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E-L-I-te: Der "kleine Bruder" tritt aus dem Schatten

E-L-I-te: Der

Eigentlich ist es ein Phänomen.

Der Mann ist Super-Bowl-MVP, vielleicht bald zweifacher Super-Bowl-Champion, mit 4933 Passing Yards lieferte er gerade den sechstbesten Wert der NFL-Geschichte ab.

So nebenbei beendete er in dieser Saison die 20 Spiele andauernde Serie an Heimsiegen der New England Patriots, für die er spätestens seit der Niederlage in Super Bowl XLII (Februar 2008) und dem dadurch geplatzten Traum einer Perfect Season ein Schreckgespenst ist.

Erst am vergangenen Wochenende bestand der gute Herr in der Höhle des Löwen und brachte mit einer Ausnahmeleistung Titelverteidiger Green Bay zur Strecke – nach einer überragenden 15-1-Saison galten die Packers abermals als heißester Anwärter auf die Vince-Lombardi-Trophy.

Trotz dieser nicht gänzlich unbeeindruckenden Errungenschaften wird er nicht zum Kreis der herausragenden Quarterbacks dieser Saison gezählt, geschweige denn zu den besten Spielmachern aller Zeiten. Ja nicht einmal in seiner eigenen Familie gilt er als Nummer eins.

Unter Wert verkauft?

Besagter Herr ist Eli Manning, seines Zeichens Quarterback der New York Giants und beliebter Diskussionsgegenstand, wie und wo er in der Hackordnung der NFL-Quarterbacks eingeordnet werden soll.

Der Verdacht liegt nahe, dass der seit 3. Jänner 30-Jährige gerne unter Wert verkauft wird. Ein Eindruck, den der für gewöhnlich bescheidene Manning teilt.

Hakeem Nicks ist in den Playoffs bislang Mannings Lieblings-Anspielstation

Bisweilen unerklärliche Fehleranfälligkeit (Stichwort 25 Interceptions) zieht sich ebenso durch seine Laufbahn wie eben die nicht ganz herausragenden Statistiken. Das Feeling, eine Saison mit einem Quarterback-Rating jenseits der 100 abzuschließen, wie es die ganz Großen gerne mal tun, kennt Eli nur aus Erzählungen (persönlicher Bestwert 93,1 im Jahr 2009). Der persönliche Touchdown-Rekord steht seit 2010 bei auch nicht unbedingt herausragenden 31.

Das Giants-Momentum

Wobei fairerweise erwähnt sei, dass die Giants erst im Laufe der Eli-Jahre die Metamorphose vom lauffreudigen Angriff zur passlastigen Offense durchgemacht haben – in den vergangenen drei Saisonen übertraf Manning jeweils die 4000-Yards-Grenze.

Gerade in dieser Saison musste Manning aufgrund zwischenzeitlich verheerender Rushing-Leistungen die Last des Teamerfolgs so sehr schultern, wie es sich für ein Quarterback-Aushängeschild gehört.

In den Kreis der ganz Großen kann sich Eli jedoch nur mit weiteren herausragenden Playoff-Leistungen (Postseason-Bilanz: sechs Siege, drei Niederlagen) katapultieren. Und die sind durchaus möglich.

Denn wenn die Giants das Momentum einmal auf ihrer Seite haben, dann so richtig. Die aktuelle Performance der New Yorker erinnert frappierend an jene am Weg zum Super-Bowl-Triumph 2008, als sie sich ebenfalls in einen letztlich nicht einmal von den „Perfect Pats“ zu stoppenden Rausch spielten.

E-L-I-te

Während für Manning und seine Giants in den anderen drei Jahren, als man sich gemeinsam für die Postseason qualifizierte, jeweils bereits im ersten Antreten das Aus folgte, fehlen diesmal nur noch zwei Siege zum ganz großen Wurf.

Die nächste Hürde San Francisco ist ob hammerharter Defense keine niedrige. Aber wer in Green Bay besteht, kann fraglos auch diese überspringen.

Gelingt es, darf Manning weitere Lorbeeren einheimsen. Ob er irgendwann mit ähnlicher Liebe und Bewunderung wie so mancher Berufskollege bedacht wird, wird die Zukunft weisen. Mehr Respekt verdient er definitiv.

Team-intern ist ihm dieser ohnehin sicher. Laut Justin Tucks inzwischen berühmtem Spruch gehört er für seine Mitspieler ohnehin zu den Größten:

„Du kannst Elite nicht ohne E-l-i buchstabieren…“

Peter Altmann

Schon vor Saisonbeginn reklamierte er sich auf die Ebene der allerbesten aktiven Ballverteiler. „Ich zähle mich zur selben Klasse“, antwortete er auf die Frage, wo er sich im Vergleich zu New Englands Superstar Tom Brady, einem dreifachen Super-Bowl-Champion, einordnet.

