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"Wäre einem Formel-E-Test nicht abgeneigt"

"Ausschließen möchte ich nichts", sagt Dominik Kraihamer.

Seit seinem letzten LAOLA1-Interview hat sich einiges getan. Obwohl die Langstrecken-WM am Wochenende mit den 6 Stunden von Silverstone losgeht, ist der Salzburger zum Zuschauen verdammt.

Aufgrund eines Motoren-Hersteller-Wechsels (von Toyota zu AER) verpasst der Schweizer Rennstall die ersten beiden Rennen und ist erst zum großen Saisonhighlight bei den 24 Stunden von Le Mans mit von der Partie.

Bis dorthin hat Kraihamer auch noch Zeit, seine beiden neuen Teamkollegen Daniel Abt aus Deutschland und Alexandre Imperatori aus der Schweiz kennenzulernen.

Warum er mit einem seiner ehemaligen Kollegen nicht mehr klar gekommen ist, was er in Zukunft vor hat und was es mit einer folgenschweren Begegnung auf der Strecke zwischen ihm und seiner Schwester Laura auf sich hat, erzählt der 25-Jährige im LAOLA1-Interview:

LAOLA1: Die neue Saison steht vor der Tür, aber für dich heißt es trotzdem noch warten, bis es auf der Strecke losgeht. Wie unangenehm ist das?

Dominik Kraihamer: Es ist schon ungut zuzusehen, wenn die anderen testen und man selbst nicht auf der Strecke sein kann. Aufgrund des Motor-Wechsels bei unserem Team ist das nun einmal so. Ich kann nur versuchen, die Zeit bestmöglich zu überbrücken und mich mental vorzubereiten. Im Vergleich zu den anderen Teams werden wir vor Le Mans, dem wichtigsten Rennen im Jahr, natürlich viel weniger Fahrzeit haben.

LAOLA1: Was hat eigentlich zu diesem Motoren-Wechsel geführt?

Kraihamer: Dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits liegt es an einer Reglement-Änderung, andererseits ist der Vertrag mit Toyota ausgelaufen. Es war also vorauszusehen, dass ein Motor-Wechsel stattfinden muss. Das Team hat sich natürlich nicht gewünscht, dass es so lange dauert, bis die Entscheidung gefällt wird, weil sich dadurch unser Programm so sehr verzögert. Das macht es jetzt für alle schwieriger, sich für Le Mans vorzubereiten. Aber wir sind alle professionell genug, um uns bestmöglich auf die Situation einzustellen. Bei den Tests müssen wir möglichst effektiv sein, um schnell Fortschritte zu erzielen. Das Auto ist ja noch nicht fertig entwickelt, auch wenn wir die ganze letzte Saison damit gefahren sind. In unserem Auto konnten wir erst gegen Ende der Saison Rennen beenden. Da ist also doch noch einiges zu tun.

LAOLA1: Was macht es so zeitaufwändig, Auto und Motor aufeinander abzustimmen? 

Kraihamer: Der Motor ist das Herz eines Autos. Das ist wie beim Menschen. Wenn da ein neues Herz eingesetzt wird, dauert es auch, bis alles aufeinander eingespielt ist. Das beginnt bei der Form, weshalb das Chassis verändert werden muss und so weiter. Das ist ein Prozess, der zwei bis drei Monate dauert.

LAOLA1: Wie wirkt sich die fehlende Zeit bis Le Mans auf die Zielsetzung des Teams für die Saison aus?

Kraihamer: Es ist klar, dass die anderen einen gewissen Vorsprung haben werden. Man kann aerodynamisch am Computer sehr viel herausholen. Am meisten bekommt man bei der Entwicklung aber natürlich auf der Strecke weiter. Wir können nur versuchen, dazu sein, wenn es darauf ankommt.

LAOLA1: Inwiefern bist du in die aktuelle Entwicklung des Autos miteinbezogen? 

