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Manning: "Ich könnte der Nächste sein - wer weiß..."

Manning:

Als ob diese Saison für Peyton Manning nicht schon genug Tiefschläge geboten hätte, muss sich die Super-Bowl-Paarung New York Giants gegen New England Patriots für ihn wie die unerfreuliche Spitze des Eisbergs anfühlen.

Das vergleichsweise angenehme Szenario: Bruder Eli führt seine Giants zum Triumph und übernimmt in der familien-internen Super-Bowl-Wertung mit 2:1 die Führung.

Das weniger angenehme Szenario: Dauerrivale Tom Brady zementiert mit seiner vierten Vince-Lombardi-Trophy seinen Ruf als „Quarterback des Jahrzehnts“ – zumindest als erfolgreichster.

Triumph in Peytons „Wohnzimmer“

Und als zusätzliches Salz in der Wunde jubelt einer der beiden auch noch in Peytons „Wohnzimmer“, dem Lucas Oil Stadium in Indianapolis – jener Stadt, in der Peyton in Diensten der Colts zur Legende wurde, die er prägte wie kaum jemand vor ihm.

Peyton Manning ist Indianapolis, Indianapolis ist Peyton Manning.

Stellt sich die Frage: Wie lange noch? Vermutlich nicht mehr lange. Denn die meisten NFL-Beobachter sind sich einig, dass sich diese heldenhafte Ära unweigerlich ihrem Ende zuneigt, und dies leider mit einem eher unwürdigen Trauerspiel.

Die Hauptdarsteller neben dem alternden Superstar: Colts-Owner Jim Irsay, ein Hollywood-Schauspieler und ein Quarterback-Jungstar.

Colts-Absturz ohne Manning

Doch der Reihe nach: Manning verpasste diese Saison verletzungsbedingt. Die Indianapolis Colts erlebten daraufhin einen kompletten Absturz vom Playoff-Stammgast zum schlechtesten Team der Liga mit einer peinlichen Bilanz von zwei Siegen in 16 Spielen.

Viele analysierten diese beispiellose Talfahrt wie folgt: Manning ist mit vier Auszeichnungen zum Most Valuable Player der NFL zwar Rekordhalter, in Wahrheit hätte er die MVP-Trophäe jedoch noch öfter abstauben müssen, so sehr wurde seine Wertigkeit für dieses Team erst während seiner Abwesenheit deutlich.

Wie auch immer: Diese desaströse Saison hat(te) zwei Konsequenzen. Die negative: Irsay entschied sich für ein Großreinemachen und überreichte so ziemlich jedem leitenden Angestellten der Colts den blauen Brief.

Peyton Manning bescherte Jim Irsay (r.) einen Super-Bowl-Triumph

„Ich dachte immer, ich wäre derjenige, der das bekannt gibt. Ich bin ein großer Fan dieses Films, aber das hat mich völlig unvorbereitet erwischt. Ich kann es mir nicht erklären. Ich weiß, dass Lowe ein Freund von Irsay ist, auch Irsay hat überrascht geklungen.“

Soll heißen: Manning plant sehr wohl, wieder seine Lieblingsbeschäftigung als gekonnter Ballverteiler aufzunehmen, sobald seine Nackenverletzung ausgeheilt ist.

Könnte er dies in Indianapolis tun, müsste er sich an unzählige neue Gesichter gewöhnen. Denn Irsay hat so ziemlich alle Vertrauenspersonen von Manning gefeuert: Head Coach Jim Caldwell und zahlreiche seiner Assistenten, Mastermind Bill Polian und dessen Sohn Chris, der als General Manager fungierte – jeweils Schlüsselfiguren, die ihren fairen Anteil an einer der größten NFL-Erfolgs-Storys des letzten Jahrzehnts hatten.

