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"McLaren ist gegen Red Bull besser gewappnet"

"Abgrundhässlich!" - Mit diesem drastischen Wort beschreibt Alexander Wurz die Frontpartien der diesjährigen Boliden-Generation.

Der frischgebackene Williams-Fahrermentor hofft auf eine spannendere Saison als im Vorjahr und sieht die Ausgangsposition dafür durchaus gegeben.

Wie seine neue Funktion im F1-Paddock aussieht, wie er von Pastor Maldonado und Bruno Senna empfangen wurde und was er heuer mit Toyota in der Langstrecken-WM selber vor hat, verrät er im Interview:

LAOLA1: Alex, du wirst heuer wieder etwas mehr am Renngeschehen in der Formel 1 beteiligt sein. Bei Williams bist du als Mentor für die drei Piloten Maldonado, Senna und Bottas zuständig. Wie sieht deine Arbeit genau aus?

Wurz: Die Jungs gehören ja schon zu den weltbesten Fahrern, denen braucht man nicht sagen, dass man diese oder jene Kurve im fünften Gang fährt und beim 100-Meter-Schild bremsen muss. Aber ich kann ihnen helfen das Maximum herauszuholen. Das mag an einem Wochenende überhaupt keine Arbeit für mich bedeuten, an einem anderen wieder sehr viel. Etwa, wenn es um strategische Entscheidungen oder Fragen beim Setup geht, aber man kann auch auf mentaler Ebene arbeiten. Es kommt aber auf den jeweiligen Fahrer an, wie er mich einsetzen will. 2012 ist einmal als Probejahr ausgelegt, danach wird man weitersehen.

LAOLA1: Wie sieht deine Position innerhalb des Williams-Teams genau aus?

Wurz: Ich habe mit Williams eigentlich nichts zu tun, bin nicht beim Team angestellt und trage auch keine offizielle Kleidung von ihnen. Ich bin lediglich Konsulent für die Fahrer und nur für sie da. Diese Idee ist alleine von den Ingenieuren gekommen.

LAOLA1: Wie haben die Jungs dich als Mentor aufgenommen? Haben sie dich akzeptiert?

Wurz: Anfangs wie typische Rennfahrer: Wir sind alle Egoisten und so etwas gegenüber zunächst einmal skeptisch. Ich hätte früher wohl genauso reagiert. Aber beim ersten Test haben sie gesehen, dass meine Informationen nützen. Wenn sie merken, dass sie dadurch effizienter und schneller werden, dann wird man ganz rasch in den Entscheidungsprozess integriert.

LAOLA1: Bleibst du den Fans vor den TV-Schirmen weiter als Co-Kommentator erhalten?

Wurz: Natürlich! Mein Hauptjob ist Toyota-Fahrer im Le-Mans-Projekt, dann bin ich bei den Formel-1-Rennen hauptsächlich als Co-Kommentator und für die Analyse da. Nebenher habe ich auch noch eine Firma "Test & Training" und erst an vierter Stelle kommt vom Zeitaufwand her das Mentoring bei Williams.

LAOLA1: Wie siehst du vor dem Saisonstart die aktuellen Kräfteverhältnisse in der Formel 1?

Wurz: Ähnlich wie im Vorjahr, aber alles ein bisschen enger zusammen. 2011 rührte der Vorsprung der Top-Teams vom "blown diffusor" her. Der ist heuer verboten, dadurch wird das ganze Feld näher zusammenrücken. McLaren ist gegen Red Bull besser gewappnet als im Vorjahr und ich hoffe, dass sie mehr Druck ausüben und sie in mehr Fehler treiben können. Das wäre für die Spannung wichtig.

LAOLA1: Wenn du eine Reihung der Spitzen-Teams vornehmen müsstest, wie würde die aussehen?

Wurz: Vorneweg Red Bull mit McLaren dahinter, dann Mercedes und erst mit etwas Abstand Ferrari.

LAOLA1: Für dich bleibt also Red Bull der große Favorit?

Wurz: Ja, eindeutig. Das Reglement hat sich ja nicht so gravierend verändert.

LAOLA1: Die Autos sind heuer nicht gerade Schönheiten. Wie gefallen sie dir?

Wurz: Überhaupt nicht! Diese Autos sind abgrundhässlich, vor allem die Nasen.

LAOLA1: McLaren hat als einziges relevantes Team auf diese Höcker-Konstruktion verzichtet. Wie kann man sich das erklären?

Wurz: Das ist eine andere aerodynamische Philosophie. Viele Wege führen nach Rom. Sie mussten den unteren Teil der Nase nicht so hochziehen, weil die Basis im Vorjahr schon niedriger lag. Sie teilen die Luft unterhalb der Nase anders ab. Ihre Lösung ist aber auf jeden Fall eleganter.

LAOLA1: Wie siehst du das Comeback von Kimi Räikkönen?

Wurz: Kimi ist definitiv eine Bereicherung für die Formel 1. Mehr gibt es dazu im Moment noch nicht zu sagen. Man muss erst abwarten, was die Rundenzeiten sagen.

LAOLA1: Selber gibst du heuer auch wieder Gas - in der neuen Langstrecken-WM, zu der auch die "24 Stunden von Le Mans" zählen. Wie hast du dich in deinem neuen Team (Toyota, Anm.) eingelebt?

Wurz: Es ist voll leiwand und mir taugt es dort! Ein paar Leute, wie etwa den Technischen Direktor Pascal Vasselon, kenne ich ja schon von früher. Alle dort sind sehr prozessorientiert und dadurch geht echt was weiter. Es geht ganz analytisch und militärisch runter - so wie es sein soll.

LAOLA1: Gibt es Unterschiede in der Arbeitsweise, verglichen mit deiem Ex-Team Peugeot?

Wurz: Natürlich, das begründet sich schon aus der Herkunft. Die deutsch-japanische Arbeitsweise ist ganz trocken, aber beinhart. Bei den Franzosen zum Beispiel, wurden Probleme oft am Mittagstisch gelöst. Englische Teams wiederum tüfteln gerne bei ein paar Sandwiches in der Garage. Aber am Ende des Tages haben alle eine professionelle Lösung am Tisch liegen - das macht gute Werks-Teams aus.

LAOLA1: Hast du im Herbst schon etwas von dem Peugeot-Aus geahnt, als du bei Toyota unterschrieben hast?

Wurz: Ich habe mir schon gedacht, dass Peugeot irgendwann der Sportwagen-Szene den Rücken kehren wird. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass das schon 2012 passiert! Meine Entscheidung beruhte mehr auf meinem Bauchgefühl für Toyota: Hybridtechnologie ist die Zukunft des Le-Mans-Sports und dort sind sie weltweit der Leader. Ich bin zu Toyota gewechselt, weil ich glaube, dort in Zukunft die größten Chancen zu haben, Le Mans ein drittes Mal zu gewinnen.

LAOLA1: Welche Rennen der Langstrecken-WM wirst du heuer bestreiten?

Wurz: Alle bis auf das erste Rennen in Sebring. Da war von Anfang an klar, dass sich das für Toyota nicht ausgehen wird. Sie wollten ursprünglich nur Le Mans fahren, haben sich nach dem überraschenden Rückzug von Peugeot bemüht, zumindest mit einem Auto die komplette WM zu fahren. Dieses Auto werde heuer ich mit Nicolas Lapierre pilotieren. Bei den Rennen, in denen wir drei Fahrer brauchen, stößt Kazuki Nakajima zu uns.

Das Interview führte Michael Höller