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Stazic: "Ich bereue nichts"

Stazic:

Stjepan Stazic.

Nicht unbedingt ein Name, den der durchschnittliche österreichische Sportfan aus dem Effeff kennt. 

Überdurchschnittliche 15,4 Punkte, 5,0 Rebounds und 5,2 Assists pro Spiel rechtfertigen dies eigentlich nicht. Aber so ist das eben als Basketballer. Der 36-jährige ehemalige österreichische Nationalspieler hat beim BC Vienna in der Admiral Basketball Bundesliga auch in dieser Saison wieder das "Zepter" in der Hand.

Jenem BC Vienna, den er im Jahr 2010 mit seinem Bruder übernommen hatte und in den die beiden laut eigenen Angaben seither - gemeinsam mit Sponsoren - viel Geld pumpten.

2013 folgte der erste Meistertitel mit dem - auf Grund ähnlicher Umstände etwa den Beliebtsheitsgrad von Red-Bull-Teams genießenden - Klub. Stazic spricht vom "größten Erfolg seiner Karriere", vom "Gipfel".

Und das, obwohl er Ende der 90er-Jahre als eines der größten Talente Mitteleuropas unter Trainer-Legende Zeljko Obradovic (acht Euroleague-Titel) lernte, als bislang einziger Österreicher im Euroleague-Final-Four (1999) stand und mit Limoges (FRA) wenig später, als erster heimischer Korbjäger, einen internationalen Titel (Korac Cup, 2000) gewann.

Warum das so ist, warum sein sicher scheinender Sprung in die NBA nur ein Traum blieb und was Reichtum wirklich bedeutet, erklärt der Routinier mit Philosophie-Abschluss ("Ich war schon immer ein Philosoph") im LAOLA1-Interview.

LAOLA1: Stjepan, du bist in Kroatien, einem basketballverrückten Land aufgewachsen. Wolltest du schon immer Profi werden?

Stjepan Stazic: Ich wollte immer Sportler werden. Mein Onkel war ein bekannter Handballer und hat bei den Olympischen Spielen in Los Angeles (1984, Anm.) die Goldmedaille gewonnen. Er war mein Vorbild. Dann habe ich mit neun Jahren im Basketballverein in Zagreb angefangen.

LAOLA1: 1991 bist du mit deiner Familie nach Wien gekommen. Damals nicht unbedingt ein Ort, um seine Liebe zum Basketball auszuleben, oder?

Stazic: Anfang der 90er gab es in Wien kaum Freiplätze und die Schulhöfe waren alle versperrt. Lediglich auf der Donauinsel gab es einen Court.

LAOLA1: Du hast also etwas vermisst?

Stazic: In den ersten Monaten nicht. Zum einen, weil noch Winter war, zum anderen hat uns der Krieg in Kroatien sehr beschäftigt. Als wir aber dann vom Court auf der Donauinsel gehört haben, waren wir das ganze Wochenende dort und da ist immer eine richtige Show abgegangen.

Der junge Stazic im St.-Pölten-Trikot

LAOLA1: Wann hast du erstmals Bundesliga-Luft geschnuppert?

Stazic: Ich trainierte als Jugendlicher mit dem heutigen BC Vienna, bin aber dann nach Wels gegangen. Anschließend wechselte ich nach St. Pölten, damals das Maß aller Dinge in der heimischen Bundesliga, und bin mit 18 Jahren, als Point Guard, Meister worden. Es war der Startschuss meiner Kariere.

LAOLA1: Zur Saison 1997/1998 lotste dich der heute erfolgreichste Trainer Europas, Zeljko Obradovic, nach Treviso, auf die größtmögliche europäische Bühne.

Stazic: In der Euroleague habe ich sehr wenig gespielt, nur ein paar Minütchen. Coach Obradovic plante mit mir als Shooting Guard. Vor mir spielte mit Henry Williams aber einer der damals besten Spieler Europas und MVP in Italien vor mir. Ich dachte nicht, dass ich hinkomme und ihn rausschmeiße, aber dass ich zumindest auf der Eins eingesetzt werde. Im ersten Jahr ist das leider nicht passiert. Auch weil dort mit Davide Bonora ein italienischer Nationalspieler spielte, der genau das tat, was Obradovic brauchte. Im Training hat er gegen mich kein Land gesehen.

LAOLA1: Wie wichtig war die Erfahrung dennoch?

Stazic: Dieser erste Sprung war die wichtigste Erfahrung, die ich bis heute gemacht habe. Ich hatte damals Angebote von den Universitäten von North Carolina oder Miami. Aber in Treviso zu spielen, unter Zeljko Obradovic, einem der erfolgreichsten Trainer aller Zeiten, das ist heute noch die wertvollste Erfahrung, auf die ich zurückblicken kann.

