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Playoff Monday - Stories der Championship Games

Playoff Monday - Stories der Championship Games

Har-Bowl, Harbaugh Bowl, Super-Baugh, Bro Bowl - wie auch immer man Super Bowl XLVII umtaufen will, eine speziellere Konstellation ist kaum denkbar.

Wenn am 3. Februar in New Orleans die Baltimore Ravens und die San Francisco 49ers die Klingen kreuzen, ist es gleichzeitig das Aufeinandertreffen zweier Brüder als Head Coaches.

John Harbaugh (Baltimore) vs. Jim Harbaugh (San Francisco).

Auch die finale Ausgabe der "Endzone" von LAOLA1 vor dem Spiel aller Football-Spiele kommt naturgemäß nicht an diesem dominanten Thema vorbei.

Der Playoff Monday garantiert aber auch abseits des derzeit berühmtesten Brüderpaars der Sportwelt eine Analyse des Geschehens am Championship Sunday:

STORY OF THE CHAMPIONSHIP GAMES

"Hey Jim, gratuliere! Du hast es geschafft! Du bist ein großartiger Coach! Ich liebe dich!" John Harbaugh verfolgte am Stadion-Bildschirm in Foxboro die entscheidenden Augenblicke des Super-Bowl-Einzugs seines jüngeren Bruders Jim mit den San Francisco 49ers und musste danach nicht lange nach einer TV-Kamera suchen, um seine spontane Gratulation auszurichten. Dafür, dass die weltweite Bekanntheit der Harbaugh-Brüder in den kommenden zwei Wochen in ungeahnte Höhen steigen wird, sorgte John nur wenige Stunden später selbst mit dem Husarenstück in New England. Zwei Brüder in einer Super Bowl - ein gesunder Konkurrenzkampf, der in der Kindheit im familieneigenen Garten seinen Anfang genommen hatte, erreicht auf der größtmöglichen Bühne des Sports seinen fulminanten Höhepunkt. "Ich glaube nicht, dass wir jemals von etwas so Großem geträumt haben", so John. Papa Jack, 73-jähriger ehemaliger College-Head-Coach, wird wie beim ersten Duell seiner beiden Söhne zu Thanksgiving 2011 leiden müssen. Besonders pikant ist jedoch eine andere Konstellation: Jims Sohn Jay arbeitet in Baltimore für Onkel John.

So eng das Verhältnis der beiden Harbaughs, die sich regelmäßig über ihre Gegner austauschen, auch sein mag, ihr Werdegang ist komplett verschieden. Während John schon mit Anfang 20 die Coaching-Karriere einschlug und sich mühsam über Assistenz-Trainer-Stellen auf College-Ebene bis in die NFL hocharbeitete, war Jim als Quarterback ein früherer Erstrunden-Draft-Pick, der 15 Jahre lang in der NFL aktiv war, erst danach auf Trainer umsattelte, dafür aber auf College-Ebene relativ flott Head-Coach-Posten bekam (zuletzt Stanford). Große Talente sind beide. Schon im Vorjahr wäre eine "Har-Bowl" möglich gewesen, sowohl Ravens als auch 49ers flogen jedoch in den Championship Games raus.

WINNER OF THE CHAMPIONSHIP GAMES

Ein kleines Rätsel: Wer sind die einzigen beiden Passempfänger der NFL-Geschichte, die in aufeinanderfolgenden Conference Finals über 100 Receiving Yards zustandebrachten? Der eine ist Dallas-Legende Michael Irvin. Der andere? Vernon Davis. Dass der 28-Jährige gegen Atlanta explodieren könnte, erschien aufgrund der Schwäche der Falcons gegen Tight Ends durchaus für möglich. Aufgrund der vergangenen Wochen kam es dennoch ein wenig überraschend. Die 49ers-Familie rätselte bereits die längste Zeit, warum der Star-Tight-End seit der "Amtsübernahme" von Quarterback-Shootingstar Colin Kaepernick völlig in der Versenkung verschwand. Ganze sechs Catches für 61 Yards brachte Davis in den letzten sechs Regular-Season-Partien zusammen. Gegen Atlanta alleine waren es fünf Catches für 106 Yards, garniert mit einem Touchdown. "Wir sagten Vernon immer: 'Früher oder später, mein Freund, ist es soweit.' Am Sonntag war es soweit", erklärte San Franciscos Offensive Coordinator Greg Roman. Mit seiner Leistung hatte Davis großen Anteil an der Aufholjagd nach einem 0:17-Rückstand. Dass er sich ansonsten zuletzt kommentarlos in die Rolle des Runblockers fügte, spricht für die gestiegene Reife der in jüngeren Jahren nicht unkomplizierten Offensivkraft. Apropos Laufspiel: Nicht unclever von den 49ers, Kaepernick nach seiner Gala gegen Green Bay diesmal mehr oder weniger aus dem Rushing-Gameplan zu entfernen, dadurch aber Räume für Frank Gore und LaMichael James zu schaffen. Davis hat dabei brav geblockt.

