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Die Zukunftsoptionen des Peyton Manning

Die Zukunftsoptionen des Peyton Manning

Die Indianapolis Colts haben Quarterback-Legende Peyton Manning entlassen.

Auch wenn sich diese Entwicklung seit Wochen angekündigt hat, muss man diese Nachricht erst einmal sacken lassen.

Als ob die Chicago Bulls Michael Jordan oder die Edmonton Oilers Wayne Gretzky vor die Türe gesetzt hätten – mit Manning muss sich einer der Besten aller Zeiten auf seinem Fachgebiet einen neuen Arbeitgeber suchen.

Dies hat natürlich seine Gründe – vor allem wirtschaftliche. Am 8. März wäre eine 28-Millionen-Dollar-Option für den bald 36-Jährigen schlagend geworden. Viel Geld für einen Akteur, der in der abgelaufenen Saison nach vier Nacken-Operationen keine einzige Partie bestreiten konnte.

Und wie es das Schicksal so will, wartet auf die ohne ihren Leader beispiellos abgestürzten Colts im kommenden Draft mit Andrew Luck das größte Quarterback-Talent seit Manning selbst als Nummer-1-Pick.

Damit widerfährt dem Gewinner der Super Bowl 2007 ein ähnliches Schicksal wie den Kult-Stars Joe Montana (von San Francisco 49ers zu den Kansas City Chiefs) und Brett Favre (von den Green Bay Packers erst zu den New York Jets, dann zu den Minnesota Vikings), die ihre Karriere ebenfalls nicht bei „ihren“ Franchises ausklingen lassen konnten.

Doch wo wird Manning, sofern er das überhaupt will, seine beeindruckende Laufbahn fortsetzen? Spekulationen gibt es en masse, handfeste Indizien so gut wie keine.

Bekannt sind nur jene Teams, die laut Insidern ins Rennen um den erhofften Heilsbringer einsteigen wollen. Zudem gibt es den einen oder anderen Außenseiter, der sich offiziell bedeckt hält, für Manning aber Sinn ergeben würde.

LAOLA1 analysiert die potenziellen Kandidaten nach dem aktuellen Stand der Dinge:

DIE INTERESSENTEN:

Matt Moore

MIAMI DOLPHINS

Möglicherweise der Topfavorit. Das Team aus Florida hat mit Joe Philbin einen neuen Head Coach, der zuletzt als Offensive Coordinator in Green Bay mit einem gewissen Aaron Rodgers gute Arbeit abgeliefert hat. Mit Brandon Marshall ist ein starker Receiver ebenso an Bord wie ein zuletzt durch Reggie Bush stark verbessertes Laufspiel. Auch die Defense verfügt durchaus über Potenzial. Was fehlt, ist ein Quarterback, mit dem man Titel gewinnen kann – im Prinzip seit dem Rücktritt von Dan Marino 1999 ein ungelöstes Problem. Matt Moore machte 2011 zwar keine schlechte Figur, als Langzeit-Lösung wird er jedoch nicht betrachtet. Eigentlich konnte man davon ausgehen, dass Philbin Rodgers-Backup Matt Flynn aus Green Bay mitnimmt. Nach wie vor keine unwahrscheinliche Variante, aber warum nicht gleich der ganz große Wurf? Der illustre Owner Stephen Ross ist der festen Überzeugung, dass für einen Super-Bowl-Triumph nur noch ein fähiger Spielmacher fehlt. Geld spielt für ihn eine untergeordnete Rolle. Der seriöse Manning wäre jedoch nicht der Erste, der dem umtriebigen Teambesitzer mit dem nicht allerbesten Ruf absagt. Das haben in der jüngeren Vergangenheit auch schon die beiden Wunsch-Head-Coaches Jim Harbaugh und Jeff Fisher getan.