„Plötzlich funktionieren die Schlüssel nicht mehr…“

Ja sogar Conditioning Coach Jon Torine, mit dem Manning bis zuletzt für sein Comeback schuftete, musste seinen Hut nehmen. Nachdem dieser sein Büro geräumt hatte, trafen sie sich aus sentimentalen Gründen noch einmal zu einem Workout.

„Das war hart, sehr emotional“, gesteht Manning, der seine Trauer, so viele eng verbundene Weggefährten zu verlieren, gar nicht erst verhehlt.

„Ich will diesen Leuten einfach meinen Tribut erweisen. Es ist unglücklich, da so viele von ihnen solch einen großen Anteil an unseren vielen großen Siegen hatten. Das kommt so plötzlich. Schon am nächsten Tag funktionieren ihre Schlüssel nicht mehr. Ob es keinen anderen Weg gibt, das zu tun? Ich weiß es nicht. Aber es ist hart mitanzusehen, wie uns all diese Leute verlassen.“

Nachsatz: „Und ich könnte der Nächste sein. Wer weiß…“

Daran, was sein Wunschszenario wäre, lässt Manning keinen Zweifel: „Ich will nicht eine Art von Kampagne gegen den Owner starten. Aber ich denke, es ist gut dokumentiert, dass ich meine gesamte Karriere am selben Ort verbringen möchte. Es war für mich ein Privileg, hier zu spielen. Ich liebe die Fans und die Stadt.“

Irsay wirft Manning Politik vor

Der Routinier betont jedoch gleichzeitig, dass er versteht, wie das NFL-Business funktioniert, dass schwierige Entscheidungen getroffen werden müssen:

„Man muss die persönliche und die wirtschaftliche Ebene trennen. Ich habe andere Abgänge von Spielern gesehen, wo er persönlich wurde. Ich habe zu viel in diese Stadt investiert, als dass das passieren darf.“

Dass persönliche Eitelkeiten bei der kaum vermeidbaren Trennung eine Rolle spielen werden, lässt sich jedoch kaum noch verhindern.

Denn Irsay reagierte wenig erfreut auf dieses Interview. Vor allem auf jenen Teil, wo Manning die Colts als derzeit „nicht sehr gutes Umfeld, um gesund zu werden“ bezeichnete und dies mit der nervösen Grundstimmung der Belegschaft aufgrund weiterer drohender Entlassungen begründete: „Ich erkenne unser Office derzeit nicht wieder. Es ist solch ein totaler Umbruch.“

Die positive: Die Colts verfügen im April im Draft über den Nummer-1-Pick. Wie es der Zufall so will, ist mit Stanford-Spielmacher Andrew Luck das vermeintlich größte Quarterback-Ausnahmetalent seit – ja genau – Peyton Manning der designierte Top-Pick.

Dass sich Indy, das sich also mitten im Rebuilding-Modus befindet, diese Chance nicht entgehen lässt, steht wohl außer Frage.

Aufsehenerregendes Interview von Manning

Nur: Was tun mit jenem Mann, dem man in den letzten 14 Jahren alles – unter anderem den Super-Bowl-Triumph 2007 – zu verdanken hat?

Mal abgesehen davon, dass es aufgrund von Mannings Gesundheitszustand nicht gänzlich sicher ist, ob er je wieder spielen kann, ist die Variante, dass der bald 36-Jährige als Mentor für Luck dient, in Zeiten der Gehaltsobergrenze aus finanziellen Gründen unwahrscheinlich.

Steht Manning am 8. März noch im Kader, stünde ihm ein Bonus von 28 Millionen Dollar zu. Man darf aktuell mehr denn je davon ausgehen, dass er noch davor entlassen wird.

Denn basierend auf dieser schon länger bekannten Ausgangsposition entwickelte sich in dieser Woche ein über die Medien ausgetragenes Fernduell zwischen Manning und Irsay.

Den ersten Zug tat der Quarterback. Manning, für gewöhnlich kein Freund der großen Worte und schon gar keiner von Exklusiv-Interviews, gab Bob Kravitz vom „Indianapolis Star“ ein selbiges.

