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Der Fehlstart einer Quarterback-Generation

Der Fehlstart einer Quarterback-Generation

Nein, sie waren beileibe nicht die Hauptdarsteller des NFL-Drafts 2013. Für reichlich Gesprächsstoff sorgten die Quarterbacks dennoch.

Erstmals seit 2001 wurde nur ein Spielmacher in der ersten Runde gedraftet. Damals war dies übrigens ein gewisser Michael Vick, der an Nummer 1 zu den Atlanta Falcons kam. Gleich zu Beginn der 2. Runde folgte bei den San Diego Chargers ein gewisser Drew Brees, heute lebende Legende der New Orleans Saints.

Interessanterweise kennen sich gerade von der aktuellen Quarterback-Elite einige mit „Draft-Dramen“ bestens aus.

Man frage nach bei Tom Brady, der 2000 bis in die 6. Runde rutschte und erst als insgesamt 199. Spieler ausgewählt wurde. Oder Aaron Rodgers, der 2005 als potenzieller Nummer-1-Pick galt und dessen tapferes Verharren im Green Room zum TV-Ereignis wurde. Erst an Nummer 24 hatte Green Bay "Mitleid".

Der Rest der Geschichte ist bekannt. Seit wenigen Tagen hat Rodgers einen Fünfjahres-Vertrag für 110 Millionen Dollar in der Tasche und ist somit der bestbezahlte Spieler der NFL-Geschichte.

Barkley stürzt in Runde 4 ab

Brady, Rodgers und Co. dienen, jeder auf unterschiedliche Art und Weise, als Vorbild für die Quarterback-Klasse 2013. Dass selbige qualitative Limits hat, war bereits im Vorfeld des Drafts bekannt.

Dass die Vorbehalte der 32 Teams bezüglich der Vertreter der wichtigsten Position so groß sein würden, kam indes überraschend. E.J. Manuel (Buffalo Bills) wurde als einziger Spielmacher in Runde 1 gewählt, und diese Entscheidung ist mehr als umstritten. Ebenso wie die Wahl des einzigen QBs in Runde 2: Geno Smith zu den New York Jets. Auch Runde 3 erlebte mit Mike Glennon (Tampa Bay) nur einen Quarterback.

Zum Vergleich: 2012 wurden alleine in den ersten acht Picks der 1. Runde drei Quarterbacks gewählt.

Und bei ebenjenem Draft knüpft die Geschichte von Matt Barkley an, der heuer bis in die 4. Runde abstürzte, ehe die Philadelphia Eagles der Versuchung nicht widerstehen konnten und für ihn nach oben tradeten.

Ein Millionen-Verlust

Vor einem Jahr galt Barkley noch als sicherer Erstrunden-Pick, wurde unmittelbar hinter den beiden Ausnahmekönnern Andrew Luck und Robert Griffin III eingeordnet. Die Wahrscheinlichkeit, dass er anstelle von Ryan Tannehill an Nummer 8 bei den Miami Dolphins gelandet wäre, ist keine geringe.

Ist er aber nicht. Freiwillig. Barkley entschied sich, für ein weiteres Jahr zurück ans College zu USC zu gehen. Offiziell aus sportlichen Gründen, weil er den College-Titel ins Visier nehmen wolle. Der vermutliche wahre Hintergedanke: Nach einer weiteren guten Saison an der Uni wäre er das Aushängeschild der Quarterback-Klasse 2013, zu bescheiden erschien die Konkurrenz.

Letztlich war es eine Entscheidung, die der 22-Jährige heute vermutlich bitter bereut. Nun gibt es freilich unangenehmere Orte als die Party-Uni im Süden Kaliforniens, dennoch kostete ihm die Rückkehr ans College tendenziell Millionen. Viele Millionen.

In dieser Szene verletzte sich Barkley gegen UCLA schwer an der Schulter

Tannehill bekam in Miami einen Vierjahres-Vertrag für 12,7 Millionen Dollar. Barkley wird in Philadelphia um einen Bruchteil dessen seiner Arbeit nachgehen.

Noch dazu gibt es wohl berechtige Zweifel, ob der eher traditionelle Dropback-Quarterback in das Spielsystem des neuen Head Coaches Chip Kelly passt. Dieser betreute wiederum bis zur vergangenen Saison die College-Mannschaft aus Oregon und durfte Barkley aus gegnerischer Perspektive aus nächster Nähe bewundern.

Barkley schwört Rache

Dabei sah er einen Matt Barkley, der sportlich nicht wie gewohnt überzeugte und dessen Saison zu allem Überdruss nach einer schweren Schulterverletzung auch noch früh endete.

Vorbehalte wegen seines eher durchschnittlichen Wurfarms und des Umstands, dass viele seiner Vorgänger als USC-Quarterbacks, wie Matt Leinart oder Mark Sanchez, den hohen Erwartungen in der NFL nicht gerecht wurden, ließen seinen Draft-Marktwert weiter sinken.

Schon Brady hat gezeigt, welchen Ehrgeiz man nach einem derartigen Draft-Desaster entwickeln kann. Auch Barkley schwört bereits, dass er es allen zeigen möchte, die nicht an ihn glaubten: „Ich werde dieses Draft-Wochenende lange in Erinnerung behalten und so wird es auch jenen Teams gehen, die mich nicht gedraftet haben.“

Vorerst wird er sich bei den Eagles jedoch hinter Vick anstellen und vermutlich mit Nick Foles um die Rolle als Backup duellieren müssen.

