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Die "Goldene Generation" an NFL-Quarterbacks

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Knapp 30 Jahre lang galt der 1983er-Generation als Nonplusultra, wenn es um Quarterbacks aus einem Jahrgang ging.

Drei Herrschaften namens John Elway (Denver Broncos), Dan Marino (Miami Dolphins) und Jim Kelly (Buffalo Bills) prägten eine ganze NFL-Ära, wenngleich nur Elway sich Super-Bowl-Champion nennen darf.

Am Ende seiner glorreichen Laufbahn eroberte der heutige Vizepräsident seiner Broncos doch noch die Lombardi-Trophy, während Marino (eine Super-Bowl-Niederlage) und Kelly (vier Super-Bowl-Pleiten in Folge) leer ausgingen - ihren Stammplatz in der Hall of Fame haben die Drei dennoch.

Ausnahme-Karrieren, die Andrew Luck (Indianapolis Colts), Robert Griffin III (Washington Redskins) und Russell Wilson (Seattle Seahawks) erst hinlegen müssen.

Griffin III vs Wilson in Wildcards

Es ist immer gefährlich, zu früh Superlative auszupacken, aber ausgehend von ihrer Debüt-Saison stehen diesem Trio famose Laufbahnen bevor.

Denn eines lässt sich mit Gewissheit sagen: Noch nie in der NFL-Geschichte agierten gleich drei Rookie-Quarterbacks auf einem derart hohen Niveau.

Alle drei führten ihre jeweiligen Teams in die Playoffs (ebenfalls ein Novum), wo am Sonntag Griffin III und Wilson im direkten Duell gegeneinander antreten. Höchstspannung ist garantiert - ebenso wie bei der Wahl zum Offensive Rookie of the Year, bei der alle drei Kandidaten gute Argumente auf ihrer Seite haben.

LAOLA1 schaut sich den Traum-Einstand der drei Ausnahme-Neulinge genauer an:

Ein Vergleich der Spielweise des Trios ist schwierig, wäre eher einer zwischen Äpfel und Birnen - zu unterschiedlich sind die Stärken gestreut, zu verschieden sind die Systeme, in denen die jungen Spielmacher agieren.

Vor allem Luck ist ist in der passlasigen, aggressiven, von vertikalen Attacken geprägten Colts-Offense mit anderen Anforderungen konfrontiert. Dies belegen auch die Statistiken, die wir in drei Tabellen herausgearbeitet haben.

Während Griffin III, der im Gegensatz zu den anderen beiden nur 15 anstelle von 16 Spielen absolviert hat, und Wilson nur jeweils 393 Mal passten, kam Luck auf sage und schreibe 627 Versuche.

Daraus ergibt sich einerseits der wesentlich höhere Yardage-Wert (4374 sind ein neuer Rookie-Rekord), andererseits auch die deutlich höhere Anzahl an Interceptions beziehungsweise der niedrigere Prozentsatz an komplettierten Pässen.

Indys Offense ist zudem auf Luck zugeschnitten, ihr Hauptdarsteller musste viel Verantwortung übernehmen und bisweilen auch auf den ersten Blick unrealistische Pässe an den Mann bringen.

Um die gemeinsame Geschichte dieses Trios zu verstehen, ist es wichtig, die Ausgangsposition zu erklären.

Luck, Sohn des früheren NFL-Quarterbacks Oliver Luck, galt schon seit Jahren als größtes Talent auf dieser Position seit Peyton Manning - als College-Ausnahmeerscheinung, mit der man im Draft gar nicht falsch liegen kann.

Ironischerweise landete der Stanford-Absolvent, wo er unter anderem vom heutigen San-Francisco-Coach Jim Harbaugh betreut wurde, ausgerechnet als Manning-Erbe in Indy - Peytons verletzungsbedingt verpasster Saison sei Dank.

Während Luck an Position eins gedraftet wurde, avancierte Griffin III zur Nummer zwei - eine teure Selektion. Washington schickte jede Menge Draft-Picks nach St. Louis, um "RGIII" wählen zu dürfen.

Dieser hatte eine spektakuläre Uni-Saison für Baylor hinter sich, in deren Rahmen er Luck die Heisman Trophy für den besten College-Spieler wegschnappte. Ein Investment, das für die Redskins aus heutiger Sicht voll aufging.

"Baseballer" Wilson

Ganz anders der Werdegang von Wilson. Zwei Mal von MLB-Teams gedraftet (2007 von den Baltimore Orioles, 2010 von den Colorado Rockies), verzichtete er auf das schnelle Geld einer Baseball-Karriere und versuchte sich am College als Quarterback - erst bei North Carolina State, 2011 bei Wisconsin.

