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"Ich trauere gar nichts nach"

Quarterback der Vienna Vikings. Quarterback des österreichischen Nationalteams.

Der Spieler, der den ersten rot-weiß-roten WM-Touchdown in der Geschichte erwarf. Ein Austrian-Bowl-Sieg.

Die Vita des erst 23-jährigen Christoph Gross liest sich schon recht beachtlich.

In der laufenden AFL-Saison schickt er sich an, dieser noch einige Trophäen hinzuzufügen.

Bei LAOLA1 spricht Gross über die wiedererstarkten Vikings, die vergangene WM und Zukunftsperspektiven.

LAOLA1: Die Vikings haben jedes ihrer vier Spiele gewonnen, und das mit einem Gesamtscore von 169:19. Was kann man von den Vikings heuer noch erwarten?

Christoph Gross: Das Ziel ist, dass wir den Grunddurchgang mit einer konstanten Leistung absolvieren. Also auch, dass wir gegen die stärkeren Gegner, wie zum Beispiel die Raiders, Giants oder Dragons, auf einem genauso hohen Level spielen wie gegen die vermeintlich schwächeren Teams wie die Panthers. Die brauchen einfach noch etwas Zeit und Entwicklung.

LAOLA1: Nun kommt der Schlager gegen die Raiders. Bereitet man sich auf diesen intensiver vor?

Gross: Das können wir leider nicht. Wir haben pro Gegner nur eine Woche Zeit, um unseren Gameplan einzustudieren. Da zumindest die österreichischen Spieler keine Profis sind, haben wir nicht so viel Zeit. Wir trainieren nur drei Mal in der Woche, da geht es sich einfach nicht aus, dass man sich schon früher auf die Raiders vorbereitet.

LAOLA1: Wird es am Ende auf ein Duell mit den Raiders hinauslaufen, oder werden die Giants auch mitmischen?

Gross: Mich freut die gute Leistung, die die Giants in den letzten Spielen gezeigt haben. Dadurch wird die Liga spannender, und es wird mehrere so knappe Spiele wie am ersten Spieltag (Runde 1) geben. Das freut mich für die Liga und auch als Spieler, weil dadurch das Level höher wird, auf dem man als Spieler agieren muss.

LAOLA1: Glaubst du, dass die Importregelung für den jetzigen Zeitpunkt passt?

Gross: Ja, denke ich schon. Letztes Jahr war sie, vor allem auf Spieler aus Deutschland bezogen, ein bisschen freier, dafür ist sie heuer umso strenger. Die Raiders bekamen deshalb erst etwas Probleme, aber jetzt sieht man, dass junge Spieler, die ansonsten gar nicht gespielt hätten, mehrere Touchdowns erzielen und ein Grundbestandteil des Teams sind. Das wären sie wahrscheinlich ohne der Importregelung nicht. Ich denke, die Regelung ist gut für die ganze Liga.

LAOLA1: Würdest du die Liga vielleicht mit weiteren ausländischen Teams vergrößern?

Gross: Ja, gerne, ich würde beispielsweise gerne Budapest zurück in der österreichischen Liga sehen. Die waren ja schon ein Mal in der Division I. Prag ist auch ein gutes Beispiel. Das Problem an Erweiterungen mit ausländischen Teams ist aber die Zeit, die man da am Wochenende für die Spiele investieren muss. Neben meinem Beruf und meinem Vollzeitstudium ist es nicht das Leichteste, jedes zweite Wochenende weit weg zu fahren. Ich bin froh, dass wir in Wien relativ zentral liegen. Unsere Auswärts-Fahrten sind heuer nur nach Innsbruck, Graz und Prag. Gegen die Dragons und Rangers spielen wir ja praktisch vor der eigenen Haustür.

LAOLA1: Heuer wird es erstmals ein Heimspiel in der Generali Arena geben. Freust du dich schon darauf?

Gross: Ich denke noch nicht so viel darüber nach, es sind immer die kommenden Spiele die wichtigsten. Ich mag ehrlich gesagt die Hohe Warte. Dort ist die Stimmung einzigartig, es ist anders als zum Beispiel am Tivoli. Dort ist dann eben nur eine halbe Tribüne gefüllt und der Rest ganz leer. Ich bin grundsätzlich mit der Hohen Warte zufrieden, aber ich lasse mich gerne positiv überraschen. Wenn wir es schaffen, zwei Mal ein ausverkauftes Stadion zu haben (AFL-Einzug in die großen Stadien), bin ich sicher mehr als zufrieden damit.

