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"Man muss so richtig auf die Schnauze fallen"

Oft kommt es nicht vor, dass sich österreichische Trainer in Ballsportarten im Ausland einen Namen machen.

Im Basketball war und ist man in den letzten Jahren Erfolge von Stefan Weissenböck, der als Assistant Coach von Euroleague-Klub Brose Baskets Bamberg in Deutschland einen Titel nach dem anderen einfährt, gewöhnt.

Seit zwei Jahren ist mit Raoul Korner nun auch ein österreichischer Head Coach als "Legionär" tätig.

Mit den EiffelTowers Den Bosch feierte der 38-jährige Wiener bereits in seiner zweiten Saison den Meistertitel in der Dutch Basketball League.

Nicht, ohne die eine oder andere große Hürde überwinden zu müssen.

In Österreich hatte Korner, der in der ABL im Alter von nur 27 Jahren zum Coach des Jahres gewählt worden war, zwei Cup-Titel (2002 Mattersburg, 2006 Wels) und eine Meisterschaft (2009 Wels) gewonnen.

Im LAOLA1-Interview spricht Korner, der im Sommer das U16-Nationalteam betreut, über den Weg zum Titel, den Europacup und über Unterschiede zwischen den Niederlanden und Österreich.

LAOLA1: Herzliche Gratulation zum niederländischen Meistertitel! War dies von der sportlichen Wertigkeit her dein größter und insgesamt schönster Erfolg?

Raoul Korner: Es ist immer schwierig, Erfolge zu vergleichen. Es war wahrscheinlich schwieriger, mit Mattersburg den Cup oder mit Wels den ersten Titel in über 50 Jahren Vereinsgeschichte zu holen, als mit Den Bosch Meister zu werden. Von der sportlichen Wertigkeit war es aber wahrscheinlich der größte Erfolg bisher. Jeder einzelne Titel hat seine eigene Geschichte und Wertigkeit. Es stecken so viel Emotion, Arbeit und so viele Ups und Downs drinnen - ein Vergleich ist ähnlich der Fragestellung, ob man seine Schwester oder seinen Bruder lieber hat.

LAOLA1: Schon im zweiten Auslandsjahr den Meistertitel zu gewinnen, ist das nicht nur ein Meilenstein in deiner Karriere, sondern auch eine persönliche Bestätigung und eine gegenüber dem Markt?

Korner: Einen internationalen Titel zu gewinnen, ist für den Markt sicher kein Nachteil, das ist klar. Wenn man bedenkt, wo der traditionsreiche Klub nach einem kompletten Umbruch vor zwei Jahren stand und wo wir heute mit den EiffelTowers stehen, dann haben wir da schon einiges auf die Beine gestellt. Dieser Erfolg hatte aber viele Väter.

Korner nach dem Gewinn des DBL-Titels

LAOLA1: Waren diese Niederlage und der darauf folgende Sieg ein Schlüssel für den späteren Run?

Korner: Das war eine Initialzündung, ja. Ich habe eigentlich mit allen Teams, mit denen später ein Titel herausgeschaut hat, erlebt, dass man irgendwann unter der Saison so richtig auf die Schnauze fallen muss, um den wahren Charakter der Mannschaft zu testen. Dieser zeigt sich nicht im Triumph, sondern in der Niederlage. Die Art und Weise, wie eine Mannschaft nach so einer großen Enttäuschung zurückkommt und gegenüber sich selbst, aber auch nach außen hin auftritt, macht oft den Unterschied aus. Zwischen Teams, die irgendwann in den Playoffs ausscheiden und denen, die den ganzen Weg gehen.

LAOLA1: Nichtsdestotrotz war danach im Halbfinale gegen Groningen viel Glück dabei, als der Gegner am Ende des entscheidenden fünften Spiels einen scheinbaren Sitzer unter dem Korb ausgelassen hat.

Korner: Auch Glück gehört zu jeder Meisterschaft dazu, man darf sich nur nicht darauf verlassen. Den Spruch "Je härter wir arbeiten, desto mehr Glück haben wir" kann ich voll unterschreiben. Auf der anderen Seite haben wir auch viel Pech gehabt. Im Cup sind wir nur deshalb ausgeschieden, weil wir zwei oder drei Layups am Schluss nicht getroffen haben. Unser Glück wurde mehr, als wir ihm einen großen Schritt entgegen gegangen sind. Auch bei diesem Punkt erinnere ich an die Meisterschaft mit Wels, wo wir bereits im Viertelfinale ausgeschieden wären, hätte Oberwart am Ende gefoult oder Bruce Fields nicht den Dreier getroffen.

