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Eine Reform sorgt für viel Kopfschütteln

Eine Reform sorgt für viel Kopfschütteln

„Es ist weniger schlimm, als ursprünglich angedacht.“

Ein Satz von Stefan Potyka, im ÖVV als Vize-Präsident für Beachvolleyball zuständig, sagt viel über die Regel-Änderungen auf der World Tour.

Wenn eine Reform „weniger schlimm“ ist, muss die Frage erlaubt sein, warum überhaupt reformiert wird. Diese Frage stellen sich viele Spieler, die keinen Grund sehen, an einem bisher funktionierenden System herumzubasteln.

Kurzfristige Änderungen

Gebastelt wird jedenfalls am „offenen Herzen“, wie sich beim Auftakt in Fuzhou wieder einmal zeigte.

Einmal mehr in der noch sehr jungen Saison gab es eine kurzfristige Adaptierung, die diesmal auch für den Zuschauer sichtbar war. Sie betraf die Setzung: Zum einen wird nun auch in der Qualifikation anhand der Team-Punkte gesetzt, zum anderen erhält das Veranstalter-Land im Hauptbewerb die Top-Setzung.

Top-Setzung für Veranstalter

Während das bei den Damen in Fuzhou nicht ins Gewicht fiel, zeigte sich im Herrenbewerb die Schwäche: Das Duo Wu/Wu wäre bei normaler Setzung um Rang 18 herum gelegen. Der Nummer-1-Status half nichts, das Duo verabschiedete sich bereits nach der Gruppenphase. Obwohl sich also die Nummer 1 früh aus dem Turnier verabschiedete, blieb das Wort Sensation angesichts der Tatsachen aus.

Besonders „interessant“ verspricht die Top-Setzung für das Veranstalterland bei den Turnieren in Indien, Uganda oder Südafrika – allesamt nicht mit Teams auf der World Tour vertreten – zu werden…

Viele kurzfristige Änderungen

Nur eine von vielen Regeländerungen, die über den Winter angedacht, verworfen oder letztlich doch umgesetzt wurden.

Der Kernpunkt der Reform: Die erspielten Punkte „gehören“ nicht mehr den Teams, sondern werden für ein Verbandsranking herangezogen.

Anhand dieses „Nation Federations Ranking“ werden Quotenplätze im Hauptbewerb vergeben. Wer diese erhält, obliegt den nationalen Verbänden (mehr Infos hier).

ÖVV-Vize-Präsident Stefan Potyka

„Ein Wirtschaftszweig wurde abgeschafft“

Für Wenning ist klar: „Das Konstrukt der Quotenplätze passt deutlich besser zu Ländern wie Brasilien. Dort hat der Verband andere finanzielle Möglichkeiten, arbeitet mit hauptamtlichen Trainern zentral mit einem ausgewählten Spielerkreis, bezahlt alle Kosten und sogar ein Gehalt an die Spieler. Beansprucht allerdings im Gegenzug, selbst über die Auswahl der Spieler sowie deren Teilnahmen an Turnieren zu entscheiden.“

„In Brasilien wurde praktisch ein kleiner Wirtschaftszweig mit den Privat-Teams abgeschafft“, erklärt Potyka, für den klar ist: „Sie haben in drei Jahren ihre Olympischen Spiele mit einem Ziel: Gewinnen.“

Als Konsequenzen wurden nun die besten Spieler zusammengefasst. Die neuen Zugangsregeln auf der Tour helfen dabei: „Sie haben nun ein Druckmittel.“ Zu spüren bekommen haben das bereits einige große Namen: Auf den Nennlisten der ersten Turniere sucht man die Namen Marcio Araujo, Harley und vor allem Juliana vergeblich.

ÖVV setzt auf „faires System“

Im ÖVV will man die Entsendung zu den Turnieren auf Basis der nationalen Rangliste vornehmen.

„Es gibt sicherlich noch Dinge, die man feintunen muss. Ich möchte nicht ausschließen, dass sich irgendwann zeigt, dass da etwas nicht perfekt ist“, so Potyka, der auch auf die Zukunft schaut.

„Der Kernpunkt ist: Wir wollen sicherstellen, dass auch ein Team wie Eglseer/Koraimann Chancen hat, in die Tour zu kommen. Das geht über die nationalen Turniere und in Summe über die Rangliste. Es liegt aber an den Spielern und es wird von uns in keinster Weise eine Ermessensentscheidung geben.“

Weitere Änderungen waren geplant

Die neue Entry List mag umstritten sein, viele andere angedachte Punkte wurden nach Widerständen aber wieder verworfen.

Darauf bezieht sich das Eingangs-Zitat „nicht mehr so schlimm“. So sollte die Qualifikation bei „Open“ abgeschafft werden, diese Turniere wären also „geschlossene“ Veranstaltungen. Ein Wortwitz, den wohl kein Spieler lustig findet.