Rex Grossman

WASHINGTON REDSKINS

Ein Name: Dan Snyder. Wer die Ungeduld und die „Geldvernichtungspraxis“ des Redskins-Owners kennt, weiß, dass Manning in der Hauptstadt ganz oben auf der To-Do-Liste steht – gleichzeitig kann man ahnen, dass der 35-Jährige mit einer gehörigen Portion Skepsis in die Verhandlungen gehen würde. Aber Manning wäre nicht der erste große Name, den Washington an Land zieht – bislang hielt sich der Erfolg dieser aggressiven Personalpolitik jedoch arg in Grenzen. Außerdem brauchen die Redskins dringend einen Quarterback. Nach zwei erfolglosen Jahren wird selbst für Star-Coach Mike Shanahan die Luft langsam dünn. Nach dem gescheiterten Experiment Donovan McNabb und dem Übergangs-Jahr mit Durchschnitts-Lösung Rex Grossman muss dringend ein begabter Spielmacher her – dies könnte mit Robert Griffin III auch ein Rookie sein. Bezüglich Manning gäbe es einige Fragezeichen: Erstens passt die auf starke Physis konzipierte Offense Shanahans nicht gut zu Peytons Spielstil, man müsste ihm wohl eine gehörige Portion Mitspracherecht einräumen. Zweitens verfügen die Redskins nicht gerade über herausragende Anspielstationen. Gerüchten zufolge könnten sie bereit sein, für Manning die aus Indy gewohnten Receiver Reggie Wayne und Pierre Garcon zu engagieren. Drittens ist das Talent-Level des Teams überschaubar hoch. Viertens: Tut es sich Peyton an, in derselben Division wie Bruder Eli von Super-Bowl-Champ New York Giants zu spielen? Reizvoll wäre es…

Matt Cassel

KANSAS CITY CHIEFS

Eine Neuauflage der Joe-Montana-Story, der einst seine Karriere in Kansas City ausklingen ließ? Warum nicht? Auch wenn sich der allmächtige General Manager Scott Pioli öffentlich wenig aufgeschlossen bezüglich dieser Idee äußerte, erklärte Head Coach Romeo Crennel bereits, dass man „verrückt“ wäre, würde man nicht zumindest über diese Option nachdenken. Die Chiefs haben ein talentiertes Team. Mit Jamaal Charles kehrt ein dominanter Running Back von einem Kreuzbandriss zurück, mit Dwayne Bowe gibt es eine sehr verlässliche Anspielstation, auch in der Defense gibt es den einen oder anderen sehr starken Spieler. Mit dem im Laufe der vergangenen Saison verletzten Matt Cassel besteht jedoch noch ein drei Jahre laufender Vertrag. Der machte seine Sache bisher zwar nicht überragend, aber auch nicht schlecht. Nicht unwahrscheinlich also, dass man weiter dem 29-Jährigen vertraut.

Mark Sanchez

NEW YORK JETS

Ein anonym bleibender Jets-Spieler machte nach dem Bekanntwerden von Mannings Abschied aus Indianapolis aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Ich will ihn in New York. Er muss ein Jet werden!“ Sinnbildlich für den Zustand dieser Franchise: Die zerstrittenen Mitspieler dürften den Glauben an Quarterback Mark Sanchez verloren haben. Medial wird diese Variante sicher gehypt werden: Peyton in derselben Stadt wie Eli, in einem Team mit Potenzial, dem aber ähnlich wie Manning ein wenig die Zeit davon läuft. Die sehr solide Defense um Superstar Darrelle Revis wäre fraglos eine gute Basis. Auch wenn die Jets jederzeit für populistische Aktionen gut sind, also nichts auszuschließen ist, gibt es gute Gründe, die gegen diesen Deal sprechen. Mal abgesehen davon, dass es verfrüht (und vor allem teuer) wäre, jetzt schon die Geduld mit Sanchez zu verlieren, haben die Jets schon Probleme mit der Salary Cap. Der nicht gerade billige Manning würde das Gehaltsgefüge weiter belasten, was zwangsläufig zu Einsparungen an Qualität auf anderen Positionen führen würde.

Kevin Kolb

ARIZONA CARDINALS

Das Team aus der Wüste wäre keine unattraktive Adresse. Mit Larry Fitzgerald steht der vielleicht beste Receiver der NFL im Aufgebot, Ken Whisenhunt ist ein smarter Head Coach mit großem Fachwissen bezüglich Offense und mit Kurt Warner hat bei den Cardinals erst unlängst ein anderer Quarterback im Spätherbst seiner Karriere reüssiert. Die Frage aller Fragen ist, ob Arizona bereits nach einer – durchaus durchwachsenen – Saison bereit ist, ihr teures Investment Kevin Kolb aufzugeben. Die Antwort ist bald fällig. Am 17. März steht dem Spielmacher ein 7-Millionen-Dollar-Bonus zu. Will man ihn loswerden, geschieht es davor. Dann müsste es allerdings auch mit Manning schnell gehen. Ob dieser sich so flott für die Cardinals entscheidet? Mit sieben Siegen in den letzten neun Saison-Spielen zeigte der Super-Bowl-Teilnehmer von 2009 zwar einen beeindruckenden Aufwärtstrend, noch verfügt das Team jedoch über einige Löcher. Und für Manning macht ein neues Team nur Sinn, wenn er früher als später gewinnen kann. Für langwierige Aufbauarbeit ist er zu alt.