LAOLA1: Gegen Groningen gewann die Heimmannschaft ihre ersten zwei Partien jeweils souverän, ehe ihr das fünfte Spiel auswärts für euch entscheiden konntet.

Korner: Groningen ist eine Halle, die uns nicht besonders liegt. Die EiffelTowers hatten dort davor jahrelang nicht gewonnen. Eines der Hauptprobleme war, dass wir diese mentale Hürde überwinden und diesen Martiniplaza-Fluch ablegen mussten. Vor dem fünften Spiel haben wir den Spielern daher das Gefühl gegeben, taktisch in die Trickkiste zu greifen. Ich war der Überzeugung, dass es nicht notwendig war und wir einfach die Dinge, die wir das ganze Jahr über gut gemacht haben, hätten gut exekutieren müssen um zu gewinnen. Aber manchmal verlangt der Kopf der Spieler nach etwas Außergewöhnlichem. Wir haben taktisch einige Umstellungen vorgenommen, um die Spieler glauben zu lassen, dass wir deswegen diesmal im Gegensatz zu den anderen Malen gewinnen würden. Wenn du zehn Mal gegen die Wand läufst, musst du dir vielleicht überlegen, ob du beim elften Mal nicht doch eine andere Tür suchst.

LAOLA1: Du bist mit deinem Auslandsengagement so etwas wie ein rot-weiß-roter Basketball-Pionier. Hattest du in den letzten zwei Jahren jemals das Gefühl, als österreichischer Trainer zunächst angezweifelt zu werden?

Korner: Im Endeffekt ist es egal, woher du kommst, du musst dich mit Qualität durchsetzen. Es ist aber als Basketball-Trainer definitiv kein Vorteil, aus Österreich zu sein. Vielleicht kann man das vergleichen mit einem Ski-Trainer aus dem Senegal. Du musst dich wahrscheinlich noch mehr beweisen, aber letztendlich setzt sich nur Qualität durch. Natürlich haben Trainer aus dem ex-jugoslawischen Raum hier einen Startvorteil, der sich aber sehr schnell in nichts auflöst, wenn nichts dahinter ist. Ich hoffe, dass ich es vielleicht dem nächsten potenziellen österreichischen Trainerexport ein wenig leichter machen kann.

LAOLA1: Der Titel war für dich sicher wichtig. Du hättest ja auch vier, fünf Jahre gute Arbeit leisten können und es hätte trotzdem nicht mit der Meisterschaft klappen können.

Korner: Das ist immer die Gefahr, das ist Teil des Sports. Es gibt keine Garantie für Erfolg, es gibt nur Garantie für Misserfolg: Das ist, schlampig zu arbeiten und auf Glück zu hoffen. Man kann sich nicht nur auf das große Ziel, sondern muss sich auf den Weg dorthin, den Prozess konzentrieren.

LAOLA1: War der Titelgewinn für dich auch eine Art Erleichterung?

Korner: Natürlich. Als ich bei den EiffelTowers unterschrieben habe, war das Ziel, wieder an die Spitze zurück zu kommen. Ursprünglich haben wir einen Dreijahresplan daraus gemacht, weil wir das als realistischer angesehen haben. Es ist wie gesagt schwierig, sich zeitliche Horizonte zu setzen. In Wels hat es ein Jahr länger gedauert als erhofft, hier ist es ein Jahr schneller gegangen. An meinem Timing muss ich also noch arbeiten ...

LAOLA1: Auf dem Weg zum Titel hat es eine Schrecksekunde bzw. eine "Schreckhalbzeit" gegeben, als ihr in Leeuwarden die zweite Hälfte um 31 Punkte verloren habt und daraufhin vor einem Musssieg im Heimspiel gegen Leiden gestanden seid, um überhaupt das Semifinale zu erreichen. Was ist da passiert?

