news

"Die Formel 1 hat mich nie wirklich interessiert"

97 Tage sind genug.

Noch pausiert die Langstrecken-WM, am 20. September findet die WEC am Circuit of the Americas in Austin aber ihre Fortsetzung.

Mit dabei ist unter anderem der Österreicher Dominik Kraihamer, der seit Beginn der Rennserie im Jahr 2012 am Start steht.

Nach einem durchwachsenen Jahr bei Lotus mit durchaus "eigenen" Teamkollegen, wie der 24-Jährige sagt, läuft es auch in dieser Saison bei Rebellion Racing noch nicht nach Wunsch.

Technische Probleme verhinderten in den ersten drei Rennen eine Zielankunft. Noch stehen aber fünf Läufe bevor.

Was der aktuell jüngste LMP1-Pilot trotzdem aus den bisherigen Auftritten lernen konnte, wie er den tödlichen Unfall von Allan Simonsen in Le Mans 2013 miterlebt hat und was er sich von David Alaba aneignen möchte, erzählt er im LAOLA1-Interview.

LAOLA1: Du steckst noch in einer fast dreimonatigen Pause der WEC. Warum dauert die eigentlich so lange?

Dominik Kraihamer: Das ist meiner Meinung nach auch viel zu lange. Da es Langstrecken-Rennen sind, kann man rein aus budgetären Gründen schon keine 20 Rennen im Jahr wie in der Formel 1 machen. Auch vom Logistischen her wäre es nicht möglich. Dadurch, dass aber bis Ende November gefahren werden soll, baut man so eine große Sommerpause ein. Manche Beteiligte haben auch andere Jobs, die haben dann den Wunsch geäußert, dass sie ein bisschen länger frei haben möchten und so hat sich das dann entwickelt.

LAOLA1: Wie verbringt man als Fahrer diese lange Zeit am sinnvollsten?

Kraihamer: Ich habe die Zeit genutzt, um ein bisschen für mein BWL-Studium vorzuplanen. Leider geht sich nie sehr viel aus. Vom Rennfahren her war leider auch nicht viel möglich, weil wir nicht getestet haben, was für mich ein Wahnsinn ist. Das Team hat so viele Updates machen müssen, dass es sich nicht ausgegangen ist. Die Autos mussten dafür Ende Juli nach Amsterdam gebracht werden und von dort wurden sie schon nach Amerika verschifft. Das ist eine schwierige Prozedur. Körperlich muss man sich natürlich fit halten und ich habe auch Urlaub gemacht. Aber dass wir gar keine Kilometer gefahren sind, ist natürlich sehr schade.

LAOLA1: Und die Konkurrenz hat diese Testmöglichkeiten gehabt?

Kraihamer: Die Werksteams schon. Ansonsten vereinzelt und generell sehr wenig. Heuer überhaupt viel weniger als in den letzten Jahren.

LAOLA1: Aus Kostengründen, nehme ich an.

Kraihamer: Das glaube ich, ja. Es mag zwar blöd klingen, aber die Teams spüren jetzt die Nachwehen der Wirtschaftskrise. Gerade in einem so geldintensiven Sport wie dem Motorsport spürt man es dann umso härter.

LAOLA1: Wie würdest du deine bisherige Saison bilanzieren? Zielankunft war leider bis jetzt keine dabei.

Kraihamer: Ich kann trotzdem sehr viel mitnehmen. Jede Sekunde, die ich im Auto sitze, bringt mehr Erfahrung. Es ist natürlich sehr schade, dass wir nie ins Ziel gekommen sind, weil einfach sehr viel Energie, Aufwand und Motivation dahintersteckt. Es war auch ein bisschen absehbar, dass wir mehrere technische Probleme haben werden, wenn auch nicht in so einer extremen Form. Schließlich befinden wir uns mit unserem neuen Auto in einem Entwicklungsprogramm. Ich kenne das vom letzten Jahr bei Lotus, da läuft einiges nicht reibungslos. Das ist durchaus auch interessant, weil man viel von der technischen Seite her lernt, aber du hast eben nicht das Maximum an Fahrzeit.

LAOLA1: Zu Saisonbeginn war außerdem noch das alte Auto im Einsatz.