LAOLA1: Der letzte Eurobowl-Triumph ist jetzt schon fünf Jahre her, das ist für Vikings-Verhältnisse eine lange Zeit. Was ist das Ziel für heuer? Soll ein Sieg her oder liegt die Konzentration mehr auf Österreich?

Gross: Man will prinzipiell einen Sieg, entweder Austrian Bowl oder Eurobowl. Ich würde sagen, die letzten zwei, drei Jahre haben wir einfach die Entwicklungsarbeit gebraucht, auf allen Positionen, nicht nur beim Quarterback. Wir waren damals ein sehr junges Team, in dem sich jeder verbessert hat, und jetzt ernten wir die Früchte. Beim derzeitigen Stand der Dinge erwarte ich mir schon ein Endspiel, noch besser wären natürlich zwei.

LAOLA1: Du bist mit elf Touchdowns und 870 Passing Yards nach vier Spielen der mit Abstand beste Quarterback der Liga, auch besser als die Import-Quarterbacks. Siehst du dich als ein gutes Beispiel dafür, dass man auch mit Österreichern auf den Schlüsselpositionen spielen kann und sollte?

Gross: Als Fan der Liga freut es mich, wenn ich Amerikaner am Spielfeld sehe, da sie einfach großartige Plays machen. Als Spieler würde ich mich aber freuen, wenn meine österreichischen Kollegen spielen könnten, immerhin trainieren sie das ganze Jahr dafür. Gerade auf der Position des Quarterbacks ist der Aspekt der Zeit kritisch. Da ich nebenbei auf einer FH studiere, ist es bei mir zeitlich schon sehr knapp. Ich kann von Glück reden, dass ich in den letzten Jahren bei den Vikings gespielt habe und in diesem System groß geworden bin. Dragons-Quarterback Thomas Haider zum Beispiel hat gemeint, dass er neben seinem Medizinstudium nicht die Zeit hat, sich immer auf seine Aufgaben als Quarterback vorzubereiten. Durch die Verletzung von Dally muss er jetzt aber doch wieder einspringen. Es ist nicht das Leichteste, als Hobby- bzw. Freizeitsportler auf diesem Leistungslevel zu spielen.

LAOLA1: Hältst du auf lange Sicht eine Liga, in der ausschließlich Österreicher spielen, für möglich?

Gross: Es gibt keinen Grund, warum das nicht so sein sollte. Man braucht nur die entsprechenden Coaches dafür, egal ob amerikanische oder österreichische,  und natürlich die passenden Spieler. Die müssen Einsatz zeigen und die Zeit für den Sport aufwenden.

LAOLA1: Die WM ist für Österreich nicht nach Wunsch verlaufen. Trauerst du einem größeren Erfolg nach?

Gross: Nein, ich trauere gar nichts nach. Die Erfahrungen, die ich dort gesammelt habe und die Situationen, in denen ich war, waren einzigartig. Ich nehme alles so, wie es passiert ist und versuche, daraus zu lernen.

LAOLA1: War es deine letzte WM?

Gross: Da bin ich noch nicht sicher. Ich will das nicht so in meinem Lebenslauf stehen lassen und hoffe, dass ich nochmal die Chance kriege, bei einer WM zu spielen.

LAOLA1: Denkst du, dass Football in Österreich jemals in einer Liga mit Fußball mitspielen kann?

Gross: Es wird ziemlich schwer werden, dieses Niveau zu erreichen. Wir spielen aber schon auf einem Top-Level in Europa. Ausnahmeathleten können schon nach Amerika gehen und dort eine mittelmäßige Footballkarriere anstreben. Zwar nicht als Profi, aber immerhin am College. Einerseits wünsche ich es jedem, dass er das macht, aber andererseits fehlen diese Talente dann in Österreich. Die Liga braucht sie aber, um auf ein höheres Niveau zu kommen. Es ist ein zweischneidiges Schwert.

LAOLA1: Danke für das Gespräch.

Das Gespräch führte Martin Schauhuber