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Vergne: "Glaube nicht, dass ich aus dem Rennen bin"

Vergne:

Jean-Eric Vergne hat die Hoffnung nicht aufgegeben.

Wenn es um das vakante Cockpit für Red Bull Racing geht, deutete zuletzt alles auf ein Duell zwischen seinem Teamkollegen Daniel Ricciardo und Lotus-Pilot Kimi Räikkönen hin.

Vor dem Grand Prix in Ungarn glaubt der Franzose aber fest an seine Chance. Auch wenn er zuletzt von Red Bull nicht zum Testen nach Silverstone eingeladen wurde.

Warum viele seine Leistung in diesem Jahr nicht richtig bewerten, wie er mit der öffentlichen Wahrnehmung umgeht und an welchem Motorsport-Spektakel er gerne einmal teilnehmen würde, hat der 23-Jährige im Rahmen der World Series by Renault in Spielberg erklärt.

 

Frage: Du bist in Montreal mit Platz 6 ein starkes Rennen gefahren, zuletzt gab es zwei Ausfälle. Wie fällt dein Zwischenresümee der Saison aus?

Jean-Eric Vergne: Eigentlich bin ich zufrieden mit der Saison. Viele verstehen aber nicht, was bisher alles passiert ist. Manche sagen, ich wäre nicht beständig genug. Das stimmt, wenn man sich bloß die Ergebnisse ansieht. Bei genauerer Betrachtung sieht es anders aus. Ich bin keiner der nach Ausreden sucht und der erste, der zugibt, wenn er einen Fehler gemacht hat. In Australien zum Beispiel hätte ich in die Punkte fahren müssen und habe einen Fehler gemacht. In Malaysia ließ mich das Team beim Boxenstopp zu früh losfahren, ich bin ins Auto von Pic gekracht und habe 20 Sekunden verloren. Dennoch bin ich noch Zehnter geworden. In China hat die Rennpace gepasst, dann kam mir Mark Webber in den Weg und hat mein Rennen ruiniert. In Barcelona und Silverstone war ich schnell, aber der Reifen platzte und am Nürburgring streikte die Hydraulik. In Monaco und Kanada landete ich dafür ohne Probleme in den Punkten. Alles in allem hatte ich in diesem Jahr bislang extremes Pech. Und das führt dazu, dass die Leute glauben, dass ich nicht konstant genug war. Bei Rennen ohne Problemen war ich souverän in den Punkten und war schnell genug, um mein Potenzial und das des Autos auszuschöpfen.

Frage: In schwierigen Situationen wie etwa im Regen hast du Klasse gezeigt. Hast du eine Erklärung dafür?

Vergne: Im Kart war ich wahrscheinlich der fürchterlichste Fahrer bei nassen Bedingungen. Ich hatte keine Ahnung, warum. Das war meine größte Schwäche. Ich habe aber, speziell mit meinem Vater, daran gearbeitet. Als die anderen im Regen nicht gefahren sind, war ich der einzige auf der Strecke. So wurde aus einer Schwäche eine große Stärke von mir.

In der Fahrer-WM liegt Vergne zwei Punkte vor seinem Teamkollegen Ricciado

Frage: War es ein Problem für dich, dass Ricciardo für Red Bull in Silverstone testen durfte und du nicht?

Vergne: Überhaupt nicht. Es war logisch, weil Red Bull dachte, dass er beständiger ist, als ich. Dann ist er, wie gesagt, auch ein Jahr voraus. Er hat schon drei Jahre bevor ich in die Formel 1 gekommen bin mit Red Bull getestet. Das Team kennt ihn also sehr gut. Das alles zusammen wird den Ausschlag gegeben haben.

Frage: Wie hilfreich waren die Testfahrten in Silverstone, nachdem man am Auto kaum etwas verändern durfte?

Vergne: Es ist immer hilfreich, wenn du Zeit im Auto verbringen kannst. Immerhin haben wir sonst keine Möglichkeit, Testfahrten zu bestreiten. Speziell für die Ingenieure ist es sehr hilfreich und auch für mich. Immerhin bin ich noch immer sehr neu in der Formel 1. Jede Möglichkeit zu fahren ist also eine großartige Gelegenheit. Was die neuen Reifen betrifft, habe ich aber keinen großen Unterschied bemerken können.

