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Eiskalter Ryan oder erneute Kaepernick-Show?

Eiskalter Ryan oder erneute Kaepernick-Show?

Jetzt geht es um (fast schon) alles!

Am nächsten Sonntag wird sich weisen, wer am 3. Februar die Super Bowl XLVII in New Orleans bestreiten darf. Die beiden Conferences machen sich im Title-Game jeweils ihren Vertreter für das "Big Game" aus.

Um 21 Uhr startet das NFC Championship Game zwischen den topgesetzten Atlanta Falcons und den San Francisco 49ers (2).

Ab 0:30 Uhr wird dann das Pendant der AFC ermittelt. Und da kommt es zur kuriosen Neuauflage der exakt gleichen Partie im exakt selben Stadion: In Foxboro wollen die New England Patriots (2) die Baltimore Ravens (4) wie in der vergangenen Spielzeit schlagen.

LAOLA1 stimmt auf die Championship Games ein - in diesem Teil widmen wir uns dem Duell zwischen den Falcons und den 49ers:

ATLANTA FALCONS (1)                                            SAN FRANCISCO 49ERS (2)

Sonntag, 21 Uhr, Georgia Dome, Atlanta

AUSGANGSLAGE

Für Fans der Atlanta Falcons steigt am Sonntag nicht gerade ein Allerwelts-Ereignis. Im Gegenteil. Jeder Schaulustige im Georgia Dome kann getrost von "once in a lifetime" sprechen - bisher zumindest. Denn zum ersten Mal überhaupt steigt ein Conference Final in Atlanta. Die beiden bisherigen Auftritte der Falcons im NFC-Finale gingen jeweils auswärts über die Bühne. Logisch, dass eine ganze Stadt diesem seltenen Ereignis entgegenfiebert und mehr will. Denn das erste ganz große Ziel dieser Saison haben die "Falken" am vergangenen Sonntag erreicht: Der erste Playoff-Sieg in der inzwischen fünfjährigen Ära von Head Coach Mike Smith und Quarterback Matt Ryan ist vollbracht. Nun soll mit der zweiten Super-Bowl-Teilnahme der Franchise-Geschichte (Niederlage 1999 gegen Denver) der ganz große Wurf gelingen. Die Voraussetzungen sind ob der immensen Heimstärke keine schlechten. Vor eigenem Publikum verlor die Nummer eins der NFC in dieser Saison nur ein Spiel, und zwar das bedeutungslose Kräftemessen mit Tampa Bay am letzten Regular-Season-Spieltag. Mit San Francisco ist jedoch kein einfach zu entschärfendes Kaliber zu Gast. Gilt die Defense der 49ers schon länger zu den stärksten der NFL, haben die Kalifornier seit der Inthronisierung von Colin Kaepernick als Quarterback auch in der Offense an Potenzial gewonnen. Pikant: Dessen Entschärfung leitet auf Seiten Atlantas Defensive Coordinator Mike Nolan, der von 2005 bis 2008 Head Coach San Franciscos war und in dieser Zeit zahlreiche aktuelle Leistungsträger wie Frank Gore, Vernon Davis, Patrick Willis oder Joe Staley zu den 49ers lotste.

Man muss schon ein Fan etwas älteren Semesters der San Francisco 49ers sein, um sich an den letzten Playoff-Auswärtssieg seines Teams zu erinnern. Ob der ruhmreichen Vergangenheit des fünfmaligen Super-Bowl-Champions überrascht es ein wenig, dass dieser aus dem Jänner 1989 datiert. Damals gelang, angeführt von Joe Montana, ein 28:3-Erfolg in Chicago. Nicht unlustige Randnotiz: Backup-Quarterback der Bears in diesem Spiel vor 24 Jahren war ein gewisser Jim Harbaugh. Die sechs Postseason-Gastspiele in der Fremde danach gingen jeweils verloren, letztmals jenes 2003 beim späteren Titelträger Tampa Bay. Danach folgte eine jahrelange Durststrecke, ehe Harbaugh die Traditions-Franchise nach seiner Amtsübernahme 2011 zu alter Stärke zurückführte. Wie schon im Vorjahr stehen die 49ers im Championship-Game und haben nach der damaligen denkbar bitteren Overtime-Niederlage gegen den späteren Champion New York Giants auch gehörige Motivation, es diesmal besser zu machen. Anders als 2012 heißt der Quarterback der Niners jedoch nicht Alex Smith sondern eben Kaepernick. Während sich Harbaughs Entscheidung, seit Mitte der Saison dem Youngster das Vertrauen zu schenken, nach dessen Gala gegen Green Bay nicht mehr kritisieren lässt, stehen und fallen San Franciscos Chancen weiterhin mit der Performance des Spielmachers: Erwischt "Kaep" einen Sterntag, sind die 49ers ein schwer schlagbares Team. Zeigt er das Gesicht eines unerfahrenen Quarterbacks, wird es gegen das ausgeglichene Team der Falcons extrem schwierig.