„Tom Brady ist ein großartiger Quarterback, der jedes Jahr immer besser wurde. Er hat seine Karriere mit einigen Titeln gestartet, aber ehrlich gesagt denke ich, dass er jetzt ein besserer Quarterback ist als damals, als er seine Super Bowls gewonnen hat. Wie er will ich jedes Jahr besser werden. Ich hoffe, dass die nächsten sieben Jahre als Quarterback meine besten sein werden.“

„Bin kein 25-Interceptions-Quarterback“

Diese Zitate stammen aus dem vergangenen August. Zum damaligen Zeitpunkt war es nicht unmutig, sich auf eine Stufe mit einem Kaliber wie Brady zu stellen, hatte Eli doch nicht gerade die beste Saison seiner Karriere hinter sich.

Die Giants konnten sich das zweite Jahr in Folge nicht für die Playoffs qualifizieren, Manning steuerte 25 Interceptions zum Misserfolg bei.

„Ich bin kein 25-Interceptions-Quarterback, ich weiß das“, meinte Manning beinahe trotzig, „dieses Problem werden wir lösen, dann sollte es ein gutes Jahr werden.“

Prophetische Worte. Denn 4933 Passing-Yards, 29 Touchdown-Pässe (15 davon im Schlussviertel – NFL-Rekord) bei diesmal nur 16 Interceptions lassen sich getrost als gute Saison verkaufen. Noch dazu, da die „G-Men“ trotz des einen oder anderen Wellentals gerade noch in die Postseason rutschten.

Leise Hymnen auf Eli

Dort ließen sie angeführt von einem glänzend aufgelegten Manning erst Atlanta nicht den Hauch einer Chance und triumphierten dann  angeführt von einem noch glänzender aufgelegten Manning in Green Bay.

Ein Ausrufezeichen, das Experten langsam aber sicher leise Hymnen auf den Giants-Spielmacher anstimmen lässt. Doch wie laut wären diese, wenn ein Brady, ein Aaron Rodgers, ein Drew Brees oder – Gott behüte – ein Tim Tebow derart famose Leistungen abliefern würden?

Oder gar ein Peyton Manning?

Hatte Eli in dieser Traum-Saison für Quarterbacks das Pech, dass seine 4933 Yards im Vergleich zu den 5000-Yard-Schallmauer-Durchbrechern Brees (5476), Tom Brady (5235) und Matthew Stafford (5038) verblassten, ist es die Geschichte seiner Karriere, dass er im Schatten seines Bruders steht.

Trademark des „kleinen Bruders“

Und die Indianapolis-Ikone ist nun mal einer der besten Quarterbacks aller Zeiten, wenn nicht der beste. Kein anderer Held der NFL-Geschichte wurde vier Mal zum MVP gewählt.

Eli wurde 2004 im Draft mit dem allerersten Pick ausgewählt – nicht schlecht, aber Peyton gelang dies schon sechs Jahre vorher. Eli gewann 2008 die Super Bowl – nicht schlecht, aber Peyton gelang dies schon ein Jahr vorher. Eli wurde heuer zum zweiten Mal in die Pro Bowl gewählt – nicht schlecht, aber eh schon wissen… Peyton zählt dort mit elf Nominierungen zu den Stammgästen.

Diese Liste ließe sich wohl noch eine Weile fortsetzen. Peytons Ausnahmeleistungen mögen einer der Hauptgründe sein, warum Eli nicht zum Kreis der Größten seiner Zunft gezählt wird. Wer nicht einmal in seiner Familie die Nummer eins ist, tut sich eben schwer, eine eigene Trademark zu kreieren.

Elis Trademark war und ist jene des „kleinen Bruders“. Wenigstens hat er in der Manning’schen Quarterback-Dynastie Papa Archie, ebenfalls jahrelang NFL-Spielmacher, längst abgehängt.

Gelegenheit, sich von Peyton zu emanzipieren

Kein Wunder, dass Eli die laufende Saison unbedingt zur Eigenwerbung nutzen will. Peyton ist von der Bildfläche verschwunden, absolvierte verletzungsbedingt kein Spiel. Eine glänzende Gelegenheit, sich zu emanzipieren, wenn der ewige Gradmesser fehlt – zum Beispiel mit einem zweiten Super-Bowl-Ring, dem Peyton bislang vergeblich hinterherlief.

Den älteren Manning als alleinigen Hauptgrund für die etwas stiefmütterliche Einschätzung Elis in der Öffentlichkeit darzustellen, greift jedoch zu kurz. Und zwar viel zu kurz.

Von Beginn seine NFL-Karriere an begleiteten Manning Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit, und teilweise trug er sein Schäuflein dazu bei, diese zu rechtfertigen.

Ausschlaggebend dafür, dass Manning nicht in die Liga von Brady, Brees und Co. eingereiht wurde, war schlicht und ergreifend Manning selbst – und damit ist nicht unbedingt der hartnäckige Vorwurf des New Yorker Publikums, er würde zu wenig Emotionen zeigen, gemeint.