Auch wenn Potyka betont, dass sich die Änderungen im „Wahlkampf“ von Ary Graca abgezeichnet hatten, kamen sie letztlich doch kurzfristig und überraschend.

So erklärt Wenning: „Dieses neue Verbandsranking hat uns selbst überrascht, ist also keine Idee, die wir vorangetrieben haben.“

Kritik an Regelfindung

Den DVV-Beach-Koordinator stört der Prozess der Regelentwicklung: „Hinsichtlich der FIVB agieren wir leider oft nur retroaktiv, ich würde mir wünschen, dass wir in die erste Entwicklungsphase neuer Regeln eingebunden werden und nicht erst, wenn diese bereits irgendwo veröffentlich sind.“

Von Seiten des ÖVV konnte in diesem Jahr kein direkter Einfluss genommen werden, da man durch den EM-Status von Klagenfurt nicht beim World Beach Council geladen war und daher kein direktes Mitspracherecht in Sachen Reglement hatte.

So musste man den Weg über den europäischen Verband  gehen: „Wir haben da unseren Standpunkt präsentiert. Sehr sachlich, andere Länder habend das viel emotionaler gemacht“, so Potyka. „Viele angedachte Änderungen sind auch nicht gekommen, das muss man anmerken.“

Wohin die Reise im Beachvolleyball geht, ist jedenfalls offen.

Philipp Bachtik

ÖVV will „Macht“ nicht

Obwohl die Rolle der nationalen Verbände also gestärkt wird, stößt das nicht bei allen Verbands-Funktionären auf Zustimmung.

„Ich will das nicht. Das verschafft nur administrativen Aufwand und ich will diese Entscheidung nicht treffen. Es ist nicht in unserem Interesse“, erklärt Stefan Potyka im LAOLA1-Gespräch.

Der 46-Jährige kann die Kritik der Spieler in diesem Punkt durchaus verstehen: „Wir leben davon, dass unsere Teams autonom sind, Eigenverantwortung tragen.“

„Sehr unbefriedigend“

Auch im Deutschen Volleyball Verband ist man mit den Änderungen alles andere als glücklich.

„Wenn solche Regeln wie diese so kurz vor der Saison umgeworfen werden, der Turnierkalender so spät veröffentlicht wird und es im Anschluss derart viele Veränderungen gibt, dann ist das sowohl für die Spieler als auch für uns als nationalen Verband sehr unbefriedigend“, erklärt Raimund Wenning bei „beachvolleyball.de“.

Dabei spricht der DVV-Beach-Koordinator ein weiteres Problem an: Das Reglement wirkt wie ein Schnellschuss. Das erste Handbuch zur neuen Saison wurde erst am 26. März veröffentlicht. Mittlerweile wurde es bereits mehrmals überarbeitet.

"Es hat sich inzwischen schon sehr viel verändert, da fällt es sogar mir schwer, den Überblick zu behalten", schüttelt Wenning den Kopf.

„Teams als Einzel-Unternehmen“

In Deutschland wirkt ein ähnliches System, wie in Österreich: „Wir haben sozusagen Beachvolleyball-Teams als selbstständige Einzelunternehmen, welche wir im Rahmen unserer Möglichkeiten über den Verband fördern, die aber grundsätzlich in Konkurrenz zueinander stehen. Individuelle Betreuung und Selbstständigkeit der Teams stehen im Vordergrund.“

In anderen Nationen stellt sich die Situation anders da: Dort gibt es Nationalkader, die Trainer werden vom Verband gestellt. Seit diesem Winter wird auch in Brasilien so gearbeitet.

Brasilianischer Präsident als Triebfeder

Auf den ersten Blick ist die Umstellung eine Folge der Regeländerungen. Allerdings wurden die Änderungen erst kurz vor Saisonbeginn bekannt, Brasilien hat das System allerdings schon im Herbst geändert.

Die Erklärung findet sich an der Spitze des Weltverbandes in Person von Ary Graca. Der Brasilianer wurde 2012 zum FIVB-Präsidenten gewählt und gilt als treibende Kraft hinter den Regeländerungen. „Viele Änderungen, die wir jetzt haben, basieren auf dem Bestreben von Ary Graca, die Sachen besser kontrollieren zu können“, erklärt Potyka.

In Spielerkreisen wird bei der Suche nach einer Erklärung eine Geschichte aus dem Jahr 2007 bemüht.

Als sich Juliana im Vorfeld der Olympischen Spiele einen Kreuzbandriss zuzog, wollte ihre Partnerin Larissa gegen den Willen des Verbandes nicht sofort einen Partnerwechsel vornehmen und hoffte darauf, dass Juliana in Beijing dabei sein könnte. Eine Hoffnung, die sich bei einem Test eine Woche vor den Spielen zerschlug. Mit dem neuen System hätte der Verband sein Wunsch-Duo durchsetzen können.