Die Jets und ihre „Quarterback-Sammlung“

Seinem Vorgänger bei USC, Mark Sanchez, geht es dieser Tage bekanntlich nur unwesentlich besser. Dessen Tage bei seinem Arbeitgeber könnten nämlich gezählt sein, zumindest zieht sich die Schlinge um seinen Hals immer mehr zu.

Fehlentscheidung? E.J. Manuel steht in Buffalo unter großem Druck

Vor allem überraschte, dass der neue Head Coach Doug Marrone Manuel den Vorzug gegenüber Ryan Nassib, den er am College in Syracuse betreute, gab. Ob seine Amtszeit zum Erfolg wird, steht und fällt wohl mit dieser Entscheidung.

In Buffalo ist man jedenfalls zuversichtlich, mit dieser unerwarteten Wahl den Jackpot geknackt zu haben. „Wenn es uns gelingt, diesen Burschen zu entwickeln, hat er das Talent, um uns zum Tanz auszuführen“, erklärt General Manager Buddy Nix.

Das „Problem“ des Ryan Nassib

Nassib wiederum gehörte zu jenen Spielmachern, die im Draft nach unten purzelten. Anstatt ein potenzielles Erstrunden-Ticket zu lösen, erlösten ihn erst die New York Giants in Runde 4.

Positiv formuliert, kann er dort von einem Superstar wie Eli Manning lernen. Allzu große Hoffnungen auf einen Einsatz braucht er sich jedoch keine zu machen, denn für seine Verletzungsanfälligkeit ist der zweifache Super-Bowl-Champion nicht bekannt.

Das letzte Mal, dass der Starter der Giants nicht auf den Namen Eli Manning hörte, war in der Saison 2004, als ein gewisser Kurt Warner den Ball verteilte.

Aber vorerst muss Nassib ohnehin eine andere Sache aus der Welt schaffen, ist er doch Dauerkartenbesitzer beim verhassten Erzrivalen Philadelphia Eagles. „Die Giants haben mir sofort gesagt, dass ich meine Verbindung zu den Eagles lösen und die Seite wechseln muss, aber das sollte kein Problem sein“, grinste Nassib.

Als ob dies das größte Problem des Quarterback-Jahrgangs 2013 wäre. Zu beweisen haben seine Vertreter jedenfalls genügend.

Peter Altmann

Denn seine New York Jets beendeten in Runde 2 das Leiden des jungen Geno Smith. Dieser gilt als bester Quarterback dieses Jahrgangs, musste beim Draft jedoch „einen auf Rodgers machen“ und vor den Augen des TV-Publikums die Demütigung ertragen, dass ihn ein Team nach dem anderen nicht auserwählte.

Bei der „Gang Green“ erwartet ihn eine recht unübersichtliche Quarterback-Situation. Mark Sanchez ist der Starter und sitzt auf einem teuren Vertrag, der eine Entlassung zu einem veritablen Nonsense werden ließe. Dazu kommt das allseits bekannte Dilemma mit Tim Tebow, dessen Verpflichtung sich bislang – vorsichtig formuliert – nicht bezahlt machte.

Zudem stehen mit Routinier David Garrard, Greg McElroy und Matt Simms drei weitere Quarterbacks unter Vertrag.

Sanchez ein millionenschwerer Restposten?

Am meisten Kopfzerbrechen bereitet jedoch der Kontrakt von Sanchez. Diesem sind 8,25 Millionen Dollar für die kommende Saison garantiert zugesichert – egal, ob er am Roster steht oder nicht. Gegen die Salary Cap zählt er zumindest 12,8 Millionen – egal, ob er am Roster steht oder nicht. Das ist rund ein Zehntel der Gehaltsobergrenze.

Eigentlich zu viel, um ihn zu entlassen und ohne Gegenleistung einem anderen Team zu schenken. Offiziell bedeutet der Smith-Deal laut General Manager John Idzik „Konkurrenz“ für Sanchez.

Egal welcher Quarterback für die Franchise aus dem „Big Apple“ Bälle werfen wird, ein Grundproblem bleibt: Die Nebenrollen sind schlecht besetzt, qualitativ hochwertige Anspielstationen sind Mangelware.

Smith hat sich dennoch die Playoffs zum Ziel gesetzt und formuliert auch ehrgeizige Ansprüche an seine Person: „Mein Ziel ist es, ein Franchise-Quarterback zu sein. Aber vorerst erwartet mich jede Menge Arbeit.“

„Tanzt“ Buffalo mit Manuel zur Super Bowl?

Interessant wird der Vergleich mit E.J. Manuel, der in Buffalo und somit ebenfalls in der AFC East gelandet ist. Die Bills machten im Draft wenigstens insofern einen guten Job, als sie ihrem neuen Spielmacher in Runde 2 mit Robert Woods und in Runde 3 mit Marquise Goodwin zwei neue Anspielstationen zur Seite stellten.

Ob Routinier Kevin Kolb oder von Beginn an Manuel die beiden Receiver mit Pässen füttern wird, wird sich weisen. Denn unkritisch wird die Wahl von Manuel keineswegs gesehen. Der 23-Jährige galt nicht unbedingt als bester Vertreter dieser Quarterback-Klasse.