news

James setzt sich ein Denkmal, Spurs am Boden zerstört

James setzt sich ein Denkmal, Spurs am Boden zerstört

23 Sekunden vor Schluss fiel die Entscheidung.

LeBron James verwandelte einen Jumpshot zum 92:88, im Gegenzug schnappte sich der Superstar einen Pass von Manu Ginobili und legte die Partie mit zwei Freiwürfen auf Eis.

364 Tage nach dem ersten Titelgewinn der „Big Three“ war es wieder soweit, die Miami Heat durften die Larry O’Brien-Trophy abermals in die Höhe recken.

„Die Vision, die ich hatte, als ich mich für Miami entschied, wird zur Realität“, jubelte der Finals-MVP.

Eine Performance für die Geschichtsbücher

Der vor Jahren noch unter Druck schwächelnde James war in der entscheidenden Partie Mann des Spiels und wies seine zahlreichen Kritiker ein für alle Mal in die Schranken.

Mit 37 Punkten, 12 Rebounds und vier Assists führte der vierfache MVP sein Team zum Erfolg. „Im größten Moment auf der größten Bühne meine Leistung zu bringen, macht mich zufriedener als alles andere auf der Welt“, meinte "King" James.

Der bullige Forward hatte die San Antonio Spurs von außen besiegt. Wie schon 2007 beim Final-Duell der Spurs und Cavaliers gab Head Coach Gregg Popovich den Gameplan aus, die Nummer 6 der Heat in seinem Zug zum Korb einzuschränken und ihm dafür die Möglichkeit zu Distanzwürfen zu geben.

James und Battiers Dreier als Schlüssel

Anders als noch vor sechs Jahren kam der gereifte Star nun damit zurecht. „Gib nicht auf, was du ein ganzes Jahr getan hast. Wenn die Möglichkeit da ist, nimm sie wahr“, meinte der 56,5-Prozent-Werfer (Regular Season), dessen Quote die Spurs in den Finals auf 44,7% drücken konnten.

Neben "LBJ" hatte der Abend einen zweiten Star. Shane Battier traf sechs Dreipunkter und verschaffte den Heat die Feuerkraft, die die punktelosen Ray Allen, Mike Miller und Chris Bosh völlig vermissen ließen. „Meldungen über meinen Niedergang waren voreilig“, grinste der Forward zur Eröffnung seiner Pressekonferenz.

Spurs am Boden

Die Akteure San Antonios waren verständlicherweise am Boden zerstört. „Spiel sieben wird mich wahrscheinlich für immer verfolgen“, gestand Tim Duncan. Der Altstar zeigte nach seinem vergebenen Hakenwurf und Tip-In zum möglichen Ausgleich 50 Sekunden vor Schluss – Würfe, die der 37-Jährige eigentlich „acht von zehn Mal“ (O-Ton Battier) verwandelt – ungekannte Emotionen und schlug vor Wut auf den Boden.

„Das Wort 'enttäuschend' drängt sich förmlich auf. Ein hartes Ende. Ich habe einige schlechte Entscheidungen getroffen, habe einige Würfe verfehlt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Man muss den Heat ein Kompliment machen. LeBron war unglaublich, Dwyane war großartig“, so der konsternierte Duncan.

„Er ist einer der Größten aller Zeiten. Wenn ich in seinem Alter noch so viel kann, würde ich eine großartige Karriere haben“, gab der angesprochene Wade, der nach dem Schlusspfiff sofort zu seinem Kontrahenten eilte, das Kompliment zurück.

Spiel sechs noch im Kopf

Für Manu Ginobili fand das Schlüsselspiel bereits zwei Tage zuvor statt. „Ich habe Spiel sechs immer noch im Kopf“, spielte der Argentinier auf die Schlusssekunden an, in denen die Spurs einen Fünf-Punkte-Rückstand verschenkten (Der Spielbericht des Dramas).

„So nah dran zu sein, das Gefühl zu haben, dass du die Trophäe fast in der Hand hast, und sie dann verschwinden zu sehen, ist sehr bitter“, gab der Shooting Guard, der in den entscheidenden Minuten von Spiel sieben abermals eine sehr unglückliche Performance ablieferte, zu.

Die Zukunft wartet

Nur Sekunden nach dem denkwürdigen Spiel sieben ging der Blick bereits wieder in die Zukunft, geisterte das Wörtchen „Three-Peat“ durch Twitter und Co.: Drei Titel in Folge gelangen letztmals den L.A. Lakers von 2000-02.

