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Wo ein Williams, da ein Weg

Wo ein Williams, da ein Weg

Können Sie sich noch an den 2. August 2003 erinnern? 

Grand Prix von Deutschland, Qualifying: Ralf Schumacher fährt in Hockenheim auf Pole Position vor seinem Teamkollegen Juan-Pablo Montoya. 

Ihr Auto? Ein BMW-Williams.

Zehn Jahre und 323 Tage später darf sich Besitzer Frank Williams wieder über eine erste Startreihe seines Rennstalls freuen.

"Wir werden zeigen, dass wir ein Siegerauto haben, auch wenn im Rennen und schon davor viel passieren kann", hofft der 72-Jährige beim Grand Prix von Österreich auf eine Sensation.

Davon kann man durchaus auch jetzt schon sprechen. Der Weg, den das britische Team in diesem Jahr gemacht hat, ist aller Ehren wert, besonders, wenn man an das katastrophale Vorjahr denkt: Ein zehnter und ein achter Platz waren 2013 das Höchste der Gefühle.

Mit neuer Power hat man 2014 für das neue Reglement die richtige Mischung gefunden und ist auf einem guten Weg, an der erfolgreichen Tradition des Teams anzuknüpfen.

Die Gründe für die Wiederauferstehung und die starke Leistung von Williams in Spielberg:

Sieger 2012: Pastor Maldonado

DIE ERFAHRUNG

Auch wenn der letzte WM-Titel schon 17 Jahre her ist, weiß man bei Williams, wie man Siegerautos zusammenschraubt und Fahrer auf die Podien dieser Formel-1-Welt bringt. Sieben Einzeltitel konnte das Privatteam aus Grove insgesamt einfahren, neun Mal war man bester Konstrukteur. Seit 1979 stand man 102 Mal auf der Pole Position und sicherte sich insgesamt 114 Siege und 132 schnellste Runden. Der letzte Sieg ist noch gar nicht so lange her: Pastor Maldonado holte 2012 in Barcelona - nachdem Lewis Hamilton disqualifiziert wurde - zunächst die erste Startposition und dann den Rennsieg. Die Leitung des Teams ist reine Familiensache. Urgestein Sir Frank ist mit Zielstrebigkeit und schier unendlicher Energie der Kopf des Rennstalls, seit 2013 steht ihm seine Tochter Claire als stellvertretende Teamchefin zur Seite. Diese konnte die Pole von Felipe Massa kaum fassen: "Ich bin geschockt und zittere immer noch!", so die 37-Jährige, die ihrer Crew ein Kompliment ausspricht: "Wir haben hier großartige Leute, die diesen Erfolg verdient haben. Wir haben so hart dafür gearbeitet!"

DIE FAHRER

Vor der Saison sprachen alle von Fernando Alonso und Kimi Räikkönen als prickelndstes Fahrerduo der Formel 1. Aber ist es auch jenes, das sich bis jetzt am besten entwickelt hat? Mitnichten. Ganz anders die Lage bei Massa und Bottas. Trotz ihrer völlig unterschiedlichen Herkunft und Mentalität liegen sie auf der Strecke meist nah beieinander. Das spricht besonders für den unerfahrenen Finnen. "Nachdem ich die Fähigkeiten von Fernando (Alonso, Anm.) kenne, ist mir auch bewusst, was Felipe zu leisten imstande ist. Für die kurze Zeit, die ich mit ihm zusammenarbeite, hat mich Valtteri sehr beeindruckt. Ich wusste nicht, wie sich die beiden zusammen auf der Rennstrecke entwickeln werden, aber im Endeffekt waren sie sehr knapp beieinander. Das ist eine gute Sache, weil sie dadurch ehrlich bleiben. Wenn sie weit voneinander entfernt sind, lehnt sich der eine zurück und der andere gibt auf", erklärt Technikchef Pat Symonds das fruchtbare Verhältnis seiner beiden Piloten. Besonders Massa ist das Erfolgserlebnis in Spielberg zu gönnen. Nach Jahren als klare Nummer zwei bei Ferrari kann der Brasilianer bei Williams neu durchstarten. "Es ist das beste Gefühl, das man haben kann", strahlt Massa am Samstag über das ganze Gesicht. Auch ihm ist aber klar, dass seine Pole Position noch lange nichts bedeuten muss. "Man kann nicht sagen, dass wir auf Augenhöhe mit Mercedes sind. Vielleicht hilft uns die Strecke, aber wir werden ein sehr starkes Mercedes erleben", ist sich der Routinier sicher. Zusätzlichen Glauben an einen Rennsieg liefert ihm sein Sohn: "Er hat mich noch nie auf dem ersten Platz gesehen. Er ist Teil meiner Motivation und von allem, was ich tue."

Technikchef Pat Symonds

DAS PERSONAL

Für erfolgreiche Auftritte kommt es nicht nur auf schnelle Fahrer an, sondern auch auf das richtige Personal abseits der Strecke. Hier hat man vor der Saison - dank dicker Sponsorendeals - ordentlich nachrüsten können. Besonders der Deal mit "Martini" bringe "sehr viel Geld für sehr viele Jahre", heißt es von Zak Brown, der als Chef der Motorsportmarketingfirma JMI das Geschäft eingefädelt hat. Neben dem ausreichenden Kleingeld hat sich in der in Vorbereitung auf 2014 bereits herumgesprochen, dass der FW36 in diesem Jahr das Zeug dazu habe, um die Spitzenplätze mitzufahren. Beste Voraussetzungen also, um starkes Personal an Land ziehen zu können. Neben Massas altem Renningenieur Rob Smedley und Pat Symonds schlossen sich unter anderem Jakob Andreasen, Craig Wilson und Rod Nelson dem Team aus Grove an. Sie kamen von Marussia, Ferrari, Force India, Mercedes und Lotus - also von völlig unterschiedlichen Teams mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen. "Wenn du so viele neue Leute im Team hast, braucht das Zeit, aber es ist gut für die Zukunft", wusste Massa vor nicht allzu langer Zeit. Und die scheint nun gekommen.

DER MOTOR

Nicht zuletzt ist der Wieder-Aufstieg auch der Motorisierung aus dem Hause Mercedes geschuldet. Alle Teams, die ihre Power Units vom deutschen Hersteller beziehen, konnten bislang enorm davon profitieren und gerade in Spielberg ist der Motor von besonderer Bedeutung. Die Strecke ist kurz und der Vollgasanteil beträgt 61 Prozent, ähnlich wie in Montreal. Aerodynamik spielt also nicht so eine wichtige Rolle. Auch wenn man beim Werksteam von Mercedes durchaus etwas überrascht über den starken Auftritt des Kundenteams war, glaubt man nach wie vor an die eigene Stärke. "Vielleicht waren sie beim Setup aggressiv und haben für das Qualifying gearbeitet. Ich meine, dass wir immer noch das schnellste Auto haben", sagt Toto Wolff. Sieht man sich die Longrun-Zeiten von Freitag an, hat er damit auch recht. Dort fehlten Massa acht Zehntel auf Lewis Hamilton. Aber schon 2012 in Barcelona hat niemand an einen Sieg geglaubt und trotzdem ist er passiert. Eines ist sicher: Die Voraussetzungen dafür sind gegeben.


Andreas Terler