LAOLA1: Was hast du von Coach Obradovic mitgenommen?

Stazic: Seine Philosophie und Sichtweisen. Der Mann sieht alles. Er sieht, wann jemand müde ist und eine Auswechslung braucht, wenn ein Spieler kalt ist, wenn ein Spieler auf einen anderen böse ist und vieles mehr. Das war schon absurd. Diese Fähigkeiten haben fünf bis zehn Trainer weltweit.

LAOLA1: Wusste man damals um das Talent von Stjepan Stazic?

Stazic: In Österreich nicht so sehr wie im Ausland. Außerhalb der Grenzen wurde ich viel mehr geschätzt und galt als großes Talent, alleine von der Physis her. Ich war 1,98 Meter groß und gehörte zu den athletischsten Spielern. Eine Zeitung hat mich einmal „weißer Neger“ genannt. Das darf man heute gar nicht mehr sagen, aber ich habe den Zeitungsausschnitt noch zu Hause.

Im legendären Finale gegen Gmunden stemmte Wien 2013 die ABL-Trophäe

LAOLA1: Springen wir in die nähere Vergangenheit. Du führst mit deinem Bruder (Petar, Anm.) seit August 2010 den BC Vienna. So weit ich weiß, war das immer schon dein Traum?

Stazic: Vor allem in Wien. Das einzige, was die Stadt nie hatte, war ein gut geführter Basketball-Verein, der in einer schönen Halle auf hohem Niveau spielt. Wir wollten einen Ort schaffen, wo wir unsere Leidenschaft ausleben können und das ohne viel Politik und Konsequenzen, wenn einmal ein Erfolg ausbleibt. Wir taten alles dafür, dass der Wiener Basketball nach oben kommt, wollten nach drei bis fünf Jahren oben mitspielen, das ist uns gelungen.

LAOLA1: Wie enttäuscht bist du, dass der BC Vienna trotzdem nicht noch mehr Zuschaueranklang findet?

Stazic: Überhaupt nicht! Wie künstlich hätte es ausgesehen, wenn wir schon in den ersten Jahren riesigen Zuschauerzuspruch gehabt hätten? Um eine breite Fanbasis aufzubauen, braucht man einfach Zeit. Der Nachwuchs läuft erst an und die Spieler identifizieren sich mehr und mehr mit dem Klub. Meine Vision ist, dass sich einmal ein „neuer Stazic“ hervortut, der mit 18 Jahren die ABL in Grund und Boden spielt und wegen dem die Zuschauer in die Halle kommen.

LAOLA1: Die Entwicklung des BC Vienna ist also noch nicht abgeschlossen?

Stazic: Nein, wir entwickeln uns immer noch stetig weiter. Wir haben damals in der Halle in der Steigenteschgasse angefangen und hatten nichts, nicht einmal Bälle. Mit viel Herz und harter Arbeit haben Petar und ich schließlich Sponsoren zum Basketball gebracht. Ohne Unterstützung der Stadt oder der Sponsoren, hast du keine Möglichkeit auf eine bundesligataugliche Halle.

LAOLA1: Ihr werdet für den fehlenden Nachwuchs und zu wenige Österreicher kritisiert. Was entgegnest du?

Stazic: Der Verein bestand damals unter dem Namen „Basketclubs“ eigentlich nur aus Spielern des eigenen Nachwuchses. Dass man mit einem derartigen Kader etwas erreicht, wird eine Vision bleiben. Ein Bundesligateam, das nur aus „Eigenbau-Spielern“ besteht? Das schaffen wir in Österreich noch nicht, vielleicht in zehn Jahren. Und dennoch waren Benedikt Danek und Florian Trmal essenzieller Bestandteil unserer Meistermannschaft. Auch heuer spielten wir oftmals nur mit drei Ausländern und sind Tabellenführer.

LAOLA1: Nach dem Euroleague-Final-Four kam der Wechsel zu Limoges nach Frankreich. Was konntest du von dieser Zeit mitnehmen?

Stazic: Du akzeptierst irgendwann einmal, dass du im europäischen Basketball ein Teil eines großen Puzzles bist. Ich kam damals aus dem Wiener Käfig und dachte, ich müsste in einer Topliga spielen und 30 Punkte und zehn Assists auflegen. In Frankreich habe ich aber gelernt, dass drei gute Pässe und einige gute Defensiv-Aktionen ebenso geschätzt werden, vor allem wenn du drei Titel gewinnst (Cup, Meisterschaft, Korac-Cup, Anm.).

LAOLA1: Auf den Erfolg in Limoges folgten die schwärzesten Jahre deiner Karriere.

