Seit diesem Vorfall umweht Vettel nicht nur der Ruf des Lügners, sondern auch jener einer mitleidslosen, kalten Renn-Maschine. Der Erfolg gibt Red Bull natürlich recht. Aber Buhrufe dürfen ihn dann nicht weiter verwundern.

Will Buxton macht für diese Entwicklung nicht Vettel selbst hauptsächlich dafür verantwortlich. „Ich denke, dass wir Marko (Helmut, Anm.) die Schuld geben müssen“, schreibt der NBC-Reporter in seinem Blog. „Das Nachwuchsprogramm war darauf ausgerichtet, ‚perfekte Monster‘ zu produzieren – unerschrocken, fokussiert. Und Vettel ist das beste Produkt.“

Der Sieg um jeden Preis steht im Mittelpunkt. Wie die Konkurrenz das quittiert, kann man nach den Rennen beobachten. Beispiel Italien: Fernando Alonso und Mark Webber plauderten am Weg zur Siegerehrung gemütlich, Vettel lehnte daneben, wurde ignoriert und nicht einmal eines Blickes gewürdigt.

Wieviel Porzellan mit Noch-Teamkollege Webber mittlerweile zerbrochen ist, zeigte dessen Europa-Abschiedsparty in Monza. Während die versammelte Königsklasse feierte und sogar Sir Frank Williams sich im Rollstuhl die Treppen hochtragen ließ, saß Vettel einen Stock tiefer und spielte mit seinem Handy.

Diese Nebenschauplätze gehören nun einmal zum Geschäft in der Formel 1 – deren Showfaktor gewiss größer ist als bei anderen Sportarten. Vettel kommt damit aber offensichtlich schwer zurecht, auch weil er sich den Anhängern gegenüber zugeknöpfter gibt, als Kollegen.

Man mag von Alonsos Samurai-Weisheiten oder Lewis Hamiltons Hundefotos halten was man will – die Fans sind dankbar für jeden Lebens-Schnipsel, den ihre Helden mit ihnen teilen. Gerade in Zeiten der sozialen Netzwerke.

Wenn dann Vettel auch noch ungeschickte Aussagen, wie die jüngste, trifft und anderen Teams vorwirft, weniger Zeit zu investieren als Red Bull, sorgt er nur dafür, dass sich seine Imagewerte weiter verschlechtern.

Die Erfolge und seine Klasse als Rennfahrer werden ohne Frage in die Geschichte eingehen. Aber welcher Mensch ist nur mittels Daten und Zahlen porträtiert worden?

Vettel kam als frecher Bursche in die Formel 1. Dieser Charakter blitzt hin und wieder durch, wie dieser flapsige Spruch beweist. Bringt einer einen Farbtupfer ins alltägliche Marketing-Blabla, gibt es heftigen Gegenwind. Genauso wie niemand eine Stallorder mag – widersetzt sich einer, wie das Red-Bull-Aushängeschild in Malaysia, passt’s auch wieder nicht.

Vettel ist in einer Phase seiner Karriere angelangt, wo er der frustrierten Konkurrenz (auch der teaminternen mit Mark Webber) derart haushoch überlegen ist, dass er sagen und machen kann, was er will: Seinen Sympathiewerten tut kaum etwas gut. Irgendwie die Quadratur des Kreises.

Das nennt man dann wohl Neid. Und bekanntlich muss man sich nichts im Leben härter erarbeiten.

In meinen Augen lässt sich auch die derzeitige Negativ-Kampagne zu einem guten Teil darauf reduzieren. „Solange sie buhen, machen wir einen guten Job“, verdeutlicht der Deutsche.

Man muss nicht jede Aktion gut finden, aber Vettel ob seiner Dominanz eine Veränderung zum Negativen zu unterstellen, geht zu weit. Im Gegenteil: Für den Status, den sich der 26-Jährige erarbeitet hat und der geradezu eine Einladung zum völligen Verlust der Bodenhaftung darstellt, ist er verhältnismäßig authentisch geblieben.

In der „guten, alten Zeit“ wären seine Ecken und Kanten womöglich sogar positiv aufgefallen - viele der Allzeitgrößen waren bekanntlich, vorsichtig formuliert, nicht die einfachsten Charaktere.

Mit der „Eier-Saga“ lief er zumindest bei Lauda, bekanntlich ein Vertreter von Hauptkonkurrent Mercedes, offene Türen ein: „Der Spruch hat mir gefallen. Klartext ist immer gut.“

 


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