SCHLÜSSELSPIELER

QUARTERBACKS

Man kann sich ausmalen, wie groß die Erleichterung von Matt Ryan war, gegen Seattle endlich den ersten Playoff-Sieg der Karriere eingefahren zu haben. Der 27-Jährige erspart sich damit fix eine weitere Offseason mit lästigen Fragen nach seiner Siegfähigkeit in der Postseason. Ob er sich heuer Fragen zu seiner Person als Super-Bowl-Quarterback gefallen lassen darf? Nur der Sieg gegen San Francisco trennt ihn von der Erfüllung dieses großen Traums. Ausgehend von Atlantas Heimbilanz mit Ryan als Quarterback, stehen die Chancen hervorragend. Inklusive Playoffs haben die Falcons im Georgia Dome 34 von 40 Spielen mit dem früheren Erstrunden-Draft-Pick als Spielmacher gewonnen. Besonders in engen Partien macht "Matty Ice" seinem Spitznamen immer wieder alle Ehre - wie vergangenen Sonntag gegen die Seahawks. Letztlich ist das Passspiel auch die gefährlichste Waffe Atlantas. Gemeinsam mit den beiden Star-Receivern Roddy White und Julio Jones beziehungsweise Tight End Tony Gonzalez muss Ryan Lücken in der Defense der 49ers finden.

Der Hype um Colin Kaepernick kannte nach seiner atemberaubenden Vorstellung in den Divisional Playoffs gegen Green Bay keine Grenzen. Kein Quarterback in der NFL-Geschichte erreichte vor ihm die Zahl von 181 Rushing Yards. Es wäre vermessen, erneut solch einen Wert vom Youngster zu erwarten - wären Leistungen wie diese alltäglich, kämen sie öfter vor. Die 49ers sind ein Team mit vielen Stärken, das verschiedene Wege finden kann, um ein Spiel zu gewinnen. Nichtsdestotrotz bleibt es dabei, dass "Kaep" ein entscheidender Schlüssel ist, bei dem es abzuwarten gilt, wie viel Konstanz er ob seiner Unerfahrenheit an den Tag legt. Wie viel Potenzial er hat, weiß inzwischen jeder - und das nicht nur als Ballträger. "Vergesst das Laufen, sein Arm allein reicht, um ihn zu einem Franchise-Quarterback zu machen. Möglicherweise ist er der dynamischte Quarterback der NFL", lobt etwa Phil Simms, einst Super-Bowl-Champ mit den Giants und nun TV-Kommentator. Man darf gespannt sein, welchen Gameplan Harbaugh diesmal ausheckt. Ein "Hybrid-Quarterback" wie Kaepernick eröffnet sowohl durch die Luft als auch am Boden diverse Optionen.

ANDERE SPIELER

Wer zwei "Nummer-eins-Receiver" wie Roddy White und Julio Jones, beziehungsweise als Tight End einen zukünftigen Hall of Famer wie Tony Gonzalez hat, hat im Passangriff wenig Sorgen. Umso wichtiger ist die Unterstützung des Laufspiels, um gegen eine starke Defense nicht zu eindimensional zu werden (LAOLA1-Story über Running Backs der Titelanwärter). Das hat gegen Seattle überaschend gut funktioniert - Michael Turner steigerte sich im Vergleich zur Regular Season deutlich, Jacquizz Rodgers assistierte gekonnt. So gut die 49ers gegen Laufspiel und gegen Star-Receiver im Normalfall sind, so sehr lassen sie sich bisweilen vom gegnerischen Slot Receiver überraschen - eine gute Chance für Atlantas Nummer drei Harry Douglas. Defensiv waren die Falcons in dieser Saison immer wieder anfällig gegen das Laufspiel. Es ist zu erwarten, dass die 49ers von Beginn an versuchen, diese vermeintliche Schwäche zu nutzen. Ähnlich wie gegen Seattle wäre diesbezüglich eine frühe klare Führung von Vorteil. Unglaublich wichtig für das Team aus Georgia wäre es, wenn Defensive End John Abraham gegen die hervorragende O-Line San Franciscos im Vollbesitz seiner Kräfte ist. Der Routinier schied gegen die Seahawks wegen einer Knöchelverletzung aus und wurde schmerzlich vermisst. Er soll jedoch spielen können. Mit Cornerback Asante Samuel steht jener Spieler am Platz, der in der Playoff-Geschichte am meisten Interceptions zu Touchdowns zurücktrug (4). Die Secondary Atlantas sollte man nicht unterschätzen - in der Regular Season ließ sie nur 14 Pass-Touchdowns zu, sorgte aber für 20 Interceptions - die größte Differenz aller Teams. Man wird versuchen, Kaepernicks Unerfahrenheit zu nutzen und ihn in Fehler zu locken.