Stazic: Ich war schon an der Schwelle zur NBA, die New York Knicks boten mir 2000/2001 einen Dreijahres-Vertrag. Ich bin aber dann aber, stur, wie ich war, trotzdem zur Nationalmannschaft gegangen, weil mich mein Herz und meine Liebe zum Spiel immer in die Halle gezogen haben. Ich war bei solchen Entscheidungen leider nie politisch. Dann habe ich mir das Kreuzband gerissen. In New York hatte ich noch nichts unterschrieben, somit war der Zug abgefahren.

LAOLA1: Somit standen dir Herz und Leidenschaft ausnahmsweise im Weg.

Stazic: Am Anfang meiner Karriere sicherlich. Aber nicht nur in diesem Fall. So wäre meine Karriere sicherlich anders verlaufen, wenn ich ans College gegangen wäre. Ich hätte mit meinem Spielstil dort sicher mehr Aufmerksamkeit auf mich gezogen und hätte eine andere Wertschätzung erfahren. Aber mein Herz hat mich zu Zeljko Obradovic und Treviso gezogen. Der beste Trainer Europas, Euroleague-Teilnahme, italienischer Meister, wer sagt da schon nein? Die meisten College-Spieler beten dafür, dass sie nach ihrer Schullaufbahn bei so einem Klub landen.

Mit der "alten" Nummer, zur alten Stärke

LAOLA1: Deine Pause war von kurzer Dauer. Noch in derselben Saison bist du aufs Parkett zurückgekehrt. Wie kam es dazu?

Stazic: Wir dachten schon, dass ich irgendwann zurückkomme, haben es aber erst nicht als notwendig erachtet, weil die Mannschaft sehr gut aufgestellt war. Oft kommt es im Sport aber anders, als man denkt. Dann hat mich der Trainer auf eine Rückkehr angesprochen und ich habe gesehen, dass mich das Team braucht.

LAOLA1: In der aktuellen Spielzeit führst du dein Team an und bist auch statistisch einer der Besten der Liga. Was macht dich so stark?

Stazic: Mit 35 Jahren war es mir in der Vorsaison nicht möglich, innerhalb kürzester Zeit wieder in ABL-Form zu kommen. Im vergangenen Sommer habe ich dann aber vier oder fünf Monate mit intensivem Training verbracht und an meinem Comeback gearbeitet.

LAOLA1: Fast 20 Jahre bist du jetzt im Profigeschäft, gibt es irgendetwas, das du bereust?

Stazic: Ich bereue nichts! Ich stand im Final Four der Euroleague, spielte unter Trainer-Legende Zeljko Obradovic, habe mit Limoges drei Titel gewonnen, stand in Bosnien im Finale, bin nach einer schweren Verletzung zurückgekommen, dann noch die Krönung in Wien. Ich würde alles genau so machen. Wenn ich irgendwo auf meinem Weg anders abgebogen wäre, wäre ich heute wohl nicht hier. Ich tue das, was ich liebe, mit den Menschen, die ich liebe und die mich lieben und das obendrein in der Stadt, in der ich leben möchte. Das ist der größte Reichtum.

 

Das Gespräch führte Kevin Bell

LAOLA1: Wie gehst du mit den Anfeindungen gegenüber deiner Person und dem BC Vienna um?

Stazic: Ich habe viel mehr Fans als Gegner. Die Gruppe von Menschen, die negative Kommentare und Beschimpfungen abgeben, oftmals auch anonym, ist klein. Es scheint ein Trend zu sein, negativ gegen den BC Vienna eingestellt zu sein.

LAOLA1: Nach dem Gewinn des Titels 2013 hast du eine Pause eingelegt. Was war der Grund?

Stazic: Ich war ausgebrannt. Mein Bruder und ich haben über Jahre unentwegt wie zwei Verrückte gearbeitet. Wir verzichteten auf Urlaub und auch sonst auf so ziemlich alles. Das Karriereende sollte es aber nicht werden. Ich wollte lediglich ein halbes Jahr Abstand vom Basketball gewinnen, weil ich mich leer gefühlt habe.

LAOLA1: Auch aufgrund des Titels?

Stazic: Der Gewinn der Meisterschaft war der Gipfel und die Krönung unserer harten Arbeit und ich hatte einfach nicht die Power für die nächsten Aufgaben, keine Patronen mehr, um weiterzufeuern.

LAOLA1: Du hast in deiner Karriere viel erlebt und einige Titel gewonnen, warum war der ABL-Titel so wichtig?

Stazic: Der Erfolg den mein Bruder und ich in Wien hatten, ist das größte Highlight meiner Karriere. Das haben wir aufgebaut, da waren und sind wir mit Herz und Seele dabei. Überall sonst war ich ein Profi, der natürlich Freude am Spiel hatte, aber auch immer Geld verdient hatte. Beim BC Vienna haben wir investiert, gemeinsam mit vielen Gönnern aus Wien.