Kraihamer: Ich stehe in ständigem Kontakt mit dem Team und meinen Kollegen, auch wenn jetzt noch nicht gefahren wird. Wir planen Trainingswochen und so weiter. Ich bin ja heuer mit zwei Kollegen unterwegs, die ich noch kaum kenne. Da müssen wir versuchen, uns so schnell wie möglich als Team zu finden. Wie es letztendlich läuft, sieht man dann aber erst wieder auf der Strecke. Der Langstrecken-Sport ist ein Teamsport, da muss man Kompromisse eingehen und kann nicht einfach Entscheidungen alleine durchziehen. Deshalb ist es wichtig, dass man sich mit seinen Kollegen versteht.

LAOLA1: Wie sieht dein weiterer Vorbereitungsplan aus? 

Kraihamer: Ich werde bald nach England fliegen, um mit meinen Kollegen den Sitz anfertigen zu lassen. Das ist eine schwierige Sache. Ich bin mit 1,87m sehr groß, da wird also darauf geachtet, dass sie mich irgendwie in dieses Auto reinbekommen. (lacht) Da wir alle unterschiedlich groß sind, muss ich die Sitzbasis machen, dann können meine Kollegen die "Inserts" machen, das sind so kleine Teile, damit der Sitz auch ihnen passt. Nebenbei trainiere ich viel und halte Kontakt mit dem Team, um möglichst bald zum Testen zu kommen.

LAOLA1: Ich nehme an, dass du die Testfahrten verfolgt hast. Welches Kräfteverhältnis leitet sich deiner Meinung nach davon ab? 

Kraihamer: In unserer Kategorie tue ich mir ein bisschen schwer, weil Lotus mit dem Vorjahres-Kit gefahren ist. In der LMP 1 Hybrid ist es sehr spannend. Es ist schwer abzuschätzen, aber ich glaube, dass Porsche den größten Fortschritt gemacht hat und man hat im letzten Jahr schon gesehen, dass sie Rennen gewinnen können.

LAOLA1: Es war sogar davon zu lesen, dass die Autos einen derartigen Sprung gemacht haben, was die Geschwindigkeit und damit in Verbindung auch die Rundenzeiten anlangt, dass das zu einem Sicherheitsrisiko werden könnte. Kannst du dir das auch vorstellen? 

Kraihamer: Die Entwicklung ist interessant zu beobachten. Eigentlich will man die Kosten reduzieren und dadurch die Autos langsamer machen - auch aus Sicherheitsgründen. Heuer waren die Rundenzeiten in Le Castellet aber um vier Sekunden schneller als im Vorjahr. Das ist ein Wahnsinn. Da kann man abschätzen, was das für Le Mans bedeutet. Wenn das umlegen kann, gibt es in Le Mans Zeiten unter 3:20 Minuten. Das hat es schon lange nicht mehr gegeben. Das ist für die Zuschauer natürlich spannend, bietet aber auch ein bisschen größeres Risiko für uns Fahrer. Ich finde aber, je schneller es geht, umso mehr macht es Spaß. Ich habe also nichts dagegen.

LAOLA1: Mit ByKolles ist in diesem Jahr ein Rennstall dabei, der unter österreichischer Flagge fährt. Was hältst du von diesem Projekt? 

Kraihamer: Ich begrüße jedes Team, das in der Serie an den Start geht. Ich tue mir nur noch schwer, es performance-technisch einzuordnen. Ich bin selbst mit Lotus in der LMP2-Klasse angetreten, da waren dieselben Leute im Team. Das ist eine gute Mannschaft, aber sie haben noch einiges zu lernen. Das Auto ist auch noch nicht sehr weit entwickelt. Es wird also ein Wettkampf zwischen ihnen und uns werden. 

LAOLA1: Du hast vorher schon kurz deine neuen Teamkollegen angesprochen. Inwiefern habt ihr euch schon kennenlernen können? 

Kraihamer: Daniel (Abt, Anm.) habe ich schon einmal kennengelernt, das ist aber schon ein paar Jahre her und Alex Imperatori kenne ich von der Rennstrecke, weil er im letzten Jahr in der LMP2 gefahren ist. Wir haben schon telefoniert, aber sie werden in nächster Zeit einmal nach Wien kommen, um gemeinsam zu trainieren. Ich bin mir sicher, dass ich gut mit ihnen zurecht kommen werde. Ich bin eine sehr offene Person und habe keine Probleme, Kompromisse zu schließen.

LAOLA1: Wie kam es eigentlich zu den personellen Veränderungen in deinem Auto? 