Nach einer starken Saison für die Badgers wurde er von Seattle in der dritten Runde als vermeintlicher Backup für den von Green Bay verpflichteten Matt Flynn gedraftet, setzte sich in der Vorbereitung jedoch zur Überraschung aller durch.

Aus heutiger Sicht ein Volltreffer von Seahawks-Coach Pete Carroll, denn im Laufe der Saison sollte aus dem medial gehypten, virtuellen Duell zwischen Luck und Griffin III dank Wilson ein Dreikampf werden.

Auch wenn der 23-Jährige bestimmt nicht schlecht bei Fuß ist, wie fünf Rushing-Touchdowns zeigen, lebt er weit weniger von seiner Mobilität als Griffin III und Wilson.

Vor allem "RG3" setzte - in den Fußstapfen von Carolinas Cam Newton - neue Maßstäbe, was Quarterback-Laufspiel betrifft.

Es würde jedoch Griffins Qualitäten im Passspiel schmälern, würde man ihn zum laufenden Spielmacher reduzieren. Einerseits wird er bei den Redskins im Laufspiel von Rookie-Kollege Alfred Morris phänomenal unterstützt, was gerade bei Play-Action-Spielzügen von Vorteil ist.

Andererseits wusste der 22-Jährige auch durch die Luft zu überzeugen. Mit im Schnitt 8,1 Yards pro Passversuch führt er alle NFL-Quarterbacks, welche die Mehrzahl der Spiele absolvierten, an.

Doch nicht nur die mit Bedacht eingestreuten spektakulären Pass-Spielzüge funktionieren oftmals, auch die Ballkontrolle passt, wie lediglich fünf Interceptions beweisen (ebenfalls ligaweiter Bestwert).

Ebenfalls gut bei Fuß ist Wilson, wenngleich dieses Stilmittel in Seattle weniger eingesetzt wird als mit "RG3" bei den Redskins - erst in Woche 15 gelang ihm sein erster Rush-TD, dafür gegen Buffalo aber gleich dreifach in einer Hälfte.

Dafür glänzt Seattles Jungstar mit seiner Fähigkeit, Attacken der gegnerischen Defense zu entkommen, im Fall der Fälle zu improvisieren und einen Spielzug in die Länge zu ziehen. Diese Mobilität beeindruckt.

Generell lässt sich feststellen, dass Coach Carroll zu Saisonbeginn auf der Bremse stand, Wilson nicht die Hauptlast in der Offense tragen musste. Seine Job Description hieß viel mehr, keine Fehler zu machen.

Wilson als "Pionier"

Erst mit gewonnener Sicherheit stieg Carroll aufs Gas und erlaubte seinem Schützling eine famose zweite Saison-Hälfte. Auch wenn Wilson weniger Risiko nehmen muss, heißt dies nicht, dass er längere Pässe nicht beherrscht - im Gegenteil.

Grundsätzlich kommt dem 24-Jährigen eine gewisse Pionier-Rolle zu. Mit einer Größe von lediglich 1,80 Metern hätte er in der bisweilen zu sehr auf körperliche Werte fokussierten NFL in der Vergangenheit kaum eine Chance bekommen.

Folgende Generationen an etwas zu klein gewachsenen Quarterbacks werden es ihm danken.

Erfolgreicher Jugendwahn auf Quarterback-Position

Wie überhaupt dieses Trio nur die Speerspitze des erfolgreichen Trends zum Jugendwahn auf der Position des Spielmachers ist.

Mit Colin Kaepernick (San Francisco), Andy Dalton (Cincinnati) und Christian Ponder (Minnesota) haben drei Quarterbacks, die erst 2011 gedraftet wurden, ihre Teams ebenfalls in die Playoffs geführt.

Zahlreiche weitere Franchises vertrauten 2012 auf Spielmacher, die erst ihre maximal zweite Saison bestritten: Ryan Tannehill (Miami) und Brandon Weeden (Cleveland) starteten als Rookies, Nick Foles übernahm in Philadelphia von Michael Vick.

Cam Newton scheitert in Carolina am noch etwas zu schwachen Roster, weiß aber mit seinem Talent zu überzeugen. Für seine Jahrgangs-Kollegen Blaine Gabbert (Jacksonville) und Jake Locker (Tennessee) ist die NFL-Karriere bereits wieder in Gefahr, weil sie in ihren ersten beiden Saisonen kaum zu überzeugen wussten.

In der modernen, extrem passlastigen NFL werden Quarterbacks nur noch selten behutsam aufgebaut, sondern müssen sofort Leistung abliefern - die "Goldene Generation" von 2012 hat diese Devise besser beherzigt als viele erwartet haben.

Peter Altmann