Korner: Ich weiß es bis jetzt nicht. Ich habe auch aufgehört, nach Erklärungen zu suchen, weil man manchmal im Sport akzeptieren muss, dass es für so etwas keine Erklärung gibt. Die Mannschaft hat in den Wochen davor guten Basketball gespielt, sie war von vornherein intakt und ist eine Halbzeit lang vollkommen zerbrochen, wie ich es selbst auch mit keiner anderen Mannschaft jemals erlebt habe. Es gab dann zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Man kann draufhauen oder man kann Ruhe bewahren und mehr oder weniger zum Alltag übergehen. Wir haben uns für Letzteres entschieden. Die Spieler haben sehr gut reagiert, haben sich zusammengesetzt und untereinander gesprochen. Ich habe mir die Kapitäne geholt und mit ihnen ein Gespräch geführt. Wir haben uns dann dazu entschlossen, uns einfach auf das nächste Spiel zu konzentrieren und das Beste aus der Situation zu machen. Da war keine Zeit für Panik, wir mussten kühlen Kopf bewahren und haben das als Ausrutscher abgetan. Im Nachhinein gesehen, war das auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Entscheidend war natürlich, dass hier das Management Ruhe bewahrt hat.

Korner bei der Arbeit

LAOLA1: In der Finalserie konntet ihr dann komplett befreit aufspielen?

Korner: Im Finale war natürlich viel Selbstvertrauen da. Es hat so ausgesehen, als würden sich die Spieler denken: "Wenn wir in Groningen gewinnen können, können wir alles gewinnen." Alle drei Auswärtsspiele hätten genausogut anders ausgehen können, aber wir haben in den entscheidenden Phasen die entscheidenden Plays gemacht und waren taktisch diszipliniert genug, um die Serie zu kontrollieren. Wir haben sie nicht so dominiert, wie vielleicht der 4:1-Endstand aussagen mag, waren aber immer einen Schritt vorne. Nach der 3:0-Führung war es nur eine Frage der Zeit, wann wir den Sack zumachen würden.

LAOLA1: Bleibst du in der kommenden Saison und nehmt ihr an der Euroleague-Qualifikation teil?

Korner: Mein Vertrag läuft bis 2013 und ich werde ihn sicher erfüllen. Wir werden international spielen - ich habe auch eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass wir nicht europäisch spielen würden, obwohl wir sportlich qualifiziert sind. Wir werden noch diskutieren, für welchen Bewerb wir uns melden. Auf der einen Seite ist es vom Renommee her natürlich sehr interessant, in der Euroleague-Qualifikation zu spielen. Auf der anderen Seite muss man realistisch genug sein, um zu verstehen, dass da sehr bald Schluss wäre. Auch der Eurocup (der bei einem Ausscheiden in der Euroleague-Qualifikation warten würde, Anm.) spielt sich auf einem Niveau ab, wo ein bis zwei Siege schon ein großer Erfolg wären. Mit einem Fahrrad kann man kein Formel-1-Rennen gewinnen, auch wenn man sicher alles geben und sich abstrampeln wird. In der EuroChallenge dagegen kann man sich durchaus die Top 16 oder die Top 8 als Ziel setzen. Da werden sicher auch die Sponsoren ein Wort mitreden. So oder so werden wir uns verstärken, wir müssen athletischer und tiefer besetzt sein, um die Doppelbelastung zu verkraften.

LAOLA1: Deine Ziele nach der kommenden Saison werden von der Entwicklung des Vereins abhängen?

Korner: Das war bei mir immer so. Der Klub ist sehr gut geführt und organisiert. Es sind gute Menschen am Werk, die ihr Handwerk verstehen und zielorientiert, aber auch sehr menschlich arbeiten. Das macht das Arbeiten nicht nur möglich, sondern auch angenehm. Solange die Entwicklung weitergeht und wir nach oben noch Ziele haben, gibt es für mich keinen Grund, irgendwo anders hinzuliebäugeln.

Korner geht mit den "Landesfürsten" hart ins Gericht

LAOLA1: Du bist heuer Head Coach des U16-Nationalteams. Was hat dich dazu veranlasst, wieder für den ÖBV zu arbeiten?

Korner: Erstens arbeite ich gerne mit jungen Burschen, zweitens möchte ich dem österreichischen Basketball etwas Input geben. Mir liegt sehr viel an der Entwicklung des heimischen Basketballs und am Erfolg der Nationalteams. Terminlich hat sich die U16 heuer angeboten, was sich gut trifft, da ich am liebsten an der Basis arbeiten wollte, um auch für mich selbst wieder Abwechslung zu haben. Die Begeisterung und die Motivation der Burschen beim ersten Sichtungscamp war für mich Bestätigung, dass die Entscheidung richtig war, auch wenn der Sommer sehr stressig werden wird.