Kraihamer: Ja, beim ersten Rennen in Silverstone. Da ist es eigentlich ganz gut gelaufen. Da misst man sich in erster Linie natürlich mit den Teamkollegen im anderen Auto. In Spa hat es uns dann sehr gefuchst, die anderen sind durchgefahren und in Le Mans war es dasselbe. Da ist auch viel Pech dabei, wobei wir in Le Mans gemerkt haben, dass wir einen Schritt hinter dem anderen Auto waren, weil wir in Spa so viele Probleme hatten. Sie hatten vor Le Mans ungefähr 15 Mal so viele Kilometer am Auto wie wir.

LAOLA1: Wie sieht dein Verhältnis zu deinen Teamkollegen Fabio Leimer und Andrea Bellichi aus?

Kraihamer: Sehr gut. Letztes Jahr war das noch sehr schwierig, weil ich mit sehr eigenen Charakteren in einem Team war. Fabio und Andrea sind aber zwei lässige Typen. Wir sind zwar alle sehr verschieden, auch was den Fahrstil betrifft, dadurch ergänzen wir uns aber sehr gut. Fabio ist sauschnell, war immerhin GP2-Sieger, da muss man schon ordentlich etwas draufhaben. Für sein junges Alter bringt er auch sehr viel Erfahrung mit und da kann ich mir einiges abschauen. Vom Speed her sind wir sehr ähnlich. Und Andrea ist sehr konstant, wobei man merkt, dass er schon eine Spur älter ist, auch schon ein Kind hat und er selbst sagt, dass dann nicht mehr die 110 Prozent dahinter sind. Er hat aber natürlich noch mehr Erfahrung und kann uns einiges weitergeben.

LAOLA1: Fünf Rennen sind jetzt in der WEC noch zu fahren. Auf welches freust du dich am meisten?

Kraihamer: Auf Japan freue ich mich, weil ich das Land und die Kultur spannend finde. Da sind auch immer total viele Zuschauer beim Rennen. Brasilien ist auch cool, dort findet dann das letzte Rennen statt.

LAOLA1: Lässt sich auch abschätzen, welche Strecke einem fahrerisch mehr entgegenkommt?

Kraihamer: Brasilien, glaube ich, liegt mir ganz gut, auch Fuji. Es gibt aber keine Strecke, wo es ganz und gar nicht funktioniert.

Zwischen den Stints bleibt wenig Zeit für Regeneration

LAOLA1: Du hast die Regenerationsphasen angesprochen. Wie kannst du diese Zeit am besten nützen?

Kraihamer: Ich würde ehrlich gesagt mehr schlafen, das ist wirklich nicht so einfach. Der Adrenalinpegel ist natürlich gewaltig hoch. Bei einem 24-Stunden-Rennen komme ich vielleicht netto auf eine bis eineinhalb Stunden Schlaf in der Nacht. Schon wenn ich aus dem Auto rauskomme, kann ich mich manchmal gar nicht mehr richtig artikulieren. Dann setze ich mich einmal für zehn Minuten hin bevor es zu den Debriefings weitergeht, wo dann ein Mann von Michelin kommt und mit mir über das Reifenmanagement redet. Bis man das alles hinter sich hat, ist eine Stunde schon vergangen. Währenddessen fährt dein Kollege rund drei Stunden und wenn der Dritte auf die Strecke geht musst du schon wieder bereitstehen, falls er Probleme hat. Die restliche Zeit bleibt einem also noch, dass man sich ein bisschen massieren lässt. Dann kann man sich vielleicht noch eine halbe Stunde hinlegen, davon schläft man vielleicht 20 Minuten und das war es. Je öfter man es macht, umso leichter ist es natürlich mental. Am Anfang weiß man natürlich nicht, was auf einen zukommt. Wenn dich jemand um halb drei in der Nacht aufweckt, bist du extrem müde, dir ist arschkalt und du bringst deine Augen nicht wirklich auf. Dann gibt dir dein Physio noch irgendetwas zu trinken, von dem du eigentlich nicht genau wissen willst, was es ist. Aber nicht, weil es nichts Legales ist, sondern weil es einfach grauenhaft schmeckt in der Situation. Und dann geht es weiter.

LAOLA1: 2013 hast du in Le Mans den tödlichen Unfall von Allan Simonsen miterlebt. Wie ist es dir als junger Fahrer damals gegangen?