Und zwar ein erstens äußerst lesenswertes, zweites sehr offenes und drittens wohl überlegtes Interview.

Colts entlassen sämtliche Vertrauenspersonen von Manning

Ein Anlass war, dass mit Hollywood-Mime Rob Lowe unlängst ein Intimus von Irsay via Twitter den Rücktritt von Manning ankündigte – bezugnehmend auf eine „verdammt gute Quelle“.

„Ich hätte nie gedacht, dass ‚Sodapop Curtis‘ meinen Rücktritt vermelden würde“, grinste der elfmalige Pro-Bowler in Anspielung auf Lowes Rolle im 1983 gedrehten Film „The Outsiders“.

„Bei uns gibt es keine schlechte Situation, was den Heilungsverlauf betrifft. Das ist keine korrekte Betrachtungsweise. Solche Sachen gehören intern geklärt. Wenn es ein Problem gibt, redet man miteinander“, kritisiert Irsay, der Manning vorwirft, „Politik zu betreiben.“

Dass der Colts-Owner seine Kritik im Rahmen der Präsentation des neuen Head Coachs Chuck Pagano selbst in aller Öffentlichkeit äußerte, sei nur am Rande erwähnt.

Der Denkmal-Sturz ist offenbar Chefsache

Dass mit dem bisherigen Defensive Coordinator der Baltimore Ravens ein Abwehr-Fachmann das Traineramt übernimmt, ist weniger ein Indiz, dass die Colts nicht mehr auf Manning setzen. Höchstinteressant ist indes, dass sich Manning und der neue General Manager Ryan Grigson bislang erst einmal, und das zufällig am Gang des Colts-Hauptgebäudes, trafen.

Würde der neue Hauptverantwortliche wirklich mit dem wichtigsten Teil des Personal-Puzzles eines Football-Teams planen, hätte ihn sein allererster Weg nach Amtsantritt zu ihm geführt – als vertrauensbildende Maßnahme und alleine schon der Höflichkeit und Vernunft wegen.

Grigson teilte Manning nur mit, dass das Gespräch bezüglich seiner Zukunft Irsay mit ihm führen werde.

Das größte Denkmal der Stadt zu Sturz zu bringen, ist in diesem Fall also Chefsache. Zieht Indy wirklich das eigentlich Unvorstellbare durch und demontiert die Fan-Ikone, wäre er nicht die erste Team-Legende, der so etwas passiert.

Noch frisch in Erinnerung ist der unwürdige Abgang von Packers-Idol Brett Favre aus Green Bay. Nach einem Zwischenstopp bei den New York Jets schaffte es dieser mit den Minnesota Vikings aber immerhin ins Conference Final der NFC.

In den 90ern musste Joe Montana bei den San Francisco 49ers Steve Young Platz machen und ließ seine glorreiche Laufbahn bei den Kansas City Chiefs ausklingen.

Eli wieder einmal in Peytons Schatten

Üblicher ist es jedoch, dass Legenden mit derartigem Helden-Status die gesamte Karriere bei einem Team verbringen.

Im Fall der Fälle würde es an Interessenten bestimmt nicht mangeln. Die Washington Redskins, die der Verpflichtung großer Namen selten abgeneigt sind, gelten ebenso als möglicher neuer Arbeitgeber wie die New York Jets, wo man mit Mark Sanchez unzufrieden ist, die Miami Dolphins oder die Arizona Cardinals.

Wie es mit Manning weitergeht, wird definitiv die Top-Story der Offseason. Im Grunde genommen dominiert Peyton auch aktuell trotz spannenden Super-Bowl-Matchups die Schlagzeilen.

Es scheint wohl Elis Schicksal zu sein, dass er selbst unmittelbar vor einem solchen Karriere-Höhepunkt ein wenig im Schatten von Peyton steht…

Peter Altmann