Kaepernick hin, Kaepernick her: Basis der 49ers-Offense ist traditionell das Laufspiel. Routinier Frank Gore steuerte gegen Green Bay beinahe unbemerkt starke 119 Yards bei, Rookie LaMichael James kann mit seiner Schnelligkeit für Tempowechsel sorgen. Es bleibt dabei, dass die 49ers neben Michael Crabtree, der sich in den vergangenen Wochen in starker Form befand, zumindest eine zweite verlässliche Anspielstation brauchen. Atlanta hatte in dieser Saison immer wieder Probleme mit gegnerischen Tight Ends und ließ auch Seattles Zach Miller gewähren (142 Receiving Yards, ein Touchdown) - so gesehen kein Vorteil, dass Kaepernick und Star-TE Vernon Davis bislang keine gemeinsame Chemie entwickelt haben. Und dann gibt es ja noch einen gewissen Randy Moss, der seinem großen Namen gerecht werden möchte. Defensiv lautet die Frage, wie viele Mitglieder ihrer starken Front Seven die Kalifornier opfern müssen, um das Laufspiel der Falcons zu stoppen beziehungsweise Ryan unter Druck zu setzen. Je weniger, desto mehr Akteure stehen für die Coverage von Atlantas brandgefährlichen Anspielstationen zur Verfügung. "Normalerweise nehmen wir den Star-Receiver aus dem Spiel und zwingen den zweiten Receiver uns zu besiegen. Das geht diesmal nicht, wir müssen uns beiden widmen", erwartet Cornerback Carlos Rogers im Hinblick auf White und Jones Schwerstarbeit für die Secondary. Die Rückkehr von Defensive Tackle Justin Smith tat den 49ers gut, auch wenn er bei weitem nicht fit ist. "QB-Jäger" Aldon Smith ist in den letzten Wochen ein wenig abgekühlt, aber dennoch eine stete Gefahr für gegnerische Spielmacher. Eine weitere Challenge für Atlanta werden Patrick Willis und NaVorro Bowman - das beste Middle-Linebacker-Duo der Liga.

ZAHLENSPIELE

  • Atlanta und San Francisco standen sich in der Playoff-Geschichte bislang erst einmal gegenüber, und zwar in den Divisional Playoffs 1999, Atlanta siegte 20:18. Gutes Omen für die Falcons: Sie erreichten in der Folge die Super Bowl, und auch damals eliminierten die 49ers in der Woche davor Green Bay.
  • San Franciscos Jim Harbaugh ist erst der fünfte Head Coach seit der Fusion 1970, der sein Team in den ersten beiden Saisonen nach seiner Amtsübernahme jeweils ins Championship Game führte. Vor ihm gelang dies Don McCafferty (Baltimore Colts 1970 und 1971), George Seifert (San Francisco 49ers 1989 und 1990), Barry Switzer (Dallas Cowboys 1994 und 1995) und Rex Ryan (New York Jets 2009 und 2010).
  • Seit 1970 haben immerhin bereits acht Teams in zwei aufeinanderfolgenden Championship Games verschiedene Quarterbacks gestartet, das letzte Mal ist jedoch schon eine Weile her - 1986 setzten die Washington Redskins auf Jay Schroeder, 1987 auf Doug Williams. Nach Alex Smith im Vorjahr darf bei den 49ers diesmal Colin Kaepernick sein Glück versuchen.

 

LAOLA1-PROGNOSE

Peter Altmann

Ein kniffliges Matchup! Atlanta verfügt im Hexenkessel Georgia Dome über immense Heimstärke, San Francisco wohl über den im Schnitt besseren Kader. Während die Falcons meist konstant stark spielen, hängt diese Partie wohl von der Performance der "Wundertüte" Colin Kaepernick ab. An seinen guten Tagen sind die Niners schwer zu schlagen. Erwischt er einen nervösen Tag, wird es eng für San Francisco. Man darf von einer knappen Partie ausgehen, und in solchen gibt es kaum nervenstärkere QBs als Matt Ryan. 20:17 ATL.

Bernhard Kastler

Es kommt ganz alleine auf Colin Kaerpernick an: Hat der SF-Quarterback einen guten Tag, werden die 49ers in die Super Bowl einziehen. Hat er einen schlechten, werden das die Falcons zu Hause ausnützen. In Summe spricht aber mehr für die Gäste. Zumal das letzte Viertel Atlantas gegen die Seahawks die Schwachstellen der Hausherren aufgezeigt hat, die 49ers sind in der Lage, daraus zu profitieren. 27:20 SF. 


Peter Altmann