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"Es muss gewisserweise eine Kontaktsportart sein"

Im vergangenen Oktober hat die Formel-1-Welt mit dem Namen Daniil Kvyat noch nicht viel anfangen können. 

Der damals 19-jährige Russe setzte sich überraschend gegen die erfahreneren Antonio Felix Da Costa und Carlos Sainz jr. durch und durfte bei Toro Rosso die Nachfolge von Daniel Ricciardo antreten.

Heute sitzt Kvyat ganz entspannt im Motorhome des Schwesternteams von Red Bull beim Grand Prix von Österreich. Die große Welt der Formel 1 scheint ihn kaum mehr beeindrucken zu können.

Wie ein alter Haudegen lehnt er am Tisch, nuckelt an seiner Trinkflasche und verfolgt schwächelnde Italiener gegen Costa Rica bei der Fußball-WM in Brasilien.

Auch die beiden zuletzt erfolglosen Rennen hat er weggesteckt. Spielberg kennt der in Rom lebende Jungspund bestens. 2012 hat er in der Formel Renault Alps beide Rennen gewinnen können. 

Woran Toro Rosso am Red Bull Ring noch zu knabbern hat, warum er eine Regellockerung der Stewards begrüßt und welchen Einfluss Teamchef Franz Tost auf ihn hat, erzählt er im LAOLA1-Interview:

LAOLA1: Was sagst du zu den Bedingungen und den Fans hier in Österreich?

Daniil Kvyat: Die Strecke kenne ich ja schon, weil ich schon gefahren bin. Ich mag sie sehr gerne. Wenn das Auto noch nicht ganz das macht, was es tun sollk macht kein Rennen Spaß. Bis jetzt habe ich noch zu kämpfen gehabt, besonders in den Kurven. Da liegt also noch Arbeit vor mir. Abgesehen davon ist die Atmosphäre großartig, die Landschaft um den Ring ist wunderschön. Die Strecke selbst ist eine vom alten Schlag, wo der Fahrer den Unterschied macht. Es ist auf jeden Fall eine tolle Sache, dass die Formel 1 wieder hier fährt.

LAOLA1: Kurve acht scheint eine ziemliche Herausforderung zu sein, auch im Hinblick auf den Wind. Wie ging es dir dort?

Kvyat: Ja, das war ziemlich knifflig dort, weil jeder versucht, ans Limit zu gehen – ich natürlich auch. Es ist überhaupt eine Strecke, wo schnell einmal ein Fehler passiert. Es ist nicht einfach, der Wind trägt auch das Seine dazu bei, dazu hat es genieselt. Also war es durchaus spannend.

LAOLA1: Hat sich bei euch auch am Auto etwas verändert im Vergleich zu Kanada? 

Kvyat: Ja, sowohl der Front- als auch der Heckflügel sind neu. Auch ein paar Bodyparts. Die Ingenieure haben also richtig etwas zu tun und zu analysieren. Das geht alles nicht automatisch, da muss erst getüfelt werden, bis das eine Teil mit dem anderen funktioniert. Daran arbeiten wir im Moment.  

LAOLA1: Beim Schwesternteam Red Bull Racing sind Motorenprobleme ein Dauerthema. Ist das bei Toro Rosso auch so? 

Kvyat: Das ist nicht einfach zu beurteilen. Verbesserungspotenzial ist immer vorhanden, sei es am Chassis oder am Motor. Wenn man sich ansieht, wo wir in der Testphase des Autos waren, haben wir schon jede Menge an Boden gut gemacht. Die Lücke ist also schon ganz schön klein geworden, dieses letzte, kleine Stück ist aber immer das schwierigste.

LAOLA1: In den letzten beiden Rennen ist es nicht besonders gut für dich gelaufen. Zwei Mal haben dir technische Defekte einen Strich durch die Rechnung gemacht. Hat man den Problemen auf den Grund gehen können? 

Kvyat: Man kann nie sicher sein, dass es keine technischen Probleme gibt. Das war wirklich unglücklich zuletzt. Darüber wollen wir aber gar nicht mehr nachdenken. Natürlich haben wir versucht herauszufinden, wo genau der Hund begraben liegt. Der Rest liegt nicht mehr an uns. Manchmal passiert es einfach. 

LAOLA1: Die Stewards haben angekündigt, fortan weniger streng zu sein, was die Strafen betrifft. Wie stehst du dazu?

Kvyat: Es ist eine gute Entscheidung. Sie sollten uns erlauben, dass wir näher aneinander fahren können. Natürlich gehört so etwas wie in Bahrain, als Maldonado aus der Box kommt und Gutierrez mehr oder weniger umbringt, bestraft. Aber es muss auch in gewisserweise eine Kontaktsportart sein. Das gleiche denke ich mir zum Beispiel auch oft im Fußball. Auch da gibt es immer öfter Pfiffe, wenn quasi nichts passiert ist. Kontakt muss nicht immer Konsequenzen haben, am Ende soll der Fahrer mit dem besten Durchsetzungsvermögen gewinnen. 