Kraihamer: Das war hart. Alle Fahrer kennen sich untereinander ja ganz gut. Und es ist auch hart in Anbetracht dessen, wie sicher die Autos heutzutage eigentlich sind. Es passiert eigentlich nie etwas. Für mich war es ein besonders komisches Gefühl, weil ich in der Woche davor einen schweren Unfall im Prototypen hatte. Ich weiß, dass Allan mit knapp 170 km/h in die Leitplanke eingeschlagen ist und ich hatte Tempo 230. Mir ist fast nichts passiert. Ich war zwar ganz kurz bewusstlos, bin aber selbst aus dem Auto geklettert. Mein Ingenieur wollte mir noch erklären, dass er nicht tot ist, weil er gewusst hat, dass ich durch meinen Unfall eine Spur verunsichert war. Und ich bin unmittelbar danach ins Auto gekommen. Das Gefühl war ganz komisch.

LAOLA1: Wie würdest du die WEC generell in ihrem Standing bewerten?

Kraihamer: Es wird auf jeden Fall immer besser. Vor mehreren Jahrzehnten ist vermarktungstechnisch sicher einiges falsch gemacht worden. Mitte des 20. Jahrhunderts war Le Mans schon noch um einiges bekannter als die Formel 1. Immerhin ist es doch eines der weltgrößten Einzelsportereignisse. Aber es wird wieder besser, es kommen neue Hersteller in die LMP1 und es interessieren sich immer mehr Leute dafür. 2013 hat man mit den Zuschauern vor Ort, vor den Fernsehgeräten und so weiter über die 24 Stunden 1,2 Milliarden Menschen erreicht. Das sind krasse Zahlen. Von dem her sehe ich das für die nächsten Jahre sehr positiv.

LAOLA1: Du denkst also bereits an die nächsten Jahre. Heißt das, dass du dich langfristig in der WEC siehst?

Kraihamer: Auf jeden Fall. Sicher gibt es noch Alternativen, aber die Formel 1 wird es nicht werden. Da hätte ich einen anderen Weg einschlagen müssen, außerdem bin ich schon zu alt. Ich hätte auch früher mit dem Motorsport anfangen müssen. Die Formel 1 hat mich auch nie wirklich interessiert.

LAOLA1: Nicht richtig funktioniert hat es für dich im Vorjahr bei Lotus in der LMP2. Warum verlief die Saison dort so kompliziert?

Kraihamer: Das Projekt hat damals eigentlich ganz interessant ausgesehen, aber es war eine sehr schwere Saison. So schlimm das Jahr auch von den Ergebnissen her war - wir sind ein Mal ins Ziel gekommen - so gut war es von den Erfahrungen her. Ich habe sehr viel gelernt, auch in punkto Teamzusammenhalt. Die anderen zwei Fahrer waren - nett ausgedrückt - speziellere Typen. Ab der Hälfte der Saison bin ich gar nicht mehr mit ihnen zurechtgekommen, weil sie sehr negativ an die Sache herangegangen sind. Da war keine Motivation mehr vorhanden. Ich habe versucht, mich selbst zu pushen und dadurch ist die Lücke zwischen mir und ihnen immer größer geworden. Im Endeffekt waren es drei oder vier Sekunden pro Runde. Dann haben sie auch angefangen, gegen mich zu arbeiten und das war dann ein bisschen wie im Kindergarten. Abseits der Rennstrecke hat es viele Diskussionen gegeben und teamintern ist das schwierig geworden. Das hat mir sicher eineinhalb Mal so viel Energie gekostet, wie eine normale Saison, aber trotzdem habe ich sehr viel daraus gelernt.

LAOLA1: Wenn man sich die führenden Fahrer in der LMP1 ansieht, sind das vom Alter her - abgesehen von Sebastien Buemi - allesamt arrivierte Leute. Spielt die Erfahrung auf der Langstrecke einfach eine viel größere Rolle als bei anderen Serien?

Kraihamer: Mit Sicherheit. Der Höhepunkt als LMP1-Werksfahrer liegt wahrscheinlich bei 27 oder 28 Jahren. In der Formel 1 ist er vielleicht bei 25 Jahren. Diese Art von Motorsport ist einfach komplexer. Dadurch ist der Vorteil der Erfahrung ein größerer.

LAOLA1: Worin liegt diese Komplexität?

Kraihamer: Es geht darum, gewisse Situationen lesen zu können. Es ist auch einfach etwas Spezielles, drei oder vier Stunden durchgehend im Auto zu sein. Dann gibt es zwar eine Pause, aber auch die ist sehr anstrengend. Die Spannung 24 Stunden aufrecht zu halten, ist einfach sehr belastend. Selbst in deinem letzten Stint musst du dann noch perfekt fahren. Das ist so schwierig, dass man es sich kaum vorstellen kann.