Um das zu erreichen, gab James gleich die Marschroute für den Sommer aus: „Jeder muss individuell besser werden. Ich persönlich weiß, dass ich das tun werde.“

Wer genau zu den Angesprochenen zählen wird, steht noch in den Sternen. Der Kern des Teams wird mit hoher Wahrscheinlichkeit intakt bleiben, einige Kaderänderungen scheinen aber unausweichlich.

Miller und Andersen wackeln

So steht eine Amnesty-Entlassung von Mike Miller im Raum, um etwas weniger Luxury-Tax, die bei einem Überschreiten des Salary Caps fällig wird, berappen zu müssen.

Mit Ray Allen, James Jones und Rashard Lewis verfügen drei Spieler über eine Option auf ein weiteres Jahr, bei Mario Chalmers ist die Option teamseitig und nur mehr Formsache.

Mit Chris Andersen steht bei einem wichtigen Akteur ein neuer Vertrag an. Ein Team mit mehr Cap Space könnte den Heat Konkurrenz machen, eine Weiterverpflichtung des „Birdman“ ist dennoch gut möglich.

Bosh-Trade sehr unwahrscheinlich

Die größte potenzielle Änderung betrifft Chris Bosh. Der Big Man könnte sich mit seinen schwachen Leistungen in den Finals auf den Trade-Block gespielt haben.

Nach seiner Null-Punkte-Performance in Spiel sieben scheint wenig vom einstigen Star der Toronto Raptors übrig zu sein – das ist aber bloß eine Momentaufnahme, ein Trade ist erstens unwahrscheinlich und könnte sich zweitens als gefährlicher Schnellschuss erweisen.

Trotzdem wird sich GM Pat Riley Transfer-Vorschläge anderer Teams gewiss anhören, werden für Bosh im Laufe der nächsten drei Jahre doch noch über 61 Millionen US-Dollar fällig.

Ein weiteres Fragezeichen sind Dwyane Wades verletzte Knie, die nun aber eine ganze Offseason Zeit haben, zu heilen. "Ich habe heute mit meinen Knien gesprochen. Ich habe ihnen gesagt: 'Wenn ihr mir ein tolles Spiel geben könnt, werden wir einen tollen Sommer haben'", scherzte der Shooting Guard nach der Partie.

Umbruch bei den Spurs?

Die Spurs hingegen könnten in der Nacht auf Freitag das Ende ihrer Ära besiegelt haben.

Manu Ginobilis Horror-Finals stellen eine Karriere-Fortsetzung in Frage. Der bald 36-Jährige, dessen Vertrag ausläuft, wollte nach der wohl bittersten Niederlage seines Lebens dazu aber keine Auskunft geben: „Das ist nicht der Moment dafür. Ich bin sehr enttäuscht und aufgeregt, ich kann dazu nichts sagen.“

An dieser Stelle würden eigentlich Tim Duncans 37 Jahre und die damit kommenden Fragezeichen zu nennen sein. Da der Mann von den Virgin Islands sein Alter heuer aber zum x-ten Mal schlicht und einfach ignorierte, scheint er durchaus noch eine gutes Saison im Tank zu haben.

Dass der vierfache Champion nächstes Jahr wieder das Jersey überstreift, ist ohnehin schon fixiert. „Ich habe einen Vertrag, der bescheinigt, dass ich zurückkehre“, stellte Duncan klar.

Auch Pop kehrt zurück

Dasselbe gilt für Gregg Popovich: „Ich glaube, dass Urlaub überbewertet ist. Nach einer Zeit wird es langweilig, keine Herausforderungen zu haben. Du kannst nur eine gewisse Anzahl an Tomaten anbauen und Bücher lesen. Du willst wieder etwas zu tun haben, wieder den Wettbewerb haben. Erst wenn das im September nicht der Fall ist, höre ich auf.“

Bei all den Worten über die alten Spieler der Spurs darf man aber auf den jüngsten der Finals-Starter nicht vergessen. Kawhi Leonard gab ein kräftiges Versprechen für die Zukunft ab. 14,6 Punkte, 11,1 Rebounds, zwei Steals und ein Assist pro Spiel, dazu herausragende Defense gegen James und Wade – der 21-Jährige hätte sich bei einem Sieg durchaus Hoffnungen auf den MVP-Titel machen dürfen.

Gut möglich, dass Leonard die Spurs in einigen Jahren wieder in die Finals führt. Vielleicht gelingt das auch noch Tim Duncan in der kommenden Saison. Es wäre nicht unwahrscheinlich, dort wieder auf die Heat zu treffen.

Denn LeBron hat noch viel vor, wie er klarstellte: „Ich will einer der Größten, wenn nicht sogar der Größte, der jemals Basketball gespielt hat, werden.“

Martin Schauhuber