Frage: Wie kommst du als Mensch mit der öffentlichen Wahrnehmung in der Formel 1 und der von dir angesprochenen Kritik zurecht?

Vergne: Das ist Teil des Spiels. Du kannst ganz oben und ganz unten sein. Nach Montreal war ich nach Meinung der Medien klar vor Daniel, was nicht stimmte. In Silverstone bei meinem Reifenplatzer hatte Daniel ein gutes Ergebnis und plötzlich war ich vergessen. Irgendwann schenkst du dem Ganzen keine Aufmerksamkeit mehr, auch wenn immer ein Funken Wahrheit in den Berichten stecken mag. Ich habe kein Problem damit.

Frage: Du bewegst dich viel in sozialen Netzwerken. Hältst du das für gefährlich oder riskant?

Vergne: Natürlich ist das heutzutage sehr riskant, weil die sozialen Medien eine enorme Bedeutung in der Welt bekommen haben und immer weiter wachsen. Aber ich poste nichts aus meinem Privatleben. Das dreht sich nur um das Rennfahren und meine Karriere. Die Formel 1 ist eine eigene kleine Welt. Und für die Öffentlichkeit ist es toll, wenn sie einen Einblick darin bekommt.

Frage: Wird dir der mediale Rummel nicht manchmal auch zu viel und wünschst dir, dass die Medien einfach verschwinden sollen?

Vergne: Ganz und gar nicht. Die Medien sind sehr wichtig für jeden Sport. Sie sind die Verbindung von all dem, was auf der Strecke passiert zu den Fans. Je mehr Leute davon mitbekommen, umso besser ist es.

Frage: Das Hauptthema in dieser Saison sind die Reifen. Was denkst du über dieses Problem?

Vergne: Die Performance der Reifen war von Beginn an nicht großartig. Als dann die Explosionen hinzukamen, wurde ein Sicherheitsproblem daraus. Pirelli hat einen tollen Job gemacht, indem sie an den Nürburgring neue Reifen geliefert haben. Nach den Tests in Silverstone sind wir zuversichtlich, dass wir keine Probleme mehr haben werden. Die Probleme im Rennen kommen vor. Mal ist es der Motor, dann das Chassis oder eben die Reifen. Auch mit Michelin gab es schon die Probleme damals in Indianapolis. Auch das gehört zum Racing. Wichtig ist es, zu analysieren was passiert ist und Lösungen anzubieten. Und das hat Pirelli auch gemacht.

Frage: Du hattest in Spielberg auch die Möglichkeit das European-Le-Mans-Rennen zu beobachten. Hat Le Mans für dich als Franzose eine besondere Bedeutung?

Vergne: Ja, absolut. Ich habe in Le Mans in der Formula Campus mit dem Rennfahren begonnen. Das 24-Stunden-Rennen ist faszinierend und eines Tages will ich auf jeden Fall daran teilnehmen. Hoffentlich nicht in den nächsten zehn Jahren, weil ich noch in der Formel 1 erfolgreich sein will. Aber später würde ich es gerne fahren.

Frage: Du bist von der World Series by Renault in die Formel 1 gekommen. Inwiefern war diese Serie die ideale Vorbereitung für dich?

Vergne: Für mich bietet die Serie das optimale Paket. Du beginnst mit 16 oder 17 Jahren in der Formel Renault 2.0. Da lernst du die großen Strecken und die Teams kennen. Und es gibt schon genug Beispiele von Fahrern, die dann von der 3.5-Klasse in die Formel 1 gekommen sind, wie zum Beispiel auch Daniel Ricciardo oder Jules Bianchi. Die Autos sind sehr konkurrenzfähig im Vergleich zu dem Formel-1-Boliden, auch wenn sie nicht so schnell sind, außerdem sind sie nicht so teuer. Im Vergleich zur GP2 verbringst du auch viel mehr Zeit auf der Strecke.

Frage: Schon jetzt wird viel über die nächste Saison und ihre Veränderungen gesprochen. Was erwartest du dir davon?