LAOLA1: Abgesehen davon wird es ab 2015 nach Safety-Car-Phasen stehende Starts geben. Was hältst du davon? 

Kvyat: Ich bin klar dagegen, das geht ganz einfach zu weit. 

LAOLA1: Bei der Pressekonferenz der Teamchefs war die Kostenreduktion in der Formel 1 ein großes Thema. Machst du dir als Fahrer über so etwas auch Gedanken? 

Kvyat: Man muss einfach akzeptieren, dass die Formel 1 ein teurer Sport ist und immer sein wird. Man braucht viele Ressourcen und nur so kann man beweisen, dass man stärker als andere ist. Für mich sind die Kosten meistens keine Entschuldigung. Man muss sich selbst beweisen, dass man das Zeug dazu hat, um erfolgreich zu sein. Wenn die Resultate passen, kommt auch der Rest. 

LAOLA1: Wenn du generell deine ersten Monate als Formel-1-Fahrer Revue passieren lässt, würdest du sagen, dass es genau so gekommen ist, wie du dir das erwartet hast? 

Kvyat: Mehr oder weniger schon, ja. Es ist natürlich alles genau geplant und man hat einen engen Zeitplan jeden Tag. Aber der Rest ist eigentlich schon so, wie ich mir das gedacht habe. 

LAOLA1: Ist es richtig, dass du dir im vergangenen Jahr eigentlich gar nicht hättest vorstellen können, in der Formel 1 zu fahren? 

Kvyat: Am Beginn der Saison war es so, weil es wirklich schlecht für mich gelaufen ist. Es wurde aber besser und besser und ich habe dann auch Rennen gewinnen können. Im Vergleich zu anderen habe ich den besseren Job gemacht - dann habe ich natürlich nicht nein sagen können. 

LAOLA1: Helmut Marko hat dich einmal als Mischung aus Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen bezeichnet. Ist das eine Ehre für dich oder eher eine Bürde? 

Kvyat: Das sind beide hervorragende Fahrer mit einem sehr unterschiedlichen Stil. Ich habe mich, als ich noch nicht in der Formel 1 war, immer an den Stärksten orientiert. Das ist natürlich ein schönes Kompliment, im Endeffekt will ich aber schon ich selbst bleiben.

LAOLA1: Wie schätzt du den Einfluss von Teamchef Franz Tost auf deine Entwicklung ein, gilt er doch als einer, der sehr hart mit seinen Fahrern arbeitet.

Kvyat: Er fordert einfach vollen Einsatz, Leidenschaft und Entwicklung, dann passt das. Er ist ein guter Typ und war mir gegenüber noch nicht sonderlich hart. Er wird es sicher ansprechen, wenn ich etwas an mir zu verbessern habe. Er legt er sehr viel Wert auf Disziplin, und darauf, dass man mit den Gedanken immer am richtigen Ort ist. Das ist das Beste, was er mir beibringen kann. 

LAOLA1: Dein Teamkollege Jean-Eric Vergne fährt schon sein drittes Jahr in der Formel 1. Was kannst du von ihm lernen? 

Kvyat: Mit Jev habe ich ein gutes Arbeitsverhältnis. Ich glaube, wir können beide voneinander lernen. Manche Strecken kennt er natürlich besser, deshalb ist er am Anfang oft schneller als ich. Das hilft mir aber auch, mich auf Strecken die ich noch nicht kenne, schneller zurechtzufinden, auch wenn wir unterschiedliche Fahrstile haben. 

LAOLA1: Neben Österreich gibt es heuer in deiner Heimat Russland noch ein zweites neues Rennen im Kalender. Was hast du davon schon mitbekommen?

Kvyat: Ehrlich gesagt nicht sonderlich viel. Ich war auch noch nie dort. 

LAOLA1: Wie ist es um das Formel-1-Interesse in Russland generell bestellt? 

Kvyat: Das werden wir sehen. In den letzten Jahren ist das Interesse sicher gestiegen. Wollen wir hoffen, dass der Grand Prix entscheidend dazu beitragen kann. 

LAOLA1: Wie lauten deine Ziele für den Rest der Saison? 

Kvyat: Ich habe keine großen Ziele oder Erwartungen. Ich muss einfach versuchen, auf jeder Strecke meine Balance zu finden und so gut es geht ans Limit zu gehen.

LAOLA1: Um dann irgendwann einmal im Red Bull zu sitzen? 

Kvyat: Daran will ich jetzt noch nicht denken. Egal, bei welchem Team ich fahre, das Gesamtpaket muss einfach stimmen. 

 

Das Interview führte Andreas Terler