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Ungenaues Messprozedere als Spannungserzeuger

Ungenaues Messprozedere als Spannungserzeuger

Spannung, Nervenkitzel, Warten auf ein Ergebnis.

Momente eines Grand Prix von Italien - nach dem Rennen.

Die Formel 1 hat am Sonntag vorherrschenden Vorwürfen der Überregulierung und Undurchsichtigkeit der Vorschriften neuen Nährboden gegeben.

Alles begann mit einem Communiqué der Stewards nach dem Rennen, wonach Mercedes aufgrund eines zu geringen Reifendrucks zum Rapport gebeten wurde.

Damit war ein souveräner Erfolg von Lewis Hamilton plötzlich in Gefahr. Der Weltmeister fuhr die Konkurrenz im Autodromo Nazionale Monza in Grund und Boden und deklassierte den Zweitplatzierten Sebastian Vettel im Ferrari.

Unter dem Mindestmaß

"Es ist nicht mein Job, mir darüber Gedanken zu machen. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll", meinte der 30-Jährige, darauf angesprochen, dass nicht alles an seinem Auto den Regeln entsprochen haben soll.

Weniger als fünf Minuten vor dem Rennstart wurde am linken Hinterrad ein Reifenluftdruck gemessen, der 0,3 psi unter dem vorgeschriebenen Mindestmaß (19,5 psi) lag.

Beim Auto von Nico Rosberg, der kurz vor Rennende aufgrund eines Motorschadens ausschied, lag der Wert sogar 1,1 psi unter dem Limit.

Eine Zeitstrafe ahnend, hielt Mercedes Hamilton dazu an, gegen Ende des Rennens, schneller zu machen. Etwas mehr als 25 Sekunden betrug der Vorsprung im Ziel.

Danach begann banges Warten im Lager des Weltmeister-Rennstalls. Im Paddock war man sich darüber einig, dass es irgendeine Form von Strafe geben würde.

"Es gibt einen minimalen Druck, der vorgeschrieben ist. Es ist also ein Sicherheitsvergehen und ein technisches Vergehen. Die Folge davon ist eine Disqualifikation. Regel ist Regel, sonst könnten wir unsere Flügel auch um ein paar Milimeter weiter machen", meinte Technikchef Pat Symonds bei "Sky Sports F1".

Lob für Hamilton von der Konkurrenz

Hamilton selbst verteidigte sich damit, dass eine Abweichung von 0,3 psi auf einem Rad nicht auf die Performance niederschlagen würde. "Wir gehen an die Grenzen, darum geht es doch in diesem Sport. So eine Abweichung hat keine Auswirkung auf das Auto. Erst bei einem psi merkt man das", so der nunmehr dreifache Monza-Sieger.

Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda beteuerte, dass das Team keinerlei böse Absichten gehabt habe und sich nicht auf Kosten der Sicherheit einen Wettbewerbsvorteil erspielen wollte. "Das kann ich garantieren", so der 66-Jährige.

Die Konkurrenz aus dem Fahrerlager, die von einer Bestrafung Hamiltons profitieren hätte können, hielt sich mit Betrugs-Vorwürfen zurück - im Gegenteil.

"Lewis war sehr schnell heute, speziell im zweiten Stint. Wir haben am Podium eine fantastische Stimmung erlebt, darum sollte sich alles drehen", meinte Vettel. Auch der drittplatzierte Felipe Massa, der bei den italienischen Tifosi noch immer viele Anhänger aus seiner Ferrari-Zeit hat, wollte sich nicht groß um die Aufregung kümmern: "Er ist ein tolles Rennen gefahren. Wenn ich mehr Punkte bekommen sollte, ist das gut. Aber meine Gefühle werden sich dadurch nicht verändern."

Dazu sollte es nicht kommen. Über zwei Stunden nach Rennende folgte das Urteil: Keine Sanktionen gegen Mercedes und Hamilton.

Teamchef Wolff erklärte warum: "Es gibt einen Zeitpunkt, wo du den Reifendruck misst. Dieser Zeitpunkt ist, wenn du den Reifen aufs Auto steckst. Da haben wir mit einem Pirelli-Mitarbeiter unter Aufsicht von Pirelli den Reifendruck gemessen, und er kam aufs Auto. Diese Prozedur wurde eingehalten", sagte er. Und der Reifendruck lag zu diesem Zeitpunkt über den vorgeschriebenen 19,5 psi.

Wolff: "Wir müssen uns darüber unterhalten"

"Die Heizdecken wurden vom Strom abgeklemmt, blieben aber noch am Reifen. Dadurch ist die Temperatur in den Heizdecken gefallen, und dann der Druck in einem der Reifen." Als danach erneut gemessen wurde, lag der Druck nur noch bei 19,2 psi.

Was bleibt, ist ein unklares Regulativ. Das ist die Erkenntnis des Tages. "Die Kommissare legen dem Reifenhersteller und der FIA weitere Treffen ans Herz, um den Teams klare Vorgaben bezüglich der Messungen zu liefern", hieß es im Statement der Stewards.

"Wir müssen uns darüber unterhalten, wie dieses Prozedere in Zukunft auszusehen hat", fand auch Wolff.

Das Urteil hat allerdings einen Haken. Während in der Formel 1 keine Strafe verhängt wurde, gab es in der GP2 für dasselbe Vergehen eine Disqualifikation.

Der Neuseeländer Mitch Evans verlor am Freitag seinen zweiten Startplatz, weil der vorgeschriebene Reifendruck unterschritten wurde. Gleiches passierte dem Spanier Sergio Canamasas, dem Pltaz neun aberkannt wurde. "Ich liebe diese Einheitlichkeit", hielt der 21-Jährige Evans sarkastich via Twitter fest.

Andreas Terler