Vergne: Durch die neuen Motoren wird das bestimmt eine große Herausforderung für alle. Es ist auch eine Chance für die jungen Fahrer und speziell für die kleineren Teams wie Toro Rosso. Momentan ist es sehr schwer mit den Topteams mitzuhalten, nächstes Jahr ist es aber zu Beginn für alle gleich. Alle müssen am leeren Blatt Papier beginnen. Von dem her glaube ich, dass Toro Rosso im nächsten Jahr ein mehr als konkurrenzfähiges Team sein kann.

Frage: Du hast Daniel Ricciardo schon angesprochen. Wie sieht deine Beziehung zu ihm in diesen Tagen aus?

Vergne: Die Medien wollen natürlich einen Kampf sehen. Den gibt es aber nicht. Es sieht so aus, als ob Red Bull glaubt, dass er der bessere Fahrer ist. Das kann ich auch verstehen, wenn man sich nur die reinen Ergebnisse ansieht. Red Bull will natürlich den Konstrukteurstitel gewinnen. Wenn man die zwei Autos betrachtet, sieht man aus diesem Blickwinkel nur jenes, das öfter ins Ziel gekommen ist. Da nützt dir ein tolles Rennen, wie ich es in Montreal gehabt habe, nichts. Ich bin nicht der Fahrer, der zu Christian Horner geht und ihm die Gründe erklärt. Alles was ich will, dass die Probleme von Budapest an der Vergangenheit angehören und ich meine wahre Performance zeigen kann. Und dann werden wir sehen, ob es zu spät ist. Ich glaube, dass es nie zu spät ist. Mit Daniel habe ich persönlich überhaupt kein Problem. Wenn es sich zwischen ihm und Kimi Räikkönen entscheiden soll und ich aus dem Rennen bin, was ich nicht glaube, würde ich immer noch Daniel bevorzugen. Das wäre für das ganze Team gut, auch für Toro Rosso. Generell sind wir auf einer Stufe und wenn ich kein Problem habe, bin ich vor ihm.

Frage: Ricciardo hat den Vorteil, ein Jahr mehr in der Formel 1 verbracht zu haben als du. Könnte das entscheidend sein?

Vergne: In deinem ersten Jahr in der Formel 1 musst du so vieles lernen. Davor hast du nur den Simulator, um zu testen und der repräsentiert nicht wirklich die Realität. Da hatte er sicher einen Vorteil. Aber in diesem Jahr liegen wir meiner Meinung nach gleichauf.

Frage: Mit Toro Rosso teilt ihr euch an den Rennwochenende eine Energystation mit Red Bull Racing und Sebastian Vettel. Ist das eine zusätzliche Motivation für dich oder belastet es einen eher?

Vergne: Er hat etwas Sensationelles erreicht. Natürlich hätte ich gerne den gleichen Erfolg wie er. Aber ich will ihn nicht nachmachen oder kopieren. Vergleiche gibt es immer. Letztlich geht es aber nur um die Siege, davor bist du niemand.

Frage: Du hast kürzlich gesagt, dass die Formel 1 das Zentrum deines Lebens ist und all deine Energie beansprucht. Wie erholst du dich am besten in Zeiten wie diesen, wenn mehrere Wochen zwischen den Rennen liegen?

Vergne: Ich nehme mir ein paar Tage frei und trainiere natürlich. Mein Trainer wohnt nicht sehr weit von mir entfernt und wir fahren sehr viel mit dem Rad. Das macht gerade zu dieser Jahreszeit sehr viel Spaß. Dazu kommt natürlich auch Arbeit im Simulator.

Frage: Mit welchen Gefühlen blickst du zum kommenden Rennen nach Ungarn?

Vergne: Mit Platz 16 in Qualifying und Rennen habe ich keine besonders guten Erinnerungen daran. Ich glaube das war eines der Rennen, in dem wir am langsamsten waren. Das ist heuer hoffentlich anders.

Frage: Besonders das Qualifying ist sehr wichtig am Hungaroring. Wie schätzt du dort deine Performance und Entwicklung ein?

Vergne: Sie wird definitiv besser und besser. Man kann es nicht wirklich trainieren, daher ist es nicht einfach. Es ist natürlich auch eine mentales Sache. Da hat Daniel auch definitiv mehr Erfahrung als ich. Währen du im Rennen 60 Runden fährst, hast du im Qualifying vielleicht nur drei. Das erfordert klarerweise Übung.

 

Andreas Terler