LAOLA1: Wie siehst du das Potenzial dieser Jahrgänge 96/97?

Korner: Da fällt mir eine Einschätzung ohne direkten internationalen Vergleich noch schwer. Wir dürfen uns auch nicht zu sehr am Potenzial aufhängen. Wir müssen die Spieler, die sowohl von der Einstellung, als auch von den basketballerischen und körperlichen Möglichkeiten her die Besten sind, bestmöglich begleiten. Das Talent allein setzt sich nicht durch. Es setzen sich diejenigen durch, die den Sport lieben und leben und bereit sind, etwas zu investieren.

LAOLA1: Gibt es auch in diesem Alter Unterschiede zu den Niederlanden?

Korner: Die Niederlande haben aufgrund der Größe und Wegsamkeit des Landes die Möglichkeit, die Nationalspieler viel öfter zu versammeln. Das U16-Team hat jetzt schon mehr Trainingstage hinter sich, als ich mit meinen Burschen insgesamt bis zur EM haben werde. In den Niederlanden gibt es auch mehr Stützpunkttrainings und regionale Auswahlen. Da passiert in Österreich viel zu wenig bis gar nichts.

LAOLA1: Hat das nur finanzielle Gründe?

Korner: Nein, da spielt sehr viel falsche Tradition eine Rolle. Eingefahrene Strukturen sind halt so und sollen deshalb so bleiben. Viele scheuen sich davor, einen professionelleren Weg einzuschlagen, weil sie dadurch selbst in den Hintergrund rücken würden. In den Landesverbänden sieht man das extrem. Bestes Beispiel ist der Sportfachrat: Die Landesfürsten haben abgedreht, dass die besten Trainer des Landes unentgeltlich die sportliche Leitung des österreichischen Basketballs übernehmen. Das muss man sich einmal vorstellen, das ist eigentlich unglaublich.


Das Gespräch führte Hubert Schmidt

LAOLA1: Nach zwei Jahren in der Dutch Basketball League: Wie beurteilst du die Unterschiede zur ABL?

Korner: Der größte Unterschied liegt in der Infrastruktur und in der Organisation. Die Hallensituation ist nicht vergleichbar. In Österreich spielen manche Klubs in besseren Turnsälen, in den Niederlanden haben vor allem die Top-Klubs richtige Arenen. In der ABL kann man noch so gut arbeiten - solange sich die Hallensituation nicht massiv verändert, wird Basketball nie den Stellenwert haben, den er haben sollte. Ein weiterer Unterschied ist der Stellenwert des Sports generell. Die Niederlande sind ein Sportland, Österreich ist ein Wintersport- und Kulturland. Man sieht große Unterschiede im Ansehen des Sportlers in der Gesellschaft oder auch im Ausbildungssystem, wo es in den Niederlanden bessere akademische Möglichkeiten für Profisportler gibt. Wir brauchen uns in Österreich aber auch nicht zu verstecken, es gibt einige Dinge, die wir besser machen als viele andere Ligen. Da gehört der TV-Auftritt mit Sky dazu, ebenso die organisatorische Entwicklung der Liga in den letzten Jahren.

LAOLA1: Wie würdest das sportliche Niveau vergleichen?

Korner: Die Top-Teams hier sind deutlich stärker als die Top-Teams in Österreich derzeit. Ab Platz vier, fünf, sechs sehe ich keinen Unterschied zu den besseren österreichischen Teams.

LAOLA1: Hast du die ABL heuer etwas mitverfolgt? Was sagst du zum neuen Meister Klosterneuburg?

Korner: Ich habe, soweit es mir möglich war, die Liga mitverfolgt, bin auch mit einigen Spielern und Coaches regelmäßig in Kontakt. Dass Klosterneuburg Meister geworden ist, hat mich unglaublich gefreut. Was das Duo Sallomon/Göttlicher in den letzten Jahren hier an Strukturen geschaffen hat, verdient allerhöchsten Respekt und geht weit über das klassische Trainerdasein hinaus. Sie und ihre Mitstreiter haben bewiesen, dass man mit ehrlicher, harter und konsequenter Arbeit, auch ohne riesengroßes Budget, einen österreichischen Topklub aufbauen kann. Dieses Märchen hatten dann noch zusätzlich mit dem Karriereende der Ikone Damir Hamidovic ein schon fast kitschiges Drehbuch. Toll für den österreichischen Basketball!