Kraihamer mit David Alaba und Joko Winterscheidt

LAOLA1: Außerdem klingt es nicht nach der besten Werbung für die E-Mobility, wenn ein Auto nicht einmal ein Rennen durchhält.

Kraihamer: So kann es natürlich negativ aufgefasst werden. Andererseits ist das natürlich erst der Anfang. Man muss aufpassen. Wenn die Verantwortlichen erkennen, dass es nicht läuft, wird es wieder abgeblasen. Meine Teamkollegen Leimer, Heidfeld und Nicholas Prost sind dabei. Das finde ich gut, die Autos sollen aber ganz anders zu fahren sein.

LAOLA1: Abschließend noch eine Frage zu David Alaba, zu dem du ja durch deinen Sponsor "Eat the Ball" eine Freundschaft pflegst. Wie hat sich diese entwickelt?

Kraihamer: David ist ein toller Kerl. Obwohl wir eigentlich recht verschieden sind, verstehe ich mich sehr gut mit ihm. Er ist wirklich für das, was er erreicht hat, extrem bodenständig. Das taugt mir einfach. Mittlerweile schreiben wir sicher jeden dritten oder vierten Tag miteinander. Seine Lässigkeit ist meiner Meinung nach sein Geheimnis. Er scheißt sich einfach nichts. Da kann ich mir noch etwas abschauen von ihm. Ich bin jemand, der sehr viel nachdenkt und grübelt. Das kann in gewissen Momenten auch gut sein, aber wenn es darum geht, dass man Eier zeigt und voll ans Limit geht, braucht es solche Fähigkeiten. Wobei mir natürlich klar ist: Wenn er sich nichts scheißt und sich verletzt, dann ist ein Band gerissen oder der Fuß gebrochen. Wenn ich das mache, dann bin ich tot. Da muss man natürlich unterscheiden. Trotzdem muss ich mir von der Eigenschaft noch etwas aneignen.

 

Das Interview führte Andreas Terler

LAOLA1: Meinst du da den Formelsport im Allgemeinen oder den "Zirkus" Formel 1 im Speziellen?

Kraihamer: Da geht es mir schon um die Eigenheiten der Formel 1. Es wäre einfach nichts, wo ich mich sehen könnte. Es ist sehr viel Spektakel. Nick Heidfeld ist heuer mein Teamkollege, im Vorjahr war es Vitantonio Liuzzi. Beide haben mir bestätigt, dass es in der Formel 1 einfach sehr viel Drumherum gibt und zwischendurch wird gefahren. Es ist auch sehr politisch und extrem finanziell gesteuert. Auch wenn man sagen muss, dass die LMP1-Werksteams ein höheres Budget als ein Formel-1-Rennstall haben.

LAOLA1: Du bist jetzt schon bei einem starken Privatteam. Der nächste Schritt kann nur Werksteam lauten. Wie schwer oder einfach ist es, sich dort ins Gespräch zu bringen?

Kraihamer: Sehr schwierig. In meiner Familie hat vorher noch nie jemand etwas mit Motosport zu tun gehabt, Manager habe ich auch keinen. Ich bin noch nicht lange dabei und relativ jung, deshalb kennen mich die Teams auch noch nicht so gut. Ich habe schon gehört, dass sich das eine oder andere Werksteam nach mir erkundigt hat und zu Toyota habe ich ein bisschen Kontakt. Den will man natürlich pflegen. Sie sind nicht abgeneigt, aber sie wissen wie ich, dass ich noch Erfahrung brauche und noch nicht zu hundert Prozent dort bin, wo ich sein könnte. Wenn ich ein Rennen oder Training reflektiere, weiß ich: Es geht noch eine Spur besser.

LAOLA1: Am kommenden Wochenende fällt der Startschuss für eine ganz neue Serie, die Formel E. Wie sinnvoll findest du diese neue Art des Motorsports?

Kraihamer: Ich finde das eine ganz gute Sache. Es wird immer darüber gesprochen, dass auf der Strecke das entwickelt wird, was dann in die Serienautos kommt. Viele glauben das nicht, aber das stimmt wirklich zu einem sehr großen Teil. Von dem her sehe ich das sehr positiv, dass man hier entwickelt, auch wenn ich glaube, dass es sehr schwierig ist. Immerhin müssen die Fahrer ja sogar einmal pro Rennen das Auto wechseln. Ich weiß nicht, ob ich mich daran so schnell gewöhnen könnte.