wollen. „Das wäre sehr unfair“, nahm in Safety Patrick Chung in Schutz, Brady meinte gar: „Ich werde so lange ich irgendwie kann, den Ball in seine Richtung werfen. Ich liebe ihn einfach!“

Wenn in den Schlusssekunden die Hail Mary des Star-Quarterbacks in der Endzone einen Abnehmer gefunden hätte, wäre es an diesem Abend wohl besonders unter die Kategorie Wunder gefallen.

Die Giants ließen ihm immerhin 58 Sekunden Zeit für einen finalen Anlauf, der letzte Drive stand jedoch mit Drops von Deion Branch und Aaron Hernandez irgendwie sinnbildlich für einen holprige Patriots-Performance.

„Am Ende kommt es auf diesen einen Wurf ganz am Schluss an. Geht es auf, sind wir der Champion. Wenn nicht, wünschen wir uns nur, dass wir es wären“, philosophierte Brady, der eine seiner Lieblingsanspielstationen nicht wie gewohnt einbinden konnte.

„Ich verliere die Super Bowl lieber, als dass ich sie nicht erreiche“

Zu deutlich war zu spüren, dass der am Knöchel lädierte Tight End Rob Gronkowski nicht gänzlich fit war und so eine viel kleinere Rolle als gewohnt spielte. Ein Trumpf, mit dem die Patriots nicht stechen konnten.

Drei Siege und zwei Niederlagen lautet nun also die Super-Bowl-Bilanz des Sechstrunden-Draft-Picks des Jahres 2000. Nach dem Blitzstart in seine Karriere wäre diese Statistik wohl nur schwer vorstellbar gewesen.

Mit seinen 34 Jahren hat Brady jedoch noch den einen oder anderen Anlauf, um den ersten Titel seit 2005 zu erobern. Sein Ehrgeiz, noch einmal auf die große Bühne zurückzukehren, ist ungebrochen.

„Ich verliere lieber in der Super Bowl, als dass ich sie nicht erreiche. Ich werde nicht aufhören zu versuchen, sie zu erreichen.“

Eine sechste Endspiel-Teilnahme würde neuen NFL-Rekord für Quarterbacks bedeuten.

Peter Altmann

Im Fall des Erfolgs hätte er den Bestwert von Pittsburgh-Ikone Terry Bradshaw beziehungsweise seines großen Kindheits-Idols, Joe Montana, eingestellt.

So schnappte der gebürtige Kalifornier dem legendären Quarterback der San Francisco 49ers nur den Rekord von in Folge angebrachten Pässen in einer Super Bowl weg. Die neue Bestmarke steht nun bei 16. Was würde wohl Brady geben, um die Rekorde austauschen zu können?

Schlaflos in Boston

„Jeder von uns wünscht sich, dass er mehr geleistet hätte", seufzte der sichtlich geknickte Superstar, „das ist es nun mal, was im Football zählt. Am Ende kommt es immer auf ein, zwei Spielzüge an. Gelingen sie, darfst du feiern. Wenn nicht, kannst du eine Woche lang nicht schlafen."

Schlaflos in Boston quasi. Im Fall der Patriots waren es mehr als, ein, zwei Spielzüge, die nicht wie gewünscht funktionierten, und denen man getrost nachtrauen durfte.

Der Abend fing mit dem von Brady verursachten Safety schon übel an – zwei Gegenpunkte, die unter dem Strich enorm kostspielig waren. Ohne dieses Missgeschick hätte im finalen Drive ein Field Goal gereicht.

Dass ein eroberter Fumble von Giants-Receiver Hakeem Nicks nicht zählte, weil New England zwölf Abwehrspieler am Feld hatte, passte ebenso ins Bild.

Respekt für Manninghams Catch

Genau wie der unglaubliche Wurf des New Yorker Spielmachers Eli Manning auf Mario Manningham, der endgültig die Wende einläutete, wie Brady respektvoll anerkannte:

„Dieser Spielzug an die Seitenlinie war einfach nur phänomenal geworfen und gefangen. Damit haben sie ihren Lauf gestartet.“