LOSER OF THE CHAMPIONSHIP GAMES

Noch ein Rätsel, diesmal ein leichteres: Wie viele jener 67 Heimspiele, in denen er mit seinen New England Patriots zur Halbzeit in Führung lag, hat Tom Brady gewonnen? Richtig geraten: 67. So lautete die Statistik vor dem AFC-Conference-Finale gegen Baltimore. Diese schöne Serie ist nun ein Fall für die Geschichtsbücher. 13:7 lagen die Patriots zur Halbzeit voran - relativ souverän, aber ohne zu glänzen. Zu diesem Zeitpunkt ließ sich noch nicht absehen, dass die erfolgreichste Franchise des 21. Jahrhunderts nach der Pause ein Totalversagen abliefern würde, wie man es von ihr in der Belichick/Brady-Ära noch selten erlebt hat. Kein Rhythmus, keine Dynamik, keine Gegenwehr - unterm Strich auch keine Punkte mehr. Dafür 21 Gegenpunkte. "Wir sind wahrscheinlich das einzige Team der AFC, das gut zum Burschen mit der Nummer 12 und seinem Coach passt", ätzte Ravens-Linebacker Terrell Suggs über Brady und Belichick. Da dürfte er recht haben. Schon vor diesem Showdown war Bradys Quarterback-Rating gegen Baltimore mit 78,4 so schlecht wie gegen kein anderes NFL-Team. Diesmal kam er gar nur auf 62,3...

STAT OF THE CHAMPIONSHIP GAMES

Wenn das mal keine statistische Rarität ist: Beide Halbzeitführenden der Championship Games, gleichzeitig auch die jeweiligen Heimteams, kamen nach der Pause auf jeweils null Punkte. Richtig gelesen: N-u-l-l Punkte! Und wir sprechen hier bekanntlich nicht von offensiven Durchschnitts-Formationen. New England gilt als die Power-Offense der NFL schlechthin, und wie gefährlich der (Pass-)Angriff Atlantas sein kann, konnte man in der ersten Halbzeit gegen San Francisco bewundern. Warum das jeweilige Versagen in der zweiten Halbzeit? Eine endgültige Wahrheit gibt es wohl kaum, eine schlüssige Begründung ist jedoch, dass diese Nuller veranschaulichen, wie wichtig "Halftime-Adjustments" sind. Die Defensive-Coaches der 49ers haben offenkundig an den richtigen Schrauben gedreht - ließ man sich in den ersten beiden Vierteln vorführen, klappte es in der Folge besser. Auf Seiten der Ravens spielte die Defense schon vor der Pause gut, während die Offense abseits des einen Touchdowns eher mau agierte. In der Halbzeit dürften Baltimores Coaches Joe Flacco jedoch die richtige Strategie mit auf den Weg gegeben haben.

PICTURE OF THE CHAMPIONSHIP GAMES

TONY GONZALEZ: EIN GANZ GROSSER VERLÄSST (WAHRSCHEINLICH) DIE NFL-BÜHNE

COIN TOSS

Anstelle der "Bold Predictions" möchten wir während der Playoffs eine Streitfrage zur Diskussion stellen. Zwei Redakteure, zwei Meinungen:

Ist die "Har-Bowl" das Beste, was der Super Bowl passieren konnte?

BERNHARD KASTLER

Ob es das Beste ist, was der Super Bowl passieren konnte, das sei dahingestellt und ist auch so de facto nicht zu beantworten. Aber in jedem Fall ist dieser Umstand sicherlich ein Gewinn. Solche großen Spiele leben von solchen großen Geschichten. Von Premieren, von Duellen in unüblichen Konstellationen oder einfach von emotionalen Begleitumständen. Da darf freilich auch nicht Ray Lewis fehlen, für den die Super Bowl die letzte Partie seiner großen Karriere sein wird. Wer hat es besser als er? In diesem Fall nur die Harbaugh-Famiie, die so oder so einen Super-Bowl-Triumph feiern darf. Freilich wird sich vor dem Spiel nun alles um diese beiden Geschichten drehen, aber wenn vor einem solchen Spiel nicht ein Hype entstehen soll, wann dann? Eine Super Bowl bringt nicht nur die 60 Minuten des Spiels, sondern auch das ganze Rundherum mit. Dafür ist die "Bro Bowl" bestens geeignet.

PETER ALTMANN

Die Marketing-Strategen jubeln, in den diversen NFL-Redaktionen wird eine Geschichte nach der anderen über die beiden Coaching-Gurus, die auf den Namen Harbaugh hören, geplant. Sicher hat es seinen Reiz, wenn sich zwei Brüder als Head Coaches in diesem Mega-Event gegenüberstehen. Spezieller geht es kaum. Die beiden kennen sich nicht nur ihr Leben lang, sondern auch in- und auswendig. In einem Strategie-Sport wie Football ist es natürlich eine spannende Frage, ob einer den anderen austricksen kann. Dennoch fürchte ich, dass der Hype um dieses Thema so gigantisch sein wird, dass er im Laufe der kommenden zwei Wochen bald seinen Charme verlieren und einfach nur nerven wird. Eine Super Bowl bietet auch so genügend Storylines. Und am meisten nerven wird dieses Thema wohl John und Jim Harbaugh selbst. Ganz zu schweigen von ihren Eltern Jack und Jackie. Es wäre wohl ratsam, wenn die beiden rüstigen Rentner schleunigst auf Tauchstation gehen. Ihre Sprösslinge können ja schlecht...


Peter Altmann / Bernhard Kastler