Tarvaris Jackson

SEATTLE SEAHAWKS

Eine ähnliche Sachlage wie bei Arizona. Die Seahawks sind – wie die zweite Hälfte der Saison 2011 andeutete - ebenfalls ein aufstrebendes Team, mit Head Coach Pete Carroll hat ein durchaus kreativer Kopf das Sagen. Während Marshawn Lynch solides Laufspiel garantiert, ist die Quarterback-Situation unbefriedigend. Die Chance, dass Tarvaris Jackson noch zu einem Gewinner-Typen reift, ist gering. In der Öffentlichkeit geben sich die Seahawks bezüglich ihres Interesses an Manning bedeckt, intern soll es aber sehr wohl Überlegungen geben. Neben dem unausgereiften Spielermaterial könnte jedoch vor allem der für Manning wenig attraktive Standort Seattle ein großer Nachteil in den Verhandlungen sein.

DIE (SINNVOLLEN) AUSSENSEITER:

Folgende Teams, die entweder noch nicht mit Manning in Zusammenhang gebracht wurden, oder sich zumindest offiziell aus dem Rennen genommen haben, könnten überlegenswerte Alternativen sein:

Matt Schaub

HOUSTON TEXANS

2011 hat gezeigt, dass die Texaner auf dem besten Weg zum ersthaften Super-Bowl-Kandidaten sind – ohne die Verletzung von Quarterback Matt Schaub wäre es vielleicht sogar schon dieses Jahr so weit gewesen. Schaub ist ein guter Vertreter seiner Zunft, ob er die Klasse für den ganz großen Wurf besitzt, ist eine andere Frage. Für Manning wäre das Gesamtpaket Houston auf dem ersten Blick reizvoll: Sensationelle Defense, durch Arian Foster und Ben Tate ein Laufspiel in einer Qualität, wie er es in Indy nie genießen durfte, mit Andre Johnson ein Receiver der Extraklasse. Zudem mit der AFC South eine derzeit schwache Division, in der er sich noch dazu zwei Mal im Jahr an den Colts rächen dürfte. Dagegen spricht, dass Manning für Houstons System nicht mobil genug ist und seine Verpflichtung die Texans vor grobe Salary-Cap-Probleme stellen dürfte.

Alex Smith

SAN FRANCISCO 49ERS

Ähnliche Vorzeichen wie bei Houston: Sensationelle Defense, die das Team heuer beinahe in die Super Bowl gehievt hätte. Solides Laufspiel um Frank Gore, in der Free Agency soll zudem ein fähiger Receiver vom Schlage eines Vincent Jackson oder Mike Wallace verpflichtet werden. Mit Jim Harbaugh betreut die Kalifornier eines der größten Coaching-Talente der Liga, das übrigens ironischerweise Mannings unmittelbarer Vorgänger als Colts-Quarterback war. Ein Manning-Coup ist dennoch unwahrscheinlich, denn die Niners sind fest entschlossen, weiter auf Alex Smith zu setzen. Dessen Vertrag ist jedoch noch nicht verlängert. Scheitern die Verhandlungen überraschend, könnte Peyton als Alternative schlagend werden. Die Kommunikationswege sind jedenfalls kurz, denn mit Tom Condon haben Smith und Manning zufällig denselben Agenten…

Tim Tebow

DENVER BRONCOS

Ein reizvoller Gedanke. Wie lange Tim Tebow seine Mängel mittels Hype um seine Person kaschieren kann, steht ohnehin in den Sternen. Hinter Manning könnte er ein, zwei Jahre von einem der Besten lernen, an seinen Defiziten feilen und auch seine durchaus vorhandenen Stärken forcieren. Manning wiederum käme in eine vielversprechende Situation: Starke Defense und beeindruckendes Laufspiel hievten die Broncos heuer in die Playoffs, mit Demaryius Thomas steht zudem ein Receiver-Juwel im Aufgebot. Denver-Boss John Elway, seines Zeichens selbst Quarterback-Legende, gilt ohnehin nicht als der allergrößte Tebow-Fan. Nicht ausgeschlossen, dass auch er diesen reizvollen Gedanken hegt.


Nachzügler in Quarterback-Not wie die Jacksonville Jaguars und Cleveland Browns dürfen sich wohl eher geringe Chancen ausrechnen.

Nie ausschließen kann man, dass ein nach Aufmerksamkeit suchender oder besonders ungeduldiger Owner mit einem Manning-Deal den Vogel abschießen will – ein Schelm, wer hier an die Dallas Cowboys denkt…

Fest steht nur eines: Die Frage nach der Zukunft von Peyton Manning wird bis zu ihrer Beantwortung das bestimmende Thema dieser Offseason.

Peter Altmann