Kraihamer: Ich möchte jetzt keinem zu nahe treten, weil das für den einzigen Fahrer, der im Auto bleibt, schwierig zu beurteilen ist. Aber es hat ein paar Momente gegeben, in denen das Team mit einem der beiden Fahrer Probleme hatte. Daher war sein Ende abzusehen. Um den anderen tut es mir persönlich sehr leid, weil ich mich mit ihm sehr gut verstanden habe. Das Team hat dann aber eben eine Entscheidung getroffen. Diese kann ich nicht beeinflussen. Ich bin einfach froh, dass ich weiter Teil des Teams bin.

LAOLA1: Umso wichtiger ist es, sich als Team früh genug zu finden, um solche Probleme ausräumen zu können.

Kraihamer: Ganz genau. Es kommt natürlich immer auf die Charaktere an. Hie und da gibt es Meinungsverschiedenheiten, die lassen sich gar nicht vermeiden. Das wird schnell ausdiskutiert und dann funktioniert es wieder. Mit einen der beiden war das im letzten Jahr eben ein bisschen schwieriger. Und dann ist man schneller weg, als man drin ist. 

LAOLA1: Daniel Abt ist ja auch in der Formel E unterwegs. Jetzt hast du mir schon einmal erzählt, dass dich der Formelsport nicht interessiert, aber ist es denkbar, dass du nebenbei noch woanders fährst in diesem Jahr?

Kraihamer: Ausschließen möchte ich nie etwas. Der Formelsport war nie der Grund, warum ich in den Motorsport wollte. Das schließt aber nicht aus, dass ich es nicht einmal versuche. Einem Formel-E-Test wäre ich überhaupt nicht abgeneigt. Es wäre sehr interessant, das einmal auszuprobieren. Ich werde einmal mit Daniel reden. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich da etwas ergeben kann. 

LAOLA1: Abgesehen davon, was ist dein Traum im Motorsport?

Kraihamer: In einem LMP-1-Werksteam zu fahren. Das möchte ich unbedingt. Es kämpfen weltweit natürlich sehr viele Fahrer um diese 20 bis 30 Plätze. Aber ich bin nicht in der schlechtesten Position und will weiter darum kämpfen. Wenn ich so weiter mache, kann ich es schaffen. 

LAOLA1: Deine Schwester Laura hat mir erzählt, dass es ihr Traum wäre, wenn ihr gemeinsam in einem Langstrecken-Fahrzeug fahren würdet. Könntest du dir das vorstellen? 

Kraihamer: Das wäre eine nette Sache, ja. Ich verstehe mich sehr gut mit ihr. Wir sehen uns leider nicht so oft, weil sie in Salzburg wohnt und ich in Wien und wir unterschiedliche Programme haben. Ich hoffe, dass sie sich beim "Race to 24" (Wettbewerb um ein Le-Mans-Cockpit, Anm.) gut schlagen kann, damit das in näherer Zukunft stattfindet. Das würde mir genauso Spaß machen wie ihr.

LAOLA1: Wir haben auch über eure Duelle im Kart gesprochen. Wie sind diese aus deiner Sicht verlaufen? 

Kraihamer: Das war immer sehr harmonisch, bis zu einem gewissen Zeitpunkt. (lacht) Nein, es war voll okay. Wir waren ja meistens in unterschiedlichen Kategorien unterwegs. Nur einmal haben wir einen gemeinsamen Test gehabt und sind uns ein bisschen in die Haare geraten. Ich bin eine langsamere Kategorie gefahren und habe es überhaupt nicht gepackt, dass sie da schneller war als ich. Sie hat mich dann überholt und ich bin dann in die nächste Kurve so hineingestochen, dass ich sie abgeschossen habe. Sie ist dann in einer Mauer gelandet und in der Folge drei oder vier Wochen mit einer Halskrause herumgelaufen. Das war das letzte Mal, als wir gemeinsam auf der Strecke waren. Heute können wir aber darüber lachen. Prinzipiell war es aber sehr cool. Man ist im Kartsport sehr viel unterwegs und da ist es schon nett, immer Familienmitglieder dabei zu haben.

 

